Saatkartoffeln werden in der Schweiz zur Mangelware
Weniger Landwirtinnen machen Saatgut, um Kartoffeln anzupflanzen. Die Produktion ist nicht einfach. Wo die Probleme liegen und welche Lösungen es gibt.
Simon Pfister steht auf einer grossen roten Erntemaschine. Aktuell steht sie still. Jeweils im August fährt er damit über seine Felder im Seeland. Mit ihr holt er Pflanzkartoffeln aus dem Boden, das Saatgut für die Kartoffeln.
Die Pflanzkartoffeln werden bei der Ernte von Erde und Steinen befreit und landen in einem Bunker vorne am Gefährt. Dieser Bunker war in den letzten drei Jahren nicht mehr so voll wie früher.
Klimatische Veränderungen spürbar
Das Wetter der letzten drei Jahre war schlecht für die Pflanzkartoffelproduktion. «Letztes Jahr fehlte der Regen im richtigen Moment», sagt Simon Pfister. In den Jahren zuvor war es zu nass oder zu heiss und zu trocken.
So lieferte die Schweizer Landwirtschaft im letzten Jahr nur 17’000 Tonnen Pflanzkartoffeln – gut ein Drittel weniger als es für die inländische Kartoffelproduktion braucht. Nötig wären 27’000 Tonnen, heisst es bei Swisssem, dem Branchenverband der Saatgutproduzenten. 2018 wurde diese Menge noch erreicht.
Die tiefen Ernten sind nicht der einzige Grund für diese Knappheit. Pflanzkartoffeln müssen hohen Ansprüchen genügen. Die Grenzwerte für den zulässigen Viren- und Bakterienbefall sind tief.
Saatgut muss gesund sein
Auch hier spielt das Wetter eine Rolle: Sind die Böden zu nass, können sich Bakterien gut vermehren. Ist das Wetter mild, gibt es viele Blattläuse, die Viren übertragen.
Kranke Kartoffelstauden im Feld erkenne er an Verfärbungen, sagt Simon Pfister. Er reisst sie von Hand aus und trägt sie aus dem Feld. Sind es nur ein paar, gehe das gut. Ab einem gewissen Punkt seien es aber einfach zu viele.
Dann ist die Zertifizierung als Saatgut gefährdet. Zusammen mit einer Fachperson, einem Feldbesichtiger, entscheide er, wie es weitergeht. Schlimmstenfalls kann Simon Pfister seine Ernte nicht als Saatgut verkaufen.
Viele hören auf
Genau das passierte letztes Jahr mit seiner festkochenden Speisekartoffelsorte «Ballerina». Als Saatgut waren sie nicht mehr zu gebrauchen. Der Landwirt liess sie länger im Boden und konnte sie noch als Speisekartoffeln verkaufen. Zu einem tieferen Preis.
Das bedeutete auch: Er konnte keine eigenen Kartoffeln einlagern, um sie im nächsten Jahr wieder anzupflanzen. Das wäre das eigentlich Interessante an der Saatgutproduktion, sagt Simon Pfister. Er musste neues Saatgut kaufen, ein weiterer Kostenpunkt.
Rückläufige Anbaufläche bei Pflanzkartoffeln
Damit ausreichend inländisches Saatgut vorhanden ist, braucht es in der Schweiz 1540 Hektaren Anbaufläche.
Schlechte Ernten, ganze Kartoffelfelder, die bei der Kontrolle durchfallen: Deshalb steigen Landwirte und Landwirtinnen auf andere, weniger riskante Kulturen um.
Im Umkehrschluss müssen mehr Pflanzkartoffeln importiert werden. Um die 10’000 Tonnen dürften es dieses Jahr sein – ein Drittel des in der Schweiz benötigten Saatgutes.
Neue Kartoffelsorten gesucht
Simon Pfister macht trotzdem weiter. Er mache sich zwar Gedanken, aber die Kartoffel-Kultur passe sehr gut zu seinem Hof. Zudem hat er für seine Pflanzkartoffeln eine Abnahmegarantie von Saatzucht Düdingen. Auch hier ist der Produktionsrückgang ein Thema.
Kurzfristig müsse dafür gesorgt werden, dass mehr Pflanzkartoffeln durch die Kontrollen kämen, sagt Joel Grossrieder. Er leitet die Produktion bei Saatzucht Düdingen. Hier könne sogenannter Strohmulch, also gehäckseltes Stroh, helfen.
Längerfristig brauche es neue Kartoffelsorten, die den Ansprüchen der Pflanzkartoffelproduktion genügen. Um solche neuen Sorten zu finden, laufen derzeit Forschungen.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch