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Bargeld auf einem Tisch

Heute in der Schweiz

Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland

Heute Morgen stach es mir sofort ins Auge: "Hier nur noch bargeldlos bezahlen". Auf einem Schild an der Kasse einer Bäckerei. Im Bahnhof Bern. Nicht, dass ich mit Bargeld hätte bezahlen wollen. Nein, ich habe mit dem Handy bezahlt, mein Portemonnaie war nicht einmal dabei. Aber das ist in der Schweiz doch eher selten, denn das gute alte Bargeld ist immer noch sehr beliebt, wie eine Studie zeigt.

Ausserdem im heutigen Briefing: Kritik an der Schweizer Wolfpolitik, der weltweite Rückgang von Greenwashing und die Rückgabe von Musik an indigene Völker in Brasilien.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und grüsse Sie herzlich.

Ein Wolf blickt in die Kamera
Keystone / Michael Buholzer

Die Schweiz steht wegen ihrer aktuellen Wolfpolitik in der Kritik.

Das Büro der Berner Konvention im Europrat ist besorgt über den präventiven Abschuss von Wölfen in der Schweiz. Die Berner Konvention ist ein internationales Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere, das von der Schweiz ratifiziert wurde. Das für die Umsetzung der Konvention zuständige Büro kritisiert die Schweiz, weil der vom Bundesrat festgelegte Schwellenwert von mindestens zwölf Rudeln in der Schweiz «willkürlich» sei.

Rückblick: Im Dezember 2023 wurde der Wolfschutz in der Schweiz gelockert. Nach der angepassten Jagdverordnung dürfen Wölfe präventiv geschossen werden, in begründeten Fällen ist auch der Abschuss ganzer Rudel möglich. Ende 2023 lebten rund 32 Wolfsrudel die Schweiz. Allein zwischen dem 1. Dezember des vergangenen Jahres und dem 31. Januar 2024 wurden rund 50 Tiere präventiv erlegt.

Gegen den Beschluss des Bundesrats hatte der Verein «CHWolf» eine Klage bei der Berner Konvention eingereicht. Das Büro der Berner Konvention hat sich im September mit dem Fall befasst und hat nun die Streitparteien informiert. In seinem veröffentlichten Schreiben stellt das Büro der Berner Konvention fest, dass nur schwere Schäden zu einem Abschuss von Wölfen führen können. Weiter heisst es, das Büro sei besorgt über angeblich ungenaue Kontrollen der durch Wölfe verursachten Schäden und über angebliche Manipulationen von Daten, um weitere Abschüsse zu rechtfertigen.

Windräder und dahinter ein Atomkraftwerk
Keystone

Weniger falsche Versprechen: Die Zahl der Greenwashing-Fälle ist weltweit gesunken – aber nicht in der Schweiz.

Der Schweizer Datenanalyst «RepRisk» hat weltweit Unternehmen unter die Lupe genommen: Bei mehr als 2000 von ihnen gab es im vergangenen Jahr Vorfälle von Greenwashing, so die Studie. Die Unternehmen waren also an Waldrodungen, Ölverschmutzungen oder der Verseuchung von Trinkwasser beteiligt. Und: Sie haben zusätzlich irreführende Aussagen zum Thema gemacht.

Allerdings: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist die Zahl der Greenwashing-Fälle weltweit zurückgegangen – und zwar um 12 Prozent, wie die Datenanalyst:innen berichten. Die Unternehmen seien vorsichtiger geworden mit ihren Versprechen. Das bedeute zwar nicht, dass es weniger Umweltschäden gebe, aber es würden weniger falsche Versprechungen gemacht.

Interessant sind die regionalen Unterschiede, die der Bericht aufzeigt. In der EU und auch in Grossbritannien ist das Greenwashing zurückgegangen, während in den USA eine leichte Zunahme zu verzeichnen ist. In keinem der untersuchten Märkte haben die Vorfälle jedoch so stark zugenommen wie in der Schweiz.

Erstens hat die Schweiz einen bedeutenden Finanzsektor. Banken und Versicherungen sind laut Bericht besonders anfällig für Greenwashing-Vorwürfe, da sie häufig umweltschädliche Industrien finanzieren. Zweitens weist «RepRisk» darauf hin, dass der Anstieg in der Schweiz von einem vergleichsweise tiefen Niveau aus erfolgte. Auch seien die gemessenen Greenwashing-Fälle nicht so gravierend wie in anderen Ländern.

Zeremonie von Indigenen in Brasilien
zVg

International einzigartig: Indigene Völker in Brasilien erhalten ihre Musik aus der Schweiz zurück.

Vor über vierzig Jahren haben Schweizer Ethnologen im brasilianischen Amazonasgebiet Tonaufnahmen gemacht. «Wem gehören diese Lieder?», fragt meine Kollegin Janine Gloor in ihrem Artikel. Die Ureinwohner:innen würden unter Urheberrecht etwas anderes als die globalisierte Welt verstehen: «Wer ein Lied erfindet oder interpretiert, ist nicht der Urheber oder die Urheberin und damit auch nicht der oder die alleinige Besitzer:in des Liedes.» Die Urheber der indigenen Musik sind Tier- und Pflanzengeister, es können aber auch Berge und Flüsse sein.

«Aufnahmen werden häufig selbst als Existenzweisen, also Wesen, betrachtet, weshalb es sich mit den Aufnahmen zu resozialisieren gilt», sagt Professor Matthias Lewy von der Hochschule Luzern. Diese Auseinandersetzung führte den Musikwissenschaftler zu seinem aktuellen Projekt: die Rückführung von Musikaufnahmen der indigenen Stämme der Aparai und Wayana von Genf nach Brasilien.

Der ganzheitliche Ansatz des brasilianisch-schweizerischen Projekts ist weltweit einzigartig. Die Rückgabe von immateriellem Kulturerbe ist an sich nichts Neues. Grundlegend anders an Lewys Projekt ist, dass die Musikaufnahmen in ihrem ursprünglichen Umfeld resozialisiert werden sollen. Doch: Was bedeutet es, Musik zu resozialisieren? Konkret bedeutet es unter anderem, gemeinsam mit der indigenen Bevölkerung zu klären, wer die Musik wann, wo und zu welchem Zweck hören und nutzen darf.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Amal Mekki 

Wie handhabt Ihr Land die Rückgabe von gestohlenen Artefakten?

Die Restitution von Raubkunst ist ein Dauerthema in westlichen Ländern wie der Schweiz. Wie sieht es in Ihrem Wohnland aus?

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Ein Schweizer Frankenstück und im Hintergrund eine Zwanzigernote.
Keystone / Georgios Kefalas

Wann haben Sie das letzte Mal mit Bargeld bezahlt? In der Schweiz ist das «Münz» im Portemonnaie nach wie vor beliebt.

Wie eine Studie der Boston Consulting Group zeigt, wird in der Schweiz nach wie vor stark auf Bargeld gesetzt. Weltweit gehe der Trend jedoch in eine andere Richtung, wie Finews.ch zu den Ergebnissen der Studie schreibt.

Das Finanzportal fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammen. In Europa werde demnach am häufigsten elektronisch bezahlt in Norwegen (815 Transaktionen pro Jahr und Person), Luxemburg (753), Irland (705), Dänemark (675) und den Niederlanden (621). Die Schweiz liegt mit durchschnittlich 405 Transaktionen pro Jahr im hinteren Drittel im Vergleich mit 16 anderen europäischen Ländern bei der Anzahl der E-Transaktionen pro Kopf.

Nach der Schweiz folgen nur gerade noch sechs Länder mit weniger Transaktionen: Portugal (362), Deutschland (304), Österreich (300), Spanien (288), Malta (243) und Italien (194). In der Schweiz nehmen die digitalen Zahlungen jedoch zu: Plus 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Viele Kinder mit ihren Eltern nahmen am Marsch der Hoffnung in Genf teil.
Keystone / Martial Trezzini

Die Schweiz im Bild

Die 33. Ausgabe des Marschs der Hoffnung von Terre des Hommes fand gestern in Genf statt. Die grösste Solidaritätsveranstaltung der Schweiz kehrte damit in die Calvinstadt zurück.

In diesem Jahr stand das westafrikanische Land Mali im Mittelpunkt. 7000 Menschen, darunter mehr als 2500 Kinder, nahmen am Marsch teil. Ziel der Mobilisierung war es, Geld für die Bildungsprojekte der Organisation in Mali und im übrigen Westafrika zu sammeln.

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