Thailand stopft Steuerschlupfloch: Das ändert sich für Auslandschweizer:innen
Neu müssen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Thailand Steuern auf ihren AHV-Renten bezahlen. Dies ergaben die Klärungen hervor, welche die dortigen Behörden zum neuen Steuergesetz nachlieferten. Dieses ist seit Anfang Jahr in Kraft.
«Hat die Reform Auswirkungen auf die Zahlungen aus der zweiten oder dritten Säule?», «Wurde das Doppelbesteuerungsabkommen geändert?», «Muss man eine Steuererklärung abgeben, wenn man nachweisen kann, dass man von seinen Ersparnissen lebt?»
Dies sind einige der Fragen von beunruhigten und tief verunsicherten Auslandschweizer:innen, die uns nach unserem ersten Artikel über die Steuerreform, die auf den 1. Januar 2024 in Thailand in Kraft getreten ist, erreicht haben.
Viele von ihnen suchten nach Hilfe, um zu versuchen, ob und welche Folgen das neue Gesetz für sie hat. Ende 2023 waren im asiatischen Land rund 10’400 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer gemeldet.
Zur Erinnerung: Die von der thailändischen Regierung ausgearbeitete Steuerreform sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2024 ausländische Personen mit Wohnsitz in Thailand, d. h. Personen, die sich mindestens 180 Tage pro Jahr in Thailand aufhalten, künftig Steuern auf ausländische Einkünfte zahlen müssen, die ins Land transferiert werden.
Ein Bespiel: Ein Schweizer Rentner, ledig und ohne unterhaltsberechtigte Kinder, erhält die maximale AHV-Altersrente von 2450 Schweizer Franken pro Monat. Weitere Beiträge aus der zweiten oder dritten Säule erhält er nicht. Damit müsste er in Thailand knapp 3000 Schweizer Franken Einkommenssteuer pro Jahr zahlen.
Die neue Regelung gilt jedoch nur für Einkommen, die ab dem 1. Januar 2024 erzielt wurden. Das heisst: Wenn Einkommen nachweislich vor diesem Datum erzielt wurden, müssen sie nicht versteuert werden. Auch dann nicht, wenn sie nach dem 31. Dezember 2023 nach Thailand überwiesen wurden.
Thailand plant auch, bestimmte Kategorien von ausländischen Rentnern und Rentnerinnen von der Steuer zu befreien. Insbesondere jene, die über ein «Longterm visa» verfügen, das zehn Jahre gültig ist.
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Eine Steuerreform, die Schweizer:innen in Thailand nervös macht
Bedingung für ein Langzeitvisum ist der Bezug einer Rente von mindestens 80’000 US-Dollar pro Jahr. Für jene, die in Thailand 250’000 US-Dollar investieren, z. B. in Immobilien, reicht auch ein Rentenbezug von 40’000 Dollar.
Was genau ist mit Einkommen gemeint?
Martin Liebenow, Deutscher Steuerberater und Tax Director bei Mazars in Thailand, ist der Ansicht, dass das Land lediglich eine «leichte Interpretation» des so genannten Welteinkommensprinzips (World Income Principle) anwendet.
Dieses legt fest, dass Personen, die in einem Staat steuerpflichtig sind (meist aufgrund ihres Wohnsitzes), mit ihrem Welteinkommen steuerpflichtig sind. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie das Einkommen erzielt haben.
Seit der Ankündigung der Reform bestand jedoch Unklarheit darüber, was die thailändischen Steuerbehörden als Einkommen betrachten. Abschnitt 40Externer Link der neuen Steuerbestimmungen schafft nun Klarheit.
«Thailand hat beschlossen, nur Gelder zu besteuern, die in sein Hoheitsgebiet transferiert werden. Einkommen, die auf Konten im Ausland verbleiben, werden daher in Thailand nicht besteuert», erklärt Martin Liebenow.
Unter Transfer verstehen die Behörden jede Banküberweisung aus einem anderen Land an eine thailändische Bank, Zahlungen mit ausländischen Kreditkarten, die Rückführung von Bargeld sowie die Nutzung von Online-Zahlungsanbietern wie Stripe oder PayPal.
Um Verwirrung zu vermeiden, empfiehlt Steuerexperte Martin Liebenow, das Führen von zwei getrennter Bankkonten: eines, auf dem das Kapital (d. h. frühere Ersparnisse, die vor dem 31.12.2023 erworben wurden) angelegt wird, und ein zweites, auf das jenes Einkommen eingezahlt wird, das ab dem 01.01.2024 verdient wurde.
Was ist mit der AHV?
Aufgrund der Steuerbefreiung und der relativ niedrigen Lebenshaltungskosten haben sich viele Schweizer und Schweizerinnen dazu entschieden, ihren Ruhestand in Thailand zu verbringen. Daher war ihr Aufschrei gross, als die Steuerreform angekündigt wurde.
Nun ist klar, dass Renten als Einkommen gelten und besteuert werden. Dies jedoch mit Nuancen, kommt es doch auch auf die Säule an.
Einkünfte aus einer Beschäftigung (einschliesslich Renten);
Geld, Gut oder jeder Vorteil, die aus der Ausübung eines Amtes oder der Ausführung einer Arbeit bezogen werden;
Lizenzgebühren für Geschäftsvermögen, Urheberrechte oder andere Rechte (Testament, Rechtsakte, Gerichtsurteile…);
Einkünfte aus Zinsen, Dividenden und Gewinnen aus Verkäufen;
Einkünfte aus der Vermietung von Immobilien;
Einkünfte aus freien Berufen;
Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen;
Einkünfte aus Gewerbe, Handel, Landwirtschaft, Industrie, Transport oder jeder anderen Tätigkeit, die nicht unter (1) bis (7) aufgeführt ist.
Die Schweiz hat mit Thailand ein AbkommenExterner Link zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) abgeschlossen. Dieses Abkommen gilt jedoch nur für die berufliche Vorsorge, sprich die zweite Säule.
Artikel 17 sieht vor, dass das Besteuerungsrecht für privatrechtliches Einkommen aus der zweiten Säule an Thailand fällt. Das bedeutet, dass Guthaben aus der zweiten Säule nur in Thailand besteuert werden und in der Schweiz keine Quellensteuer anfällt.
Artikel 18 hingegen deckt Einkünfte aus der schweizerischen zweiten Säule nach öffentlichem Recht (d. h. von Personen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind) ab und sieht die ausschliessliche Besteuerung in der Schweiz vor. Nur wenn die steuerpflichtige Person auch die thailändische Staatsangehörigkeit besitzt, wird sie in Thailand besteuert.
Das Doppelbesteuerungs-Abkommen gilt weder für AHV-Renten (erste Säule) noch für Leistungen aus der individuellen Vorsorge (dritte Säule). Das bedeutet, dass «jeder Staat nach seinem innerstaatlichen Recht besteuern kann», heisst es beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SFI).
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Das Schweizer Recht sieht laut dieser Behörde keine Quellensteuer auf AHV-Renten vor, die an nicht in der Schweiz ansässige Personen gezahlt werden. Hingegen ist es möglich, in der Schweiz (an der Quelle) und in Thailand auf Guthaben der dritten Säule besteuert zu werden.
Im Falle einer Besteuerung in beiden Ländern «sollten Sie sich von der Schweizer Stelle, die den Abzug vornimmt, eine englische Steuerbescheinigung (withhold certificate) ausstellen lassen, die belegt, wie viel Steuern Sie gezahlt haben», rät Martin Liebenow. Damit lasse sich der Betrag von den Steuern in Thailand abziehenExterner Link.
«Das Einzige, was sich geändert hat, ist die Tatsache, dass Thailand in der Vergangenheit ein Besteuerungsrecht, das ihm gemäss DBA zusteht, nicht ausgeübt hat, was zu jahrelanger doppelter Nichtbesteuerung geführt hat», so die SFI-Behörde.
Nicht mit dem Feuer spielen
Laut den Informationen, die Martin Liebenow seitens der thailändischen Steuerbehörde vorliegen, sollten die Formulare für die Steuererklärung im Dezember 2024 verfügbar sein.
Die Frist für die Erstellung der Steuererklärung wurde auf den 31. März 2025 festgesetzt. «Es wird keine Fristverlängerung möglich sein. Und jede Verzögerung wird mit Strafen belegt», warnt der Steuerberater.
Um ihre Steuererklärung auszufüllen, benötigen Schweizer:innen in Thailand eine internationale Steuernummer (ITIN). Diese müssen sie bei der örtlichen Steuerbehörde beantragen. Wer kein Einkommen zu deklarieren hat, weil er oder sie beispielsweise von Ersparnissen lebt, ist nicht verpflichtet, eine solche Nummer zu erwerben.
Martin Liebenow fordert alle Betroffenen auf, nicht zu versuchen, unter dem Radar zu fliegen: «Sich nicht bei den Behörden zu melden, wäre eine vorsätzliche Steuerhinterziehung, und das ist eine Straftat.»
Warum wurde die Reform letztendlich durchgeführt?
Thailand möchte Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden. Die OECD drängt Thailand, seine Besteuerungsmethode zu regulieren, damit es nicht «wie ein Steuerparadies wie die Kaimaninseln oder Bermuda aussieht», sagt Liebenow.
Ausserdem seien Thailand durch die Aufrechterhaltung eines «löchrigen» Systems, mit dem die Zahlung von Einkommenssteuern leicht umgangen werden kann, grosse Gewinn entgangen.
Doch nun will das Land die Steuerschlupflöcher stopfen. Die Regierung in Bangkok hat jedoch keine Angaben, wie viel Geld sie durch die neue Steuer einzunehmen hofft.
Wo finde ich Informationen?
Liebenow rät allen Betroffenen dringend, eine:n Treuhänder:in in der Schweiz und in Thailand zu konsultieren, um ihre persönliche Situation zu klären, da jeder Fall einzigartig ist.
Um eine Vorstellung von der Höhe des zu zahlenden Betrags zu bekommen, empfiehlt der Berater die Verwendung eines BerechnungstoolsExterner Link, das von einer Vermögensverwaltungsfirma zur Verfügung gestellt wird.
Informationen sind auch auf der Website der Schweizer Gesellschaft in BangkokExterner Link in Deutsch und Französisch verfügbar. Und die Schweizer Botschaft in Bangkok organisierte eine Frage- und AntwortrundeExterner Link mit mehreren Vertretern der thailändischen Steuerbehörde.
Editiert von Samuel Jaberg; Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi
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