Ein altes Couvert als Beweis: Adoptierte Australierin erhält mit 54 den Schweizer Pass
Jahrelang verwehrten ihr die Behörden das Schweizer Bürgerrecht – zu Unrecht. Cate Riley, Tochter von Schweizer Eltern und adoptiert von einem australischen Ehepaar, hat sich das Schweizer Bürgerrecht zurück erkämpft.
Fast hätte sie aufgegeben. Jetzt findet der jahrelange Kampf der Australierin Cate Riley aber doch noch einen glücklichen Ausgang. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich spricht ihr das Recht auf die Schweizer Staatsbürgerschaft zu. «Ich muss mich kneifen, damit ich es glaube», sagt Riley am Telefon aus Australien. Was ist passiert?
Rileys Lebensgeschichte begann 1970 in Sydney, sie kam mit dem Namen Margrith zur Welt. Ihre Mutter war Schweizerin, ihr Vater Schweizer. Sie das Ergebnis einer kurzen Beziehung. In Australien boomten die Adoptionen damals – 10’000 waren es allein im Jahr 1970. Die Behörden drängten unverheiratete Frauen, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Die Gesellschaft sprach ihnen die Fähigkeit ab, allein für ihr Kind zu sorgen.
Der leiblichen Mutter, die als Schweizerin in Australien auf sich gestellt war, blieb nichts anderes übrig, als ihre Tochter wegzugeben. «Von diesen Müttern wurde damals erwartet, dass sie ihr Kind vergessen und weiterleben, als wäre nichts geschehen», sagte Riley 2023 zu SWI swissinfo.ch.
Der Schweizer Pass als Herzenswunsch
Cate Riley reiste im Winter 2023 mit ihrer Familie in die Schweiz, zu ihren Wurzeln, aber es war auch der Startpunkt zur Erfüllung ihres Herzenswunschs: Riley wollte Schweizer Bürger:in werden.
>>>2023 war Cate Riley mit ihrer Familie in der Schweiz, wir haben sie getroffen:
Ein Unterfangen, das schier aussichtslos schien. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte Riley schon zahlreiche negative Antworten von verschiedenen Schweizer Behörden erhalten. So schrieb 2017 etwa das schweizerische Generalkonsulat in Sydney, dass sie infolge einer Volladoption keine Möglichkeit habe, das Schweizer Bürgerrechts zu erlangen.
Es war 1971, als Riley zu ihren australischen Adoptiveltern kam. Diese tauften sie auf den Namen Catherine Nicole. Cate erfuhr zwar früh, dass ihre biologischen Eltern nicht aus Australien stammten, sie hatte jedoch erst 1991 die Möglichkeit, ihre Adoptionsakten einzusehen.
Umgehend machte sie sich auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern. Riley kontaktierte als Erstes das Swiss National Tourist Office, sie legte ihre Geburtsurkunde bei und wollte Informationen zu ihren Wurzeln. Damals war sie 20 Jahre alt. Fünf Jahre dauerte es, bis sie ihre biologische Mutter fand. Nochmals ein Jahr später konnte sie ihren biologischen Vater ausfindig machen.
Immer wieder Absagen
Ihre biologische Verwandtschaft nahm sie sofort auf. Ihre leibliche Mutter lebte immer noch in Australien, ihr leiblicher Vater war in die Schweiz zurückgekehrt. Er reiste aber für ein Kennenlernen zurück nach Down Under.
An einem Familientreffen ihrer Schweizer Familie in Australien realisierte Riley, dass ihre Halbschwestern, die nur zur Hälfte Schweizerinnen sind, den Schweizer Pass besassen – sie jedoch nicht.
Diese Erkenntnis löste in Riley den Wunsch aus, auch staatsrechtlich zur Familie gehören zu wollen und Schweizerin zu werden.
Doch die Recherchen und Bemühungen mündeten immer in Absagen. Nach dem Schweizer Konsulat 2017 versuchte es Riley 2022 beim Zivilstands- und Bürgerrechtsdienst des Kantons Bern.
Dieser stellte die Anfrage dem Gemeindeamt des Kantons Zürich zu, weil der Heimatort der leiblichen Mutter in Zürich liegt. Auch hier eine negative Antwort, diesmal mit einer anderen Begründung: «Das Schweizer Bürgerrecht ist im Herbst 1992 verwirkt.»
Fast hätte sich Riley damit abgefunden. Doch im Laufe der Jahre sei darüber eine tiefes Ungerechtigkeitsempfinden gewachsen. «Ich bin doch Schweizerin, mit der Adoption wurde mir ja nicht das Blut ausgetauscht.» Sie wollte nicht aufgeben.
Die Behörden lagen falsch
Der Schweizer Jurist Marad Widmer nahm sich schliesslich ihrem Fall an. Die Behörden hätten seiner Mandantin oft mit derselben Begründung eine Absage erteilt: Riley sei in Australien adoptiert worden, deswegen habe sie das Schweizer Bürgerrecht verloren. «Meine erste juristische Erkenntnis war allerdings, dass die Adoption in Australien keine Relevanz für diesen Fall hatte. Sämtliche Behörden lagen falsch.»
Denn: Zum Zeitpunkt der Geburt von Riley 1970 bewirkte die Adoption weder den Erwerb noch den Verlust des Schweizer Bürgerrechts. Riley blieb also trotz Adoption immer Schweizerin.
Der Grund: Bis 1973 blieb gemäss Schweizer Bürgerrecht bei einer Adoption die Bindung zur Ursprungsfamilie bestehen, man behielt das Bürgerrecht, man blieb sogar erbberechtigt – eine sogenannte einfache Adoption. Dann änderte das Gesetz. Neu galt die Volladoption, die adoptierte Kinder den leiblichen rechtlich gleichstellte.
Die Behörden aber hatten über diese Entwicklung in der Gesetzgebung keine Kenntnis. «Es galt zu beweisen, dass Riley das Schweizer Bürgerrecht gar nie verloren hat», so Widmer.
Und obwohl Riley vor dem Gemeindeamt Zürich mit ihrem Gesuch um Feststellung des Schweizer Bürgerrechts abgeblitzt ist, hielt das Amt fest, dass Riley bis zum 22. Geburtstag Schweizerin war. «Das war ein kleiner Zwischentrost für meine Mandantin.»
Erfolgreiche Beschwerde
Riley rekurrierte gegen diese Verfügung, doch auch die Justizdirektion des Kantons Zürich wies die mittlerweile 54-jährige Frau ab. So erhob Riley Beschwerde beim Verwaltungsgericht.
Und hier kam ein scheinbar vernachlässigbares Dokument zum Zug. Riley hatte den Umschlag des Swiss National Tourist Office, welches Teil des schweizerischen Generalkonsulats in Edgecliff war, über all die Jahre aufbewahrt. Darin enthalten: Eine Schweizer Landkarte, auf welcher der Zürcher Heimatort ihrer biologischen Mutter eingezeichnet war.
Ein Dokument, das beweist, dass sich Riley fristgerecht bei den Schweizer Behörden gemeldet hatte. Während die Vorinstanzen entschieden hatten, dass diese Kontaktaufnahme nicht den Anforderungen an eine Meldung genüge, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich im August 2024 die Beschwerde Rileys gut.
Im Entscheid heisst es, dass gemäss dem damals geltenden Recht nicht abschliessend ausgeführt wurde, was denn eine solche «genügende Meldung» überhaupt ist. Die Praxis solle weitherzig sein können, so das Verwaltungsgericht. Im Zweifelsfall sei das Fortbestehen des Bürgerrechts anzunehmen. Das Verwaltungsgericht stellte somit fest, dass Riley das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Der Entscheid ist mittlerweile rechtskräftigExterner Link.
Bei Riley ist die Freude darüber riesig. «Realisieren werde ich es wohl erst, wenn ich den Pass in der Hand halte», sagt sie. Es sei ein langer Weg gewesen, ein weiterer Schritt auf der Suche nach ihren Wurzeln, nach ihrer Identität. «Jetzt bin ich nicht mehr einfach eine Touristin, wenn ich in die Schweiz komme, ich gehöre jetzt dazu.»
Das entscheidende Beweisstück?
Das Couvert vom Tourismusbüro sei «ein extrem wichtiges Beweisstück», sagt Widmer. Doch erst die richtige rechtliche Begründung habe zum Erfolg geführt.
Cate Riley habe sich immer wieder bemüht, Kontakte zu ihrer Schweizer Familie und zur Schweiz aufzubauen und auch aufrechtzuerhalten, sagt Widmer. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich sei darum nicht nur in rechtlicher Hinsicht korrekt, sondern auch in menschlicher.
Editiert von Balz Rigendinger / me
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