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Diskriminierung der Auslandschweizer bei der 2. Säule

Berufsvorsorgemässig sind viele Auslandschweizer diskriminiert. Im Bild Argentinienschweizer-Treffen in Buenos Aires.

Obwohl die Berufliche Vorsorge obligatorisch ist, also ein Zwangssparen für alle vorliegt, werden Versichertengruppen diskriminiert. Nicht alle erhalten den gleich hohen Zins ausbezahlt.

Diese Ungleichbehandlung betrifft vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die ihre Vorsorgegelder auf Freizügigkeitskonten deponieren müssen, solange sie im Ausland weilen.

Die 2. Säule, die so genannte Berufliche Vorsorge (BV), basiert auf einem gesetzlichen Obligatorium.

Die BV ist die mittlere der drei Säulen der Altersvorsorge in der Schweiz. Die 1. Säule umfasst eine obligatorische Mindestaltersvorsorge, die 3. Säule die private freiwillige Vorsorge.

Bei der 2. Säule zahlt jeder im Inland Erwerbstätige ab einer gewissen Bruttolohnsumme (19’350 Fr.) auf individueller Basis Lohnprozente von seinem Salär. Diese werden auf sein Altersguthaben bei der Pensionskasse (PK) seines Unternehmens einbezahlt.

Das geht so lange gut, bis aus dem erwerbstätigen Schweizer Bürger im Inland ein Auslandschweizer wird. Noch bis Mitte 2007 waren jene Auslandschweizer, die ihr Geld in der Schweiz behalten wollten, gezwungen, den obligatorischen Teil ihrer 2. Säule von ihrer Pensionskasse auf ein Freizügigkeitskonto zu überweisen.

Dort bleibt es so lange blockiert, bis sie wieder zurück kommen – und zwar viel schlechter verzinst, als wenn es in der PK geblieben wäre. Jene Versicherte, die ihr Zwangserspartes nicht in der Schweiz behalten wollten, konnten ihr Geld bis Mitte Juni zu 100% aus der BV herausnehmen.

Verschiedene Regelung

Neuerdings wird dazu noch zwischen Auswanderern nach Übersee und jenen nach Europa unterschieden.

«Wenn jemand nach Übersee auswandert, darf er oder sie seit Juni 2007 sein gesamtes BV-Guthaben weiterhin mitnehmen», sagt Felix Bossert, Direktor des Solidaritätsfonds der Auslandschweizer (Soliswiss), gegenüber swissinfo.

«Wandert er aber in ein EU- oder EFTA-Land aus, muss sein obligatorisches Guthaben in der Schweiz bleiben.» Herausnehmen könne er lediglich jenen Sparbetrag, der über das Obligatorische hinaus geht.

Die neue Regelung geht auf die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU zurück. Damit werden neue Auslandschweizer, die in einem europäischen Land leben, gegenüber den Inländern zu Hause diskriminiert: «Man friert ihnen sozusagen ihr Vermögen ein, und zwar zu einem schlechten Zinssatz», sagt Bossert.

20 Milliarden auf Freizügigkeitskonten

Laut dem Schweizer Konsumentenschutz-Magazin K-Tipp liegen zur Zeit rund 20 Mrd. Franken auf Freizügigkeitskonten, gegenüber nur 11 Milliarden im Jahr 2000.

In dieser Summe sind auch die zwangseingefrorenen BV-Guthaben der Auslandschweizer enthalten.

Die Gelder auf diesen Konten werden mit 1,5% verzinst – «miserabel» urteilt Soliswiss-Direktor Bossert.

Denn fast das Doppelte, nämlich 2,5%, wäre der Mindestzinssatz zur Zeit für dieselben Gelder, wenn sie noch in den Pensionskassen lägen.

Ab 2008 wird dieser Mindestzinssatz immerhin 2,75% betragen. Der Bundesrat (Regierung), der für die Festlegung der Höhe dieses Mindestzinssatzes zuständig ist, hatte eine Erhöhung im September 2007 beschlossen.

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Glückliche Auslandschweizer in Übersee

Auswanderer nach Amerika beispielsweise dürfen ihr gesamtes BV-Vermögen mitnehmen und können es mit etwas Glück, aber auch mehr Risiko zu viel besseren Renditen anlegen, als wenn es in der Pensionskasse geblieben wäre.

«Soliswiss berät, wie man die Gelder am steuergünstigsten aus der Pensionskasse herauslöst», so Bossert. «In einem nächsten Schritt ist Soliswiss behilflich, dieses Kapital zur Altersvorsorge in Form von Versicherungen oder Vermögensverwaltung anzulegen.»

Bevormundung in Europa

Für in Europa lebende Auslandschweizer ist dies nicht mehr möglich. Bossert spricht deshalb von einer «Bevormundung»: Einerseits dürfe das angesparte Vermögen nicht mehr aus der BV genommen werden, andererseits werde es aber zu einem sehr schlechten Zins verwaltet.

Deshalb sollte die Geltung des Mindestzinssatzes auch auf die Freizügigkeitskonten ausgedehnt werden, um alle Erwerbstätigen gleichzustellen. Weder risiko- noch sicherheitsmässig lasse sich die Schlechterbehandlung der Spargelder auf Freizügigkeitskonten von denjenigen in den Pensionskassen rechtfertigen.

Kein politisches Bewusstsein

Der K-Tipp sammelt seit einiger Zeit Unterschriften für eine Petition, die von der Regierung «Faire Zinsen für alle» verlangt. Er schätzt den Verlust der Vorsorgesparer durch diese Gesetzeslücke auf eine halbe Milliarde pro Jahr.

Dies entspricht dem Zusatzgewinn, den die Verwalter dieser Freizügigkeitskonten einstreichen – laut K-Tipp sind das die Vorsorgestiftungen der Banken dieser Sparer.

Der Bevölkerung fehle das Bewusstsein für diesen Systemfehler. Laut Bossert liegt dies am Umstand, dass inländische Erwerbstätige sich nicht darum kümmern: «Die meisten rechnen ohnehin nicht damit, bald ins Ausland auszuwandern.» Und wenn sie es dann trotzdem tun, sei es schon zu spät!

«Sie alle glauben fälschlicherweise, sie seien nicht betroffen.» Fatal, wenn man sich die Bevölkerungszahlen der Schweiz anschaue: Rechne man von den 7 Mio. Einwohnern der Schweiz die 2 Mio. Ausländer ab, bleiben noch rund 5 Mio. Schweizer Bürgerinnen und Bürger.

Und davon sind zur Zeit über 10% Auslandschweizer. Das heisst, die BV-Diskriminierung könnte dann doch jeden Zehnten treffen.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Konsumentenzeitschrift K-Tipp verlangt in einer Petition vom Bundesrat, künftig auch für die BV-Gelder auf Freizügigkeitskonten die von der Regierung festgelegte Mindestverzinsung zu verlangen (Art. 12 BVV2)

Dasselbe gilt auch für die Bankkonten der 3. Säule (Art. 5 BVV3).

Vorsorgegelder bleiben üblicherweise auf Pensionskassen-Konten, wo sie zum Mindestzinssatz verzinst werden.

Freizügigkeits-Konten: Wechselt ein Versicherter den Arbeitgeber, wird er arbeitslos, oder wandert er aus, überweist ihm seine Pensionskasse das Geld auf ein Freizügigkeitskonto seiner Bank.

Der Bundesrat legt den Mindestzins alle zwei Jahre verbindlich fest. Massgeblich für das Festsetzen ist der langfristige Durchschnitt der 7-jährigen Bundesobligationen.

Mit diesem Zins wird den Pensionskassen (PK) vorgeschrieben, wie hoch sie im Minimum die BV-Altersguthaben zu verzinsen haben.

Der Grund, weshalb der Zinssatz politisch, also durch die Regierung festgelegt wird, liegt darin, dass die Gelder der 2. Säule obligatorisch, das heisst zwangserspart sind.

Ein nicht gelöstes Problem besteht darin, dass die Pensionskassen in ihrer Geschäftsentwicklung zwar vom Verlauf der Kapitalmärkte abhängig sind, sie aber nach politischen Vorgaben verzinsen müssen.

Deshalb befinden sich viele PK je nach Wirtschaftsverlauf entweder im Zustand der Unter- oder Überdeckung.

Unterdeckung: Das benötigte Deckungskapital entspricht den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr.

Überdeckung: Das Deckungskapital übertrifft das gesetzliche Minimum.

Periodisch führen diese zyklischen Ungleichgewichte zu öffentlicher Kritik.

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