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Gerettetes Edelweiss Village in Kanada: «Der Bund kann sich an solchen Projekten nicht finanziell beteiligen»

Zwei rote und leer Stühle mit Aussicht auf das Tal und die Berge
Eine Erfolgsgeschichte im Ausland: Das Swiss Edelweiss Village. Swiss Edelweiss Village Foundation

Nachdem das Edelweiss Village der einstigen Schweizer Bergführer in Kanada in den Rocky Mountains vor dem Verfall gerettet ist, stellt sich die Frage: Was kann die Schweiz bei der Sicherung von Schweizer Kulturerbe im Ausland machen?

Der Schweizer Botschafter in Kanada, Olaf Kjelsen, und Generalkonsul Thomas Schneider haben Anfang Oktober einige Stunden Reise auf sich genommen, um in der kleinen Ortschaft Golden mit Auslandschweizer:innen die Rettung des dortigen Edelweiss Village zu feiern.

Vor drei Jahren drohten diesen Spuren der einstigen Schweizer Bergführer-Pioniere der Abriss. Dank zwei engagierten Auslandschweizer:innen konnten die sechs Chalets aber gerettet werden.

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Drei gelbe Wegweise, im Hintergrund ein Chalet

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Die wundersame Auferstehung des Edelweiss Village in Kanada

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Sie standen vor dem Abriss, nun wurde den Chalets in den kanadischen Rocky Mountains neues Leben eingehaucht. Zu Besuch bei einem Schweizer Erbe, das voller Geschichten steckt.

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SWI swissinfo.ch: Vor drei Jahren standen diese Chalets vor dem Verfall und zum Verkauf. Jetzt können Tourist:innen gehobene Ferien im Baudenkmal machen. Was ist in Ihren Augen bei der Renovation besonders gelungen?

Olaf Kjelsen: Der eigentliche Geist dieser Gruppe von Alpinisten ist noch da. Er blieb durch die Chalets erhalten und lebt in dank der Innendekoration wieder auf. Man spürt fast ihre Präsenz. An diesen Chalets ist nicht alles «echt schweizerisch», was aber das Schweizerische dran ist, sind die Leute, die hier gelebt haben.

Thomas Schneider: Genau, ich sehe das Edelweiss Village deshalb auch nicht als schweizerisches Baudenkmal, sondern als Denkmal für die Schweizer Bergführer. Es ist ein symbolischer Ort. Diese Schweizer Bergführer leisteten einen ausschlaggebenden Anteil an der Entwicklung des Tourismus in dieser Region.

41’463 Schweizer:innen lebten laut Bundesamt für Statistik Ende 2023 in Kanada. Über 80% der bei einer Schweizer Vertretung gemeldeten Auslandschweizer:innen in Kanada sind Mehrfachbürger:innen. Nach Frankreich, Deutschland, USA und Italien, liegt Kanada auf Platz fünf der häufigsten Wohnsitzstaaten von Auslandschweizer:innen.

Botschafter Olaf Kjelsen über die Schweizer Diaspora in Kanada:
«Zahlenmässig ist die Schweizer Diaspora sehr gross. Das ist aber nur ein Bruchteil der kulturellen und menschlichen Schweizer Präsenz in Kanada. Viele sind mittlerweile zu Kanadier:innen geworden und haben teilweise den Bezug zur Schweiz nicht mehr gepflegt.»

SWI: Was bedeuten diese Schweizer Spuren für die Schweizer Community vor Ort?
OK: Wir haben an diesem Wochenende gesehen, dass viele Leute, auch Personen aus der lokalen Bevölkerung, an den Feierlichkeiten teilnahmen. Das zeugt vom Interesse und von der Verbundenheit mit der Schweizer Hinterlassenschaft.

Olaf Kjelsen und Thomas Schneider
Links: Olaf Kjelsen, der Schweizer Botschafter in Kanada und neben ihm Generalkonsul in Vancouver, Thomas Schneider. Melanie Eichenberger / SWI swissinfo.ch

SWI: Rund um den Globus finden sich Schweizer Hinterlassenschaften mit kulturellem Wert. Politisch waren diese Spuren der Schweizer Auswanderung jedoch kaum ein Thema. Können Sie sich erklären warum?
TS: Es gibt Institutionen wie die Auslandschweizerorganisation und in den eidgenössischen Räten Fürsprecherinnen und Fürsprecher für die Fünfte Schweiz. Eine grosse Lobby gibt es aber nicht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es schwierig ist, für die Anliegen der Diaspora Gehör zu finden, geschweige denn für solche kulturhistorischen Geschichten.

SWI: Auch deshalb ist die Rettung des Edelweiss Village ein Pionier-Projekt. Welche Rolle hat die Schweiz dabei gespielt?

TS: Bereits mein Vorgänger war als Berater in der Stiftung engagiert, seit einem Jahr habe ich dieses Mandat inne. Das Generalkonsulat in Vancouver hat sich in der Vergangenheit immer wieder finanziell bei kleineren Projekten im Zusammenhang mit den Schweizer Bergführern beteiligt: Beispielsweise an Publikationen über die Schweizer Immigration in Kanada, am FilmExterner Link zur Bergkultur in den Rocky Mountains, die wesentlich von den Schweizer Einwanderer:innen geprägt wurde, oder an Ausstellungen zum Thema.

Das wichtigste Projekt in jüngster Zeit, an dem wir uns in Zusammenarbeit mit Präsenz Schweiz beteiligt haben, war die Digitalisierung der Chalets.

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SWI: Welche Mittel stehen Ihnen als Schweizer Aussenvertretung bei solchen Projekten zur Verfügung?

OK: Der Bund kann sich finanziell nicht an Infrastrukturprojekten im Ausland beteiligen, die gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Aber wenn es Projekte gibt, die zu den Zielen der Vertretung im Ausland passen, wie Kommunikation oder Digitalisierung, dann können wir uns beteiligen. Dies läuft dann über das Budget von Präsenz Schweiz. Voraussetzung ist, dass sie dem Rahmen der Kommunikationsstrategie des EDA entsprechen.

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SWI: Welche Lehren ziehen Sie auf mögliche zukünftige Projekte?

OK: Ich habe die Erfahrung, dass hinter solchen Kulturprojekten immer Projekträger:innen stehen müssen, die mit Enthusiasmus, Kraft, Zeit und Energie für ihr Projekt arbeiten. Von oben nach unten zu versuchen, etwas aufzubauen, also von der Botschaft, mit unseren beschränkten Mitteln, bringt nichts. Es braucht Leute, die das unbedingt wollen.

TS: Als Lehre aus dem Projekt kann ich sagen, dass es sich wirklich lohnt, dass wir von der «offiziellen Schweiz» moralisch unterstützen und an solchen Projekten das aktive Interesse zeigen.

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