Elektronisches Unterschriftensammeln könnte Anzahl Initiativen erhöhen
Der Ständerat verlangt eine schnelle Einführung von E-Collecting. Kommen dadurch mehr Initiativen zustande? Ein Überblick.
Deshalb wird jetzt diskutiert: Das elektronische Sammeln von Unterschriften, das sogenannte «E-Collecting», hat mit dem Unterschriftenskandal in der Politik Aufwind erhalten. Der Ständerat hat sich diese Woche für einen Vorstoss ausgesprochen, der verlangt, dass die digitale Unterschriftensammlung rasch eingeführt werden soll. Inzwischen sind zudem die Weichen für die Einführung einer E-ID gestellt. Diese soll 2026 eingeführt werden. Damit könnten elektronische Unterschriften unkompliziert auf ihre Rechtmässigkeit geprüft werden. Die effektive Einführung einer E-ID dürfte aber noch Jahre dauern. Im Ständerat war der Vorstoss denn auch umstritten.
Mögliche Folgen: Mit der Einführung von E-Collecting würde das aufwändige Sammeln von Unterschriften auf der Strasse wegfallen. Es reichen ein Massenmailversand und ein paar Klicks von Sympathisantinnen und Sympathisanten. Polit-Analyst Mark Balsiger geht davon aus, dass das Sammeln von Unterschriften einfacher wird. «Volksinitiativen könnten so noch populärer werden.» Damit stellt sich die Frage, ob es bei der Einführung von E-Collecting Massnahmen braucht, um eine Initiativenflut zu verhindern. Der Bundesrat sah diesbezüglich in einem im November veröffentlichten Bericht Externer Linkkeinen Handlungsbedarf. Der Bericht kam zum Schluss, dass E-Collecting nicht zu einer raschen Zunahme bei Volksbegehren führe.
Diese Akteure profitieren: «Wer viele Daten hat, hat das wahre Gold», sagt Polit-Analyst Mark Balsiger. Und über grosse Datenbanken würden vereinzelte Parteien, Verbände, aber auch NGO verfügen. Daten wie etwa E-Mailadressen und Handynummern sind bei E-Collecting von zentraler Bedeutung. Es würden also diejenigen Player profitieren, die heute schon mächtig sind. Dabei erinnert Mark Balsiger an die ursprüngliche Idee der Volksinitiative: «Im Ursprung war die Volksinitiative ein Instrument für die damalige Opposition, also die SP und die Katholisch-Konservativen.» Inzwischen werde das Instrument vielmehr als Druckmittel oder als Drohkulisse angewendet. «Vor allem die beiden grössten Parteien, die SVP und die SP, brauchen es mit System.»
Die 100’000-Frage: Um zu verhindern, dass durch die Einführung von E-Collecting die Anzahl Volksinitiativen steigt, könnte die Grenze für die benötigten Unterschriften nach oben angepasst werden. Diese Diskussion dürfte nun ins Rollen kommen. Auch die SP und der Bauernverband scheinen für eine Anpassung dieser Hürden offen zu sein. Der Bauernverband bestätigte dies kürzlich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Polit-Analyst Mark Balsiger findet, dass die Diskussion um die Anzahl der benötigten Unterschriften im Zusammenhang mit der elektronischen Unterschriftensammlung geführt werden muss. «Beim Start der Volksinitiative 1891 brauchte es die Unterschriften von rund 7.5 Prozent der Stimmberechtigten. Inzwischen reichen weniger als 2 Prozent.»
So geht es weiter: Die Diskussion über die genau Ausgestaltung eines E-Collecting und allfällige Begleitmassnahmen wird noch eine Weile dauern. Zudem ist der Bundesrat gegen eine rasche Einführung. In seiner Antwort auf den Vorstoss im Ständerat schreibt er, dass zuerst Erfahrungen mit E-Collecting gesammelt werden sollten. Zudem spricht er sich dafür aus, dass E-Collecting die Unterschriftensammlung auf Papier nicht ergänzen, sondern ersetzen soll. Einem weiteren Vorstoss, der einen Pilotversuch mit E-Collecting fordert, hat der Bundesrat zugestimmt. Darüber muss jedoch der Nationalrat noch befinden.
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