Hollywoods beste Perücken – ein Schweizer liefert sie aus Bali
Sein spezielles Geschäft führte Orlando Bassi nach Indonesien. Dort stellt er Perücken für die Filmbranche her. So erfolgreich, dass es ihm für zwei Butler reicht.
Orlando Bassi erinnert sich noch genau an den Moment, als ihm zum ersten Mal der intensive Geruch von Mastix in die Nase stieg. Es war an einem St. Nikolaustag und Bassi, ein Bub im St. Galler Rheintal, wurde als kleiner Samichlaus verkleidet, sein Büffelhaar-Bart mit dem Hautkleber Mastix befestigt. Der Geruch liess ihn ein Leben lang nicht mehr los.
Heute ist Orlando Bassi 56 Jahre alt und führt auf der indonesischen Insel Bali eine Firma für handgemachte Perücken. Vielleicht haben Sie schon einmal eine seiner Kreationen gesehen: Bassi beliefert unter anderem die Filmbranche in Hollywood, den Broadway oder Netflix-Serien.
Aus rechtlichen Gründen darf er nicht alle Produktionen nennen, aber es gehören ganz grosse Filme dazu. Zum Beispiel der letztjährige Kinohit Barbie. Auf wessen Haupt eine Perücke sass, sagt Bassi nicht. «Aber viele der Perücken waren von uns.»
Auch Rechtsanwält:innen und Richter:innen in Grossbritannien, Australien und anderen Staaten tragen Perücken aus Bassis Werkstatt. Doch bis auf die Bühnen und die Gerichtssäle dieser Welt war es ein langer Weg.
Für Orlando Bassi begann dieser Weg schon am Tag nach der Samichlaus-Aufführung, damals im Rheintal. Der Junge ging zum Maskenbildner, der ihm den Bart angeklebt hatte, um ihm beim Arbeiten über die Schulter zu blicken. «Das Make-up, die Haare, das ganze Zusammenspiel, faszinierte mich», erzählt er am Telefon aus Bali.
Weil es keine Berufslehre für Maskenbildner gab, hat Orlando Bassi dann eine Lehre als Herrencoiffeur gemacht. Maskenbildner wird man durch Zusatzausbildungen nach einer Coiffeurlehre. Bassi hat aber schon während der Lehre bei Theater- und Filmproduktionen gearbeitet und Ausbildungen in der Schweiz und in Deutschland besucht. Gleich nach der Lehre eröffnete er sein eigenes Geschäft in Buchs SG, wo er aufgewachsen war: das Atelier Bassi.
Den Perücken ins Ausland gefolgt
Bei Theaterproduktionen im In- und Ausland stellte er fest, dass Perücken gefragt sind. In seinem Geschäft in Buchs begann Bassi, mit Mitarbeitenden von Hand Perücken herzustellen und schaute sich gleichzeitig um, wo man diese in grösseren Mengen produzieren könnte. «Damals war Korea ein Hotspot für Perücken», sagt er.
Also ging er dorthin und bildete in Zusammenarbeit mit einer der Firmen Angestellte aus, die für ihn Perücken herstellten. In der Folge reiste er zwischen der Schweiz und Korea hin und her, handelte mit Knowhow und Perücken.
Doch das geschah in einer Zeit, in der sich das Perückengeschäft nach China verlagerte. Bassi folgte dem Trend, merkte aber schnell, dass er sich in China nicht wohlfühlte. «Der Kulturschock war riesig», erinnert er sich. Stattdessen verschlug es ihn nach Indonesien, wo er wieder begann, in einer Firma Menschen in der Kunst des Perückenmachens auszubilden.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nie ans Auswandern gedacht. Er pendelte zwischen Indonesien und der Schweiz, verbrachte jeweils Wochen am Stück in beiden Ländern. Bis er beschloss, in Bali eine eigene Firma zu gründen und seinen Hauptwohnsitz nach Indonesien zu verlegen. Gependelt ist er weiterhin, das Zuhause war jetzt aber in Bali.
Den Kindestraum in Bali erfüllt
Indonesien hat ihn von Anfang an begeistert, auch wenn er es nicht als «perfekt» beschreiben würde. «Eigentlich ist es mir zu heiss und zu feucht», sagt er und lacht. Doch das Chaos und die Menschen haben ihn von Anfang an fasziniert.
Und in Bali konnte er sich einen Traum ermöglichen, die er schon lange hatte: einen Butler. «Schon als Kind habe ich gesagt, dass ich mal einen Butler haben will», sagt Bassi. Heute hat er neben zwei Hausbutlern, die daheim für Essen und Ordnung sorgen, noch einen Personal Assistant, der ihn auch auf seinen vielen Reisen begleitet. Das seien nicht die Allüren eines Patrons, sagt Bassi, im Gegenteil, er sei eher abhängig von ihnen. Die Männer arbeiten schon seit über 15 Jahren für Bassi und seien mehr als Mitarbeiter, fast schon Familienmitglieder.
Im Video sehen Sie, wie Orlando Bassi auf Bali lebt und arbeitet:
Butler und Personal Assistant sorgen dafür, dass Orlando Bassi den Kopf frei hat fürs Geschäft. Neben seinem Perückenunternehmen hat er noch weitere Firmen gegründet, mit denen er im Filmbusiness tätig ist. Bassi fertigt auch Make-up und künstliche Körperteile, Zähne oder Ungeheuer für Horrorfilme an – und er produziert eigene Filme. Dafür hat er das erste professionell ausgestattete Filmstudio in Bali gegründet.
Die Kundschaft steht auf made in Switzerland
Mit der Schweiz verbindet ihn mehr als nur seine Herkunft. Der Versand seiner Produkte erfolgt ausnahmslos über das Geschäft in Buchs, wo alles angefangen hat. Das komme bei der Kundschaft gut an. «Das Qualitätsmerkmal Schweiz hilft auf jeden Fall und das heben wir auch hervor», sagt Bassi.
Sein Atelier stellt auch noch Produkte in der Schweiz her, einen Perückenständer zum Beispiel. Dieser sei der Rolls Royce unter den Perückenständern. «Sauteuer», sagt Bassi. Aber die Kundschaft will den Perückenständer made in Switzerland.
Alle zwei Wochen steigt Bassi in ein Flugzeug und reist zu seinen Firmenstandorten in Asien, Europa und den USA. Dank seines Personal Assistant und Butlers, die meistens mit ihm mitreisen, hat er dabei immer Gesellschaft.
Ein familiärer Führungsstil
Bassi ist ein Selfmademan, hat nie eine Ausbildung als Manager oder Geschäftsführer gemacht. «Ich mache alles aus dem Bauch heraus», sagt er.
In Indonesien hat er zudem gelernt, dass dort ganz bestimmte Führungsqualitäten gefragt sind. «Die Firma ist wie eine Grossfamilie», sagt er. Eine Familie mit klaren Hierarchiestufen: An der Spitze ist der Boss, der alles entscheidet, stets das letzte Wort hat und wie eine Vaterfigur geliebt und respektiert wird. Der aber auch die Konsequenzen tragen muss, wenn etwas schiefgeht.
In den letzten Jahren – auch im Hinblick auf eine Übergabe des Perückengeschäfts – hat Bassi damit begonnen, Hierarchiestrukturen «wie in einer richtigen Firma» einzuführen. Und einen Kulturwandel: «Den Leuten muss klar sein, dass Fehler Folgen haben.»
Er verzichtet auf Abstimmungen in der Schweiz
Orlando Bassi interessiert sich nicht für Politik, nimmt in der Schweiz nicht an Wahlen und Abstimmungen teil. «Ich habe das Gefühl, dass ich da nicht sehr viel beitragen kann», sagt er. Stattdessen sei es ihm wichtig, vor Ort zur Gemeinschaft beizutragen und ein Vorbild zu sein für die 240 Mitarbeitenden in seiner Firma.
Als die Unterhaltungsindustrie während der Coronapandemie am Boden lag, kam auch Bassis Business ins Schlingern. «Ich musste viel privates Geld reinstecken.» Weil die Pandemie nicht wie von ihm erwartet nach wenigen Monaten vorbei war, hat er die Ausrichtung der Firma geändert.
Statt Perücken fürs Showbusiness hat sie sogenannte Strassenperücken hergestellt, die als modisches Accessoire, aber auch von krebskranken Menschen verwendet werden. Diesem Geschäftszweig ist er seither treu geblieben und seit dem Ende der Pandemie sind auch die Aufträge für Filmperücken zurück.
Die Schweiz ist ihm zu brav
Seit über zwanzig Jahren lebt Bassi nun schon auf Bali. Bei seinen regelmässigen Reisen in die Schweiz stehen Familie, die Firma, und Freund:innen im Zentrum, nicht das Land.
«Natürlich schätze ich die Kultur, es ist sauber und die Landschaft begeistert mich immer wieder.» Aber dass in der Schweiz alles so gut funktioniere, sei für ihn auch immer ein Grund, gern wieder zu gehen. «Es wird ganz schnell langweilig.»
Editiert von Balz Rigendinger
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