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Millionen tote Vögel: Was tun gegen jagende Katzen in der Schweiz

Eine schwarze Katze im Gebüsch
Sam war ein guter Junge – ausser wenn er es wieder einmal nicht war. Susan Misicka

Katzen töten in der Schweiz jedes Jahr Millionen von Vögeln, Fröschen und anderen Tieren – doch die Politik zögert, etwas dagegen zu unternehmen. Ob die Diskussionen über ein Moratorium, das die Einfuhr und Zucht von Katzen für zehn Jahre verbieten will, etwas bewirken?

Ratten, Fledermäuse, Vögel, Wühlmäuse, Eidechsen und Blindschleichen – das sind manche der Opfergaben, die uns unser Kater Sam im Laufe der Jahre erbrachte. Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Schweizer Vogelarten vom Aussterben bedroht ist – ein höherer Anteil als in vielen anderen Ländern – fordern Umweltschützer:innen nun, dass etwas unternommen wird, um die Schweizer Katzenpopulation einzudämmen und die Bedrohung der Artenvielfalt zu verringern.

Rund zwei Millionen Katzen tummeln sich in der Schweiz (zusammen mit neun Millionen menschlichen Einwohnenden), von denen etwa ein Zehntel heimatlos und verwildert ist, schätzt die Stiftung Tier im RechtExterner Link. Die Tiere, von denen die meisten Zugang zur freien Natur haben, bieten Millionen von Menschen Gesellschaft und Vergnügen.

Sie töten aber auch rund 30 Millionen Vögel und eine halbe Million Reptilien und Amphibien in der Schweiz, schreibt die Neue Zürcher ZeitungExterner Link (NZZ).

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Der Verein Klimaschutz Schweiz hat sich nun in die Debatte eingeschaltet und eine Ideensammlung für eine Klimainitiative gestartet. Eine der Ideen, die an einer kürzlich abgehaltenen Sitzung vorgebracht wurde und bei der es mehr um die Artenvielfalt als um das Klima ging, war ein zehnjähriges Moratorium für die Einfuhr und Zucht von Katzen.

Auch die Naturschutzorganisation Pro Natura hat sich Gedanken zu diesem heiklen Thema gemacht. «Man könnte ihnen raschelnde Halsbänder umhängen, sie während der Hauptbrutzeit einige Wochen drinnen halten, was aber schwierig zu realisieren wäre, oder Freigänger-Katzen konsequent kastrieren, um ihren Jagdtrieb einzuschränken», sagte deren Direktor Urs Leugger-Eggimann der NZZ.

Viele Ideen, wenig Brauchbares

Meiner Erfahrung nach hat das Anbringen einer Glocke um den Hals unseres schwarzen Katers seine ohnehin schon guten Jagdfähigkeiten noch verbessert und ihn in einen tödlichen Ninja verwandelt, und der Hausarrest wäre elendig für alle Beteiligten.

Nun: Die deutsche Stadt Walldorf lässt sich von solcherlei nicht aufhalten.

Von Anfang April bis Ende August dürfen Katzen in Walldorf nicht mehr ohne Leine ausgeführt werden. Diese Massnahme, die derzeit für die Jahre 2023-2025 gilt, dient dem Schutz der bodenbrütenden Haubenlerche, die vom Aussterben bedroht ist. Katzenbesitzer:innen drohen BussgelderExterner Link von 500 € (470 CHF), wenn ihre Katze draussen erwischt wird. Und bis zu 50’000 €, wenn eine Lerche verletzt oder getötet wird.

Es überrascht nicht, dass viele Halter:innen in Walldorf (ganz zu schweigen von den Katzen) davon unbeeindruckt sind. «Mein Kater Tchaikovsky kommt von einem Bauernhof. Er dreht durch, wenn ich ihn nicht rauslasse», sagte ein Anwohner letztes Jahr der Bild-Zeitung. «Ausserdem ist er viel zu faul, um auf die Jagd zu gehen.»

Eine schwarze Katze auf einem Baumast
Unscheinbar, aber tödlich: Katzen werden zu einem Problem. Susan Misicka

Der freie Verkehr gilt in der EU auch für Katzen

Rund 44% der Haushalte in der EUExterner Link haben ein Haustier, in der Schweiz dürfte die Zahl ähnlich sein. Die EU ihrerseits hat erklärt,Externer Link sie sei «ein starker Verfechter des Rechts auf Freizügigkeit – auch für Katzen», und hat «kategorisch» abgelehnt, dass sie jemals Katzen zwingen würde, im Haus oder an der Leine gehalten zu werden.

Während 70% der Katzenbesitzer:innen in den USA – hauptsächlich aus Sorge vor Kojoten und dem Strassenverkehr – ihre Katzen heute drinnen halten (gegenüber 35% in den späten 1990er-Jahren), lassen in Grossbritannien etwa 70% ihre Katzen frei, ein ähnlicher Prozentsatz wie in anderen europäischen Ländern. «Der Zugang zur freien Natur wird als gut für das Wohlbefinden von Katzen angesehen, eine Position, die von [britischen] Wohltätigkeitsorganisationen wie Cats Protection und Battersea Dogs & Cats Home geteilt wird, zudem gibt es draussen nur wenige Raubtiere, die sie fürchten müssen», berichteteExterner Link der Guardian.

Der Pro Natura-Direktor Urs Leugger-Eggimann betont, dass Katzen nicht die grösste Bedrohung für die biologische Vielfalt darstellen: «Der Klimawandel, die Ausdehnung des Siedlungsgebietes oder die intensive Nutzung der Landwirtschaft sind deutlich problematischer.»

Cat Wars und Todesdrohungen

Es gab weitere zaghafte Versuche, die Katzenpopulation in der Schweiz einzudämmen.

Im Aargau forderte Thomas Baumann von der Grünen Partei eine Gleichbehandlung von Katzen und Hunden: Katzenchips und die Registrierung sollten obligatorisch sein. Er hoffte, dass die Kosten für das Chippen – etwa 100 Franken – die Zahl der Katzen, die «aus einer Laune heraus gekauft werden», verringern würde, wie die Aargauer Zeitung im März berichteteExterner Link.

«Wer einer Hauskatze überdrüssig ist, kann sie jederzeit aussetzen, ohne zur Verantwortung gezogen werden zu können», sagte Biobauer Baumann. Die Probleme im Zusammenhang mit streunenden Katzen nähmen zu: Dazu gehören Revierkämpfe der Katzen und die Forderung des Menschen nach mehr Schutz der Artenvielfalt. «Vermehrt kommt es zu Aufforderungen an die Politik, diese Problematik anzugehen.»

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Manche Politiker:innen wagen es tatsächlich, aktiv zu werden. In der Stadt Bern schlug der freisinnige Thomas Hofstetter die Einführung einer Gebühr für Freigängerkatzen vor. «Eine Gebühr wäre am effektivsten», sagte er der NZZ. «Die Hürden für die Anschaffung einer Katze würden dadurch einerseits erhöht, und andererseits könnte der gewonnene Ertrag – nach dem Verursacherprinzip – zum Schutz der Biodiversität eingesetzt werden.»

Wie die Aargauer Zeitung mit viel Understatement feststellte: «das Thema polarisiert».

2013 untersuchten Forschende, wie viele Vögel in den USA jedes Jahr von (meist verwilderten) Katzen getötet werden: bis zu vier Milliarden. Das ErgebnisExterner Link sorgte für «Ärger», wie es der National Geographic formulierteExterner Link. «In den Medienberichten wurden Katzenliebhaber gegen Vogelliebhaber, Tierschützer gegen Umweltschützer und Tierhalter gegen Wissenschaftler aufgehetzt», heisst es dort. «Einer der Forscher schrieb ein Buch mit dem Titel Cat Wars«, das die Wogen nicht gerade glättete. Und erhielt daraufhin Morddrohungen.

«Niemand will sich die Finger verbrennen»

Mittlerweile wissen alle, dass Katzen Raubtiere und für gewisse Tierarten todgefährlich sind. Aber Schweizer Politiker:innen – wohlwissend, dass fast die Hälfte der Haushalte im Land ein Haustier hat – scheinen verständlicherweise nicht als Katzenfeinde angesehen werden zu wollen.

Das HandbuchExterner Link der Stadt Bern zur Biodiversität enthält zum Beispiel einen eindeutigen Ratschlag: «Legen Sie sich keine Hauskatze zu.» Die NZZ stellt fest, dass die Berner Stadtregierung in ihrer Antwort auf die Initiative von Thomas Hofstetter eine Leinenpflicht für Katzen und ein Verbot für Freigängerkatzen als wirksame Massnahmen bezeichnete, aber keine verbindlichen Vorgaben machen will. Es sei «schwer vorstellbar», dass die Massnahmen «gesellschaftlich akzeptiert» würden, hiess es. Schliesslich seien Katzen «Gefährten des Menschen».

«Es ist faszinierend», sagt Hofstetter. «Niemand will sich an diesem Thema die Finger verbrennen. Katzen sind einfach zu beliebt.»

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Gastgeber/Gastgeberin Zeno Zoccatelli

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