Diese Schweizer Firma hat im Büro Lachdetektoren installiert
Um die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu verbessern, untersucht die Versicherung Baloise, wie oft im Büro gelacht wird. Arbeitnehmer:innen, die nicht genug lachen, erhalten eine E-Mail mit einem lustigen Video. Was ist denn da los? Müssen die Schweizer:innen aufgeheitert werden? Und wie passen zwei ehemalige Bundesräte in diese Geschichte?
«Ein durchschnittlicher Erwachsener lacht etwa 15 Mal am Tag, deshalb haben wir gesagt, vier Lacher in zwei Stunden sollten möglich sein, alles darunter ist ungenügend», sagt Projektleiterin Alexandra Toscanelli in einem InterviewExterner Link mit der Süddeutschen Zeitung.
Die Baloise hat in den Büros eines Kunden mit zehn Mitarbeitenden eine sogenannte Chief LOL Officer (LOL steht für «laugh out loud», auf Deutsch «laut lachen») eingeführt.
Wenn eine Person die Lachquote nicht erreicht, weil er oder sie gestresst ist – oder wer weiss, vielleicht arbeitet? – merkt die LOL-Beauftragte das. Mit Hilfe eines Mikrofons und künstlicher Intelligenz (KI) misst sie die Geräusche in der Umgebung, und wenn es an Fröhlichkeit mangelt, wird der oder dem Mitarbeitenden eine E-Mail geschickt.
Laut Toscanelli kann es sich dabei um ein Meme (ein Bild mit einer lustigen Beschreibung), ein Video von einer Katze, die vom Tisch stürzt, oder um einen versehentlichen Klamauk auf einem Motorroller handeln.
Sie gab zu, dass Katzenvideos nicht jedermanns Sache seien, aber eine auf soziale Medien spezialisierte Agentur habe «das Beste aus dem Internet» zusammengestellt.
Was bringt die Schweizer:innen zum Lachen? Lachen sie gerne über sich selbst? Ein heiterer Blick auf den berühmten Schweizer Sinn für Humor:
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Schweizer Wunder: Humor
Toscanelli bestreitet, dass das Projekt ein Scherz sei. «Aber ich freue mich, wenn es die Leute zum Lachen bringt», sagt sie. «Das Gerät soll auch zum Lachen anregen, aber wir schauen vor allem, wie viel gelacht wird. Und wenn es nicht genug ist, dann motivieren wir die Mitarbeitenden, hoffentlich ein bisschen mehr zu lachen.»
Aber ist es nicht möglich, ein Lachen vorzutäuschen, um die LOL-Beauftragte zufriedenzustellen? «Wir haben die KI […] mit echten Lachern trainiert», erklärt Toscanelli.
«Gestern haben wir das Gerät in der Testfirma aufgestellt – wir haben gehustet und künstlich gelacht, um die KI auszutricksen, und es hat funktioniert. Aber auch falsches Lachen hilft der psychischen Gesundheit. Serotonin [ein stimmungsaufhellendes Hormon] wird ausgeschüttet, sobald die Lachmuskeln aktiviert werden.»
Mental health
Ziel des Projekts ist die Verbesserung der psychischen Gesundheit, zu den Zielgruppen gehören kleine und mittlere Unternehmen. Absentismus und psychische Gesundheit sind dort wichtige Themen, nicht zuletzt, weil sie den Unternehmen viel Geld kosten. Laut Bâloise gehen den Schweizer Unternehmen jährlich 6,5 Milliarden Franken verloren, weil die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden angegriffen ist.
«Wir reden immer noch viel weniger über psychische Probleme als über einen Beinbruch», sagt Toscanelli. Sie räumt jedoch ein, dass Lachen nicht die Lösung für alles sei. «Wir brauchen auch Ansprechpersonen, Hotlines und Beratungsstellen.»
Mit der medizinischen Wirkung des Lachens kennt sich der ehemalige Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann aus. Schneider-Ammann sorgte 2016 international für SchlagzeilenExterner Link, als er als Bundespräsident eine Rede zum nationalen Tag der Kranken hielt. Das Thema war das Lachen.
«Lachen ist gut für die Gesundheit, sagt der Volksmund. Wie ich haben Sie diese Erfahrung sicher auch schon gemacht», sagt Schneider-Ammann. Nun gut – das ist nichts Aussergewöhnliches. Der Grund, warum der Clip viral ging, war jedoch Schneider-Ammanns Darbietung.
Von Politiker:innen wird nicht unbedingt das komische Timing eines Standup-Comedians erwartet. Aber wenn man kein Französisch spricht, könnte man meinen, Schneider-Ammann verkünde die Diagnose für eine unheilbare Krankheit. Trotzdem hat er die Leute zum Lachen gebracht, also wurde die Mission erfüllt.
Und fairerweise muss angefügt werden, dass der gutmütig wirkende Schneider-Ammann tatsächlich einen Sinn für Humor hat.
Ein paar Wochen nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten 2016 wurde er gefragt, ob er schon mit seinem neuen Amtskollegen jenseits des Atlantiks gesprochen habe. Er verneinte, aber er habe ihm in einem Brief gratuliert.
Dann erklärte er, wie es dazu gekommen war (ab Minute 0:30 im folgenden Clip): «Am Abend vor der Wahl hatte ich zwei Briefe auf meinem Schreibtisch, und ich wurde angewiesen, beide zu unterschreiben. Ich habe einen davon unterschrieben. Und am nächsten Morgen musste ich den anderen unterschreiben…»
Ein weiterer Schweizer Politiker, der viral ging, war der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz, der 2010 im Parlament für Lacher sorgte, als er über Fleischimporte und -verkäufe von… B-B-Bündnerfleisch informierte.
Später sagte er, der Auslöser für seinen Lachanfall sei die Verwendung einer solch bürokratischen Sprache für getrocknetes Fleisch aus dem Kanton Graubünden gewesen.
Wenn dieser kurze Clip Sie nicht zum Lachen – oder wenigstens zum Schmunzeln – bringt, kann auch der LOL Officer nichts für Sie tun.
Editiert von Samuel Jaberg/Übertragung aus dem Englischen: Janine Gloor
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