Heute in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland
Wenn Sie gefragt würden, welche Themen die Schweiz am meisten spalten, welche würden Sie nennen?
Ich wette, viele würden zwei der Themen, die wir im heutigen Briefing behandeln, ganz oben auf die Liste setzen: die Beziehungen zur EU und die Präsenz des Wolfs (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge).
Im heutigen Briefing berichten wir auch über die Schwierigkeiten der Schweizer Gemeinden, Mitglieder für ihre Exekutiven zu finden, sowie über die Haltung der Regierung gegenüber einer Volksinitiative, die eine strengere Auslegung der Schweizer Neutralität in der Verfassung verankern will.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Die Verhandlungen über die institutionellen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU befinden sich «auf der Zielgeraden». Dies sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor dem Treffen von heute Abend in der Nähe von Bern mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, wo sie sich zu einer «Standortbestimmung» treffen.
Laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gehen die Gespräche über das Verhandlungspaket «zügig voran». Das Treffen hätte bereits im Sommer stattfinden sollen, wurde aber im letzten Moment abgesagt, weil die Verhandlungspositionen zu weit auseinander lagen.
Die Verhandlungen sollen bis Ende Jahr abgeschlossen sein. Grundsätzlich sollen die bestehenden Abkommen aktualisiert und erweitert werden. Dabei geht es namentlich um Abkommen in den Bereichen Landverkehr, Strom, Gesundheit, staatliche Beihilfen und Freizügigkeit. Sefcovic sagte kürzlich, die Verhandlungen gehörten «zu den intensivsten meiner Karriere».
Auch innerhalb der Regierung wird angestrengt über mögliche neue Abkommen diskutiert. So diskutieren die Sozialpartner über flankierende Massnahmen, um den Lohnschutz in der Schweiz zu gewährleisten. Zudem sind rund 30 Gesetzesänderungen und 40 Verordnungen in Vorbereitung.
Sobald die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen sind, wird der Bundesrat das Abkommen dem Parlament unterbreiten. Stimmen die eidgenössischen Räte zu, kommt das Dossier vors Stimmvolk. Mit einer Abstimmung ist frühestens im Herbst 2026 zu rechnen.
- Mehr Infos finden Sie in diesem Artikel des Tages-AnzeigersExterner Link.
Durch Fusionen gibt es in der Schweiz viel weniger Gemeinden als früher. Viele von ihnen haben aber nach wie vor Mühe, Personen zu finden, die bereit sind, ein öffentliches Amt zu übernehmen. Gelegentlich finden sich einige unfreiwillig in der Gemeindeexekutive wieder, denn falls sie ablehnen, droht eine hohe Busse.
Die Mitglieder der Schweizer Gemeinderäte werden immer älter: Nicht einmal jedes vierte Mitglied sei eine Frau und nur 18% seien jünger als 45 Jahre, sagt Reto Steiner, Autor eines Monitorings der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, gegenüber SRF News.
Die Zahl der Schweizer Gemeinden ist durch Fusionen auf 2131 gesunken – vor 15 Jahren waren es noch rund 500 mehr –, aber die Hälfte von ihnen hat immer noch Mühe, Leute zu finden, die bereit sind, anspruchsvolle öffentliche Ämter zu übernehmen. Das italienischsprachige Radio und Fernsehen RSI berichtet über das Beispiel Wassen (Kanton Uri, Bild), wo am Sonntag Andreas Baumann-Zurfluh in die Exekutive gewählt wurde. Gegenüber verschiedenen Medien machte er kein Hehl aus seiner Unzufriedenheit: Er habe nicht kandidiert und keine Zeit, ein Amt zu übernehmen.
Der Landwirt, sechsfache Familienvater, stellvertretende Feuerwehrkommandant und Kassier des Urner Bauernverbands ist der Meinung, dass sein Leben bereits genug ausgefüllt ist. Dass er gewählt wurde, führt er darauf zurück, dass er sich nicht scheut, seine Meinung zu sagen, wenn er nach Feierabend mit Freunden an der Bar etwas trinkt.
Zehn Tage hat er nun Zeit, sich zu entscheiden, ob er das Amt annimmt oder nicht. Ein «Ja» ist für alle unter 65-Jährigen, die noch nie ein Amt bekleidet haben, de facto Pflicht. Bei Ablehnung droht eine Busse von 5000 Franken.
- Die Artikel von SRF NewsExterner Link und RSI InfoExterner Link.
Das Zusammenleben von Mensch und Wolf erhitzt in der Schweiz immer wieder die Gemüter. Die jüngste Kontroverse betrifft den Abschuss von Tieren im Wallis, die nicht zu jenen Rudeln gehörten, für die eine Regulierung vorgesehen war. In Graubünden hingegen hat ein Wildhüter irrtümlich drei Luchse getötet.
Laut einer genetischen Analyse, die der «Blick» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte, gehörten 11 der 27 Wölfe, die im vergangenen Winter im Wallis geschossen wurden, nicht zu den Rudeln, für welche die die präventiven Abschüsse bewilligt worden waren.
Für Nicolas Bourquin, Chef der kantonalen Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere, sind diese «Fehler» gerechtfertigt. «Das ist Teil des gesetzlichen Rahmens», sagte er am Dienstag gegenüber RTS. «Mit anderen Worten, zum Zeitpunkt des Abschusses ist es unmöglich, genau zu bestimmen, welcher Wolf geschossen wurde. Auf jeden Fall befanden sie sich innerhalb des genehmigten Perimeters.»
Ein Raubtier, über das weit weniger gesprochen wird, wurde jedoch im Kanton Graubünden zum Kollateralopfer der schwierigen Koexistenz von Mensch und Wolf: Bei einer nächtlichen Jagd in der Surselva erschoss ein Wildhüter irrtümlich drei Luchse, zwei Jungtiere und ein erwachsenes Männchen, weil er sie für Wolfswelpen hielt. Die Aktion war bewilligt worden, um das Rudel «Vorab» zu kontrollieren. Als der Wildhüter seinen Irrtum bemerkte, informierte er die Behörden.
- Der erwähnte Artikel des Blick: «Das Wallis knallte die falschen Wölfe ab!»Externer Link.
- Der Artikel von RTS InfoExterner Link.
- SRF Info: «Bündner Wildhüter erschiesst versehentlich Luchse statt Wölfe»Externer Link.
- Der Wolf in der Schweiz: Abschiessen oder schützen? Beteiligen Sie sich an der Diskussion auf Dialog.
Der Bundesrat hat heute dem Parlament beantragt, die Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität» abzulehnen und keinen Gegenvorschlag auszuarbeiten.
Die Initiative verlangt, dass die Eidgenossenschaft keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitritt, ausser im Fall eines direkten Angriffs auf das eigene Land. Zudem soll Bern auf Sanktionen gegen kriegführende Staaten verzichten, wie sie nach dem Einmarsch in die Ukraine gegen Russland verhängt wurden. Die Ausbildung mit ausländischen Partnern bliebe erlaubt und die Verpflichtungen gegenüber der UNO würden nicht tangiert. Ein weiteres Ziel des Textes ist, dass die Schweiz ihre immerwährende Neutralität für Gute Dienste zur Konfliktprävention und -lösung nutzen kann.
Das «starre Neutralitätskonzept», das die Initiative in der Verfassung verankern würde, sei «nicht im Interesse der Schweiz» und würde «den aussenpolitischen Handlungsspielraum einschränken», so der Bundesrat. International breit abgestützte Sanktionen seien «ein wichtiges Instrument, um auf Verletzungen des Völkerrechts zu reagieren und einen Beitrag zur Erhaltung einer friedlichen und gerechten Weltordnung zu leisten».
Für die Initiative waren im April über 130’000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. Laut dem Initiativkomitee, dem auch alt Bundesrat Christoph Blocher angehört, ist der Erfolg der Unterschriftensammlung auch auf die von Verteidigungsministerin Viola Amherd vorangetriebene Annäherung an die Nato zurückzuführen.
- Mehr Details finden Sie im Artikel von Nau.chExterner Link.
- Unser Fokus zum Thema Schweiz und Neutralität.
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Die Schweiz im Bild
Geduld zu haben, Zeit verstreichen zu lassen und es in der Zukunft von Zeit zu Zeit wieder zu versuchen, ist die Lösung, um das zu schaffen, was in der Gegenwart unmöglich erscheint. Das Foto wurde auf dem Gurten bei Bern aufgenommen.
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