Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Finanzloch bei der Schweizer Armee: Mehrere Grossanlässe mit Publikum abgesagt

Kampfjet fliegt über Menschen, die an einem Berghang stehen
© Keystone / Anthony Anex

Das Vorgehen des Armee-Chefs irritiert Politikerinnen und Politiker von links bis rechts, weil sie über den Entscheid nicht vorinformiert wurden. Auch der Chef der Luftwaffe soll vor vollendete Tatsachen gestellt worden sein. Gemäss aktuellem Stand fehlen der Armee 1,2 Milliarden Franken.

Die Armee wollte sich im luzernischen Emmen, im waadtländischen Bière und auf der Axalp im Berner Oberland eigentlich von ihrer besten Seite zeigen. Doch: Die drei Grossanlässe, die für dieses und nächstes Jahr geplant gewesen waren, finden aus Spargründen nicht statt.

Armee-Chef Thomas Süssli erklärte gegenüber der Tagesschau, dass unter anderem die Betriebskosten gestiegen seien. Dass sich eine Absage der Grossanlässe abzeichne, hätte man erst vergangenen Mittwoch erkannt und anschliessend entschieden, so Süssli.

Armeechef Thomas Süssli
Armee-Chef Thomas Süssli Keystone / Anthony Anex

Dies wirft Fragen auf. So kritisieren Sicherheitspolitikerinnen und -politiker, dass sie über diesen wichtigen Entscheid nicht informiert wurden.

Priska Seiler Graf (SP), Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, sagt: «Ich bin sehr irritiert und mit mir auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Sicherheitspolitischen Kommission. Wir hatten noch am Montag eine Sitzung mit Herrn Süssli. Er hat gar nichts gesagt bezüglich der Absagen von diesen Grossanlässen.»

«Wir hatten überhaupt keine Informationen»

Von links bis rechts sorgt die Art und Weise, wie der Armee-Chef kommuniziert hat – oder eben nicht kommuniziert hat – für Unverständnis. SVP-Nationalrat Mauro Tuena bemängelt generell, dass man zu wenige Informationen über die geplanten Anlässe erhalten hätte.

Offiziell äussert sich das Verteidigungsdepartement VBS weiterhin nicht zum Finanzloch der Armee. Nachdem dieses aber von Radio SRF publik gemacht worden ist, verlautete aus dem VBS, die Finanzlücke betrage gemäss den neuesten Berechnungen 1,2 Milliarden Franken. Das sind 200 Millionen Franken mehr als bisher bekannt.

Für das laufende Jahr ist die Lücke dem Vernehmen nach mittlerweile gestopft, vor allem, weil fällige Zahlungen für Rüstungskäufe nach Verhandlungen mit Lieferanten auf später verschoben werden können. Die fehlenden 1,2 Milliarden fallen in den kommenden drei Jahren an. Armeechef Thomas Süssli dürfte heute die Sicherheitspolitikerinnen und Sicherheitspolitiker des Ständerats an deren Sitzung entsprechend informieren.

«Wir hatten überhaupt keine Informationen über diese Grossanlässe, was die kosten, auch was vielleicht Sponsoren dazu beitragen. Das ist sehr bemerkenswert, vor allem, weil wir erst gerade Kommissionssitzung hatten und man hätte doch etwas sagen können.» Es sei ja die Kommission beziehungsweise das Parlament, das dann schlussendlich die Gelder bereitstelle, so Tuena.

Auf X (ehemals Twitter) hagelte es auch Kritik. Andrea Gmür-Schönenberger (Die Mitte), Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, hatte via Social Media vom Entscheid erfahren.

«Es ist für mich ganz klar ein Hilferuf der Armee. Die Armee hat zu wenig Mittel zur Verfügung. Daher muss sie irgendwo anfangen, zu sparen. Ich bedaure ausserordentlich, dass dann gerade eben solche Anlässe gestrichen werden sollen», sagt Gmür-Schönenberger.

drei militärische Flugzeuge fliegen in Formation vor einem Berg
Eine Pilatus PC-7, PC-21 und eine F/A-18 Hornet der Schweizer Luftwaffe während der Flugshow auf der Axalp im Oktober 2022. Anthony Anex

Auch Chef der Luftwaffe nicht vorab informiert

Ein weiterer Clou in der Geschichte: Die Tagesschau weiss von mehreren unabhängigen Quellen, dass auch der Chef der Luftwaffe, Peter Merz, praktisch erst zeitgleich mit der Medienmitteilung von der Absage der geplanten Grossanlässe erfahren hatte.

Der Chef der Armee, Thomas Süssli, wollte gegenüber SRF vor der Kamera zur geäusserten Kritik keine Stellung nehmen. Er lässt aber schriftlich ausrichten: «Die Armeeführung hat dies am Mittwoch erkannt und so entschieden. Die Projektleiter wurden vor der Publikation der Medienmitteilung informiert.»

Es bleiben offene Fragen, doch eines ist klar: Der kurzfristige Entscheid der Absagen wurde von der Armeeführung selbst getroffen. Armee-Chef Süssli wird nun wohl in der nächsten Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission Red und Antwort stehen müssen.

Externer Inhalt


Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft