Maeva Rubli macht Kunst, damit Korallen überleben
Korallen im Roten Meer sind besonders widerstandsfähig gegenüber der Erderwärmung. Um ihre Bedeutung zu unterstreichen, hat eine Schweizer Initiative eine Ausstellung in Akaba in Jordanien, organisiert. Begegnung mit einer beteiligten Künstlerin.
«Das Wassermolekül widerspiegelt, dass der Mensch alles unternimmt, um zu reparieren, was er immer wieder zerstört».
Besagtes Wassermolekül ist der Protagonist einer besonderen Geschichte. Sie begann vor Tausenden von Jahren. Bis heute setzt sie sich fort in Wissenschaft, Diplomatie und Kunst.
Aber der Reihe nach: Obiges Zitat ist einem Buch entnommen, das sich an Jugendliche und Erwachsene richtet. Es handelt sich um einen Bilderbogen, der aktuell in der Festung von Akaba in Jordanien zu sehen ist.
Autorin der Geschichte ist die Schweizer Illustratorin und Autorin Maeva Rubli Externer Linkaus Basel. SWI swissinfo.ch hat sie getroffen, kurz vor ihrer Abreise nach Aqaba.
Sie reiste dorthin, um ihrem Werk den letzten Schliff zu geben vor der Vernissage der Ausstellung «Voices of the Reef». Zudem gab führte sie vor Ort Workshops für Student:innen und Schüler:innen durch.
Die in Basel lebende Illustratorin gehört zu den Künstlern, die für das Projekt Voices of the Reef ausgewählt wurden.
Korallen sind die anderen Protagonisten ihrer Geschichte. Und um diese geht es in der Ausstellung. Sie wurde vom Nationalen Kunstmuseum Jordaniens organisiert und entstand auf Initiative des Transnationalen Zentrums für das Rote Meer (TRSC) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne mit Unterstützung der Schweizer Botschaft.
Der Widerstand der Korallen
Seit Jahren leitet das TRSC ein ehrgeiziges Projekt, das Regierungen und Wissenschaftler:innen aus den Anrainerstaaten des Roten Meeres zusammenbringen will, um die dortigen Korallen zu untersuchen, zu verstehen und zu retten.
Denn vor einigen Jahren fand man heraus, dass die Korallen in diesen Gewässern besonders widerstandsfähig gegen steigende Temperaturen sind.
Korallen in anderen Meeren bleichen aus oder sterben ab. Das geschieht in einem Ausmass, dass die Forschung davon ausgeht, dass die Korallenriffe im Roten Meer bis zum Ende des Jahrhunderts die einzigen noch überlebenden sein könnten.
Als Grund für ihre Wärmeverträglichkeit wird vermutet, dass sich diese Korallen vor Tausenden Jahren in sehr heissen Perioden ausgebreitet haben und diese besondere Resistenz genetisch bewahrt haben.
Doch auch wenn hohe Temperaturen für sie kein Problem darstellen, so gilt dies nicht für andere Bedrohungen wie Meeresverschmutzung oder physische Schäden.
Neben der wissenschaftlichen Forschung und den diplomatischen Bemühungen, über die SWI swissinfo bereits berichtet hat, setzen die Initiant:innen nun auch auf Kunst, um diese Korallen zu retten.
Die Hoffnung ist, dass es gelingt, die Öffentlichkeit für ihre ökologische Bedeutung zu sensibilisieren, denn Korallenriffe bilden die Grundlage eines Ökosystems, das unzählige Lebewesen ernährt.
Auch auf ihre wirtschaftliche Bedeutung soll aufmerksam gemacht werden, denn die Schönheit der Riffe ist ein Motor für die Tourismusindustrie.
Maeva Rubli nahm im Mai letzten Jahres mit zehn jordanischen Künstler:innen an einer «immersiven Residenz» in Aqaba teil.
Mit Wissenschaftler:innen beobachteten sie diese Ökosysteme aus nächster Nähe, auf Tauchgängen mit Tauchflaschen und Neoprenanzügen. Danach hatten sie Carte Blanche, um ein Werk für die Ausstellung vorzubereiten.
Wie ein Tröpfchen
«Ich habe viel Zeit damit verbracht, Fragen zu stellen, Antworten zu sammeln und alles in einem Notizbuch zusammenzufassen. Und ich habe nicht nur mit Wissenschaftler:innen gesprochen, sondern mit allen möglichen Leuten», erzählt Rubli. Manchmal habe sie einfach lange und schweigend beobachtet.
Ursprünglich wollte sie die Arbeit des TRSC mit einer visuellen Reportage sichtbar machen, mict einer ebenso wissenschaftlichen Vorgehensweise. Aber das Erlebte inspirierte sie für eine poetischere Erzählweise.
So gab sie den Gefühlen, die sie während des Aufenthalts empfand, eine Form. Ihre Gefühle umschreibt sie so: «In einem Land, in das ich nicht gehöre, mich fremd fühle, in all den grossen Widersprüchen versuchte ich, die ökologischen und wirtschaftlichen, Zusammenhänge zu finden.»
All dies liess sie an einen Wassertropfen denken, der sich im Meer, in der Luft und auf dem Boden wiederfindet. Sie fühlt sich unbedeutend, kann aber jeden treffen, mit ihm reden und Fragen stellen.
«So habe ich mich auch gefühlt. Ich befand mich inmitten von etwas, über das ich keine Kontrolle hatte, aber durch das ich einfach hindurchgehen konnte. Also habe ich versucht, daraus mein eigenes Projekt zu machen.»
Die Reise des Tropfens beginnt dort, wo sie endet, und führt durch Städte, Flaschen, Korallenriffe und sogar in die Augen eines alten Mannes, der immer die gleiche Frage stellt:
«Wer bist du?», fragt das Molekül.
«Meine Familie lebt schon seit langem am Meer.
Mein Vater war Fischer, aber die Fischerei ist nicht mehr rentabel.
Deshalb führe ich Touristen zu den Korallen.
Korallen sind unser Reichtum, sie ernähren uns.
Heute hat sich alles verändert.
Ich fühle mich fremd in meiner Stadt.
Und ich erkenne das Meer nicht wieder.
Aber ich habe die Hoffnung, dass wir die Verbindung, die wir einst hatten, wiederherstellen können, wenn wir uns um unsere Stadt und das Meer kümmern.»
Mit dem Seufzer des älteren Mannes fliesst das Molekül über seine Wange.
Die Ausstellung «Voices of the Reef» ist bis zum 12. Dezember 2024 in der Festung in Akaba, Jordanien, zu sehen.
Im April 2025 wird sie in die Hauptstadt Amman umziehen, wo eine zweite Gruppe von Künstler:innen an der immersiven Residenz teilnehmen wird, um eine zweite Ausstellung zu organisieren.
Übertragung aus dem Italienischen: Balz Rigendinger / me
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