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Heute in der Schweiz

Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland

Unser heutiges Briefing greift zwei Interviews aus der Schweizer Presse auf. Beide wurden mit prominenten Persönlichkeiten aus dem Bereich der internationalen Beziehungen geführt: einem ehemaligen Botschafter und einem ehemaligen Bundespräsidenten. Sie sprachen über die Entwicklung der Demokratie in Europa und in der Schweiz.

Unser Hauptthema des Tages ist jedoch eines, das auch in dieser Woche die Schlagzeilen beherrschen wird: Der Betrugsverdacht beim Rüstungskonzern Ruag und der heute bekannt gegebene Rücktritt des Chefs der Schweizer Armee und des Chefs des Nachrichtendienstes.

Und: Sind die Schweizer:innen echte Workaholics? Das erfahren Sie am Ende des heutigen Briefings.

Sonnige Grüsse aus Bern

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Keystone

Ein ehemaliger Kadermann der Ruag MRO wird des Betrugs beschuldigt und die Kultur des staatlichen Rüstungsbetriebs steht auf dem Prüfstand.

Es sind weitere schlechte Nachrichten für Verteidigungsministerin Viola Amherd, die Ende März aus dem Amt scheidet. Ein ehemaliger Kadermitarbeiter soll die Ruag MRO mit einem «simplen Schema» betrogen haben: Er kaufte Material ein und verkaufte es unter Marktwert weiter, was ihm hohe Gewinne und der Ruag MRO Verluste einbrachte. Bemerkenswert ist, dass die Ehefrau des Angeklagten in der Geschäftsleitung einer der beteiligten Firmen sass.

Das Schweizer Fernsehen SRF berichtet, dass der finanzielle Schaden für den Staat im «zweistelligen Millionenbereich» liegen könnte.

Der Betrug wurde nicht erst vor kurzem aufgedeckt – ein Whistleblower hatte schon 2019 auf den Fall aufmerksam gemacht. Die damalige interne Untersuchung des Staatsunternehmens kam jedoch zum Ergebnis, dass alles in Ordnung sei. Nun sieht sich das Verteidigungsministerium heftiger Kritik der Eidgenössischen Finanzkontrolle und der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats ausgesetzt, weil es seiner Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei.

Auch die Unternehmenskultur des Staatskonzerns steht in der Kritik. Nach einem Cyberangriff im Jahr 2016 trennte die Regierung die Rüstungssparte (Ruag MRO) von der Raumfahrtsparte (Ruag International). Seither gab es fünf verschiedene CEOs und drei Finanzchefs.

Der neue Verwaltungsratspräsident der Ruag MRO, Jürg Rötheli, vermutet, dass es sich um einen systematischen Betrug handeln könnte. Dass ein einzelner Mitarbeiter einen Betrug begehen könne, ohne entdeckt zu werden, glaubt er nicht.

Die Affäre geht weiter: Heute kurz vor Mittag meldete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), dass Armeechef Thomas Süssli und Nachrichtendienstchef Christian Dussey zurücktreten werden.

Tim Guldimann
Keystone / Alessandro Della Valle

Im gestrigen Briefing schrieb meine Kollegin Emilie Ridard über die Wahlergebnisse in Deutschland, insbesondere über den Sieg der CDU/CSU und den beispiellosen Einzug der in Teilen rechtsextremen AfD ins Parlament.

Der ehemalige Schweizer Botschafter Tim Guldimann (Bild oben) sprach mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) über die Unterschiede in der politischen Dynamik zwischen der Schweiz und Deutschland und darüber, wie Friedrich Merz, der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler, die beiden Nationen wieder näher zusammenbringen könnte.

«Uns Schweizer beschäftigt immer nur die Frage: Hat man uns noch lieb?», antwortete Guldimann auf die Frage, ob sich die bilateralen Beziehungen verbessern könnten. «Vielleicht steht Friedrich Merz mit seiner Blackrock-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Wirtschaft etwas näher als Scholz», fügte Guldimann hinzu, der die deutsch-schweizerische Doppelbürgerschaft besitzt.

Er betonte aber, dass Politik nicht von persönlichen Sympathien, sondern von nationalen Interessen bestimmt werde. Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis habe einmal behauptet: «Neutralität und Solidarität seien die beiden Seiten derselben Medaille.» Der Krieg in der Ukraine habe den Fokus in Europa von der Neutralität zur Solidarität verschoben und den Druck auf die Schweiz in Bezug auf Sanktionen gegen Russland und Waffenexporte erhöht.

Alain Berset
Keystone / Peter Klaunzer

Der ehemalige Schweizer Bundesrat Alain Berset (Bild oben) ist seit September Generalsekretär des Europarats. In einem Interview mit Le Temps sprach er über die Rolle des Europarats und dessen Einfluss auf die Demokratie weltweit – auch in der Schweiz.

Mit Blick auf die schwankende Unterstützung der USA für die Ukraine bekräftigte Berset die unerschütterliche Unterstützung Europas und wies darauf hin, dass eine Rückkehr Russlands in die europäischen Institutionen nach wie vor unwahrscheinlich sei. «Der Europarat ist kein Kurort oder Wellnesszentrum. Wenn ein Mitgliedstaat einen anderen angreift und seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, muss das Konsequenzen haben. Eine Rückkehr können wir uns heute nicht vorstellen», sagte Berset.

Obwohl erst seit einem halben Jahr im Amt, fühlt sich Berset dem Mandat des Rats eng verbunden. «Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – mehr Schweiz geht kaum», sagte er.

Angesprochen auf die internationalen Organisationen in Genf, die derzeit vor Herausforderungen stünden, bekundete Berset seine volle Unterstützung: «Diese Organisationen sind der Schlüssel zum Schutz der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie.»

Er warnte auch davor, dass die Demokratie weltweit auf dem Rückzug sei, auch in der Schweiz, blieb aber in seiner Botschaft klar: «Ohne Demokratie gibt es keine Freiheit.»

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Büro am Abend
Keystone / Christian Beutler

Die Sozialdemokratische Partei (SP) will die wöchentliche Höchstarbeitszeit in der Schweiz auf 38 Stunden senken – ohne Lohneinbussen. Doch sind die Schweizer:innen wirklich Workaholics?

Die durchschnittliche vertragliche Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte liegt in der Schweiz zwischen 40 und 45 Stunden. Teilzeitarbeit, Überstunden und Abwesenheiten sind dabei nicht berücksichtigt. Teilzeitarbeit ist in der Schweiz besonders verbreitet, berichtet 24 Heures.

Im internationalen Vergleich nimmt die Schweiz bei den Arbeitszeiten einen Spitzenplatz ein. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in der Europäischen Union beträgt 38 Stunden und 5 Minuten, wobei Finnland mit 36 Stunden und 29 Minuten die kürzeste Arbeitszeit aufweist.

Berücksichtigt man jedoch die vielen Teilzeitbeschäftigten in der Schweiz, sinkt der Durchschnitt auf 35 Stunden und 30 Minuten und liegt damit unter dem europäischen Durchschnitt von 35 Stunden und 42 Minuten.

Die geleisteten Arbeitsstunden sagen aber nicht alles. Die Produktivität spielt ebenfalls eine Rolle. Laut einem Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) aus dem Jahr 2024 verzeichnet die Schweiz seit 1970 ein «im europäischen Vergleich hohes Produktivitäts- und Lohnwachstum».

Im weltweiten Produktivitätsvergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Arbeitsstunde – liegt die Schweiz mit 76,22 CHF über dem EU-Durchschnitt (60,27 CHF). Schlusslicht ist Kolumbien (16,38 CHF), an der Spitze liegt Irland (120,02 CHF).

Demonstrierende
Keystone / Michael Buholzer

Die Schweiz im Bild

Gestern versammelten sich in Zürich Demonstrierende, um am dritten Jahrestag des Kriegsbeginns gegen die russische Invasion in der Ukraine zu protestieren.

Übertragung aus dem Englischen mit Hilfe von DeepL: Melanie Eichenberger

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