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«Trotz grosser Hindernisse schaffen wir Raum für internationale Gerechtigkeit»

Alain Werner ist ein unermüdlicher Verteidiger der Opfer von Kriegsverbrechen und jagt die Täter auf der ganzen Welt. Trotz politischer Hindernisse und der Fragilität der internationalen Justiz bleibt der Genfer Anwalt für internationales Strafrecht seiner Mission treu: Er gibt jenen eine Stimme, die durch die Schrecken der Geschichte zum Schweigen gebracht wurden, wie er im Gespräch mit dem Westschweizer Fernsehen RTS erklärt.

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Er jagt Kriegsverbrecher in aller Welt, weil er von der Bedeutung internationaler Gerechtigkeit überzeugt ist. Auch wenn diese heute oft mit Füssen getreten wird, verteidigt sie der auf Völkerstrafrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit spezialisierte Anwalt Alain Werner mit Zähnen und Klauen.

Der Schweizer erinnert sich an einen Mann, der seinen Bruder während des Regimes der Roten Khmer in einem Gefängnis in Phnom Penh verloren hatte.

«Ihn plagten 30 Jahre lang Alpträume», erzählt Werner. Doch als er die Verurteilung des ehemaligen Lagerleiters Kaing Guek Eav alias Douch miterlebte, «hat sich sein Leben verändert».

«All diese Erfahrungen inspirieren uns und geben uns Kraft. Der Mut dieser Menschen und ihre Widerstandskraft nähren und motivieren uns, für sie zu sprechen», sagt der Experte für internationales Strafrecht.

Und das, obwohl die Verurteilungen oft Jahrzehnte nach der Tat erfolgen und die Opfer oft nicht mehr die direkt Betroffenen sind, sondern deren Väter, Mütter, Brüder oder Schwestern.

Trump-Wahl: Imageschaden für die Justiz

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten am 6. November hat ihn ein wenig enttäuscht, da er darin einen Imageschaden für die Justiz sieht.

«Für einen Anwalt, der an die Gerechtigkeit glaubt, wirft die Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten zivil- und strafrechtlich verurteilt ist, kein gutes Licht auf die Justiz», so der Genfer.

Werner war nicht nur am Prozess gegen den Roten Khmer Douch in Kambodscha beteiligt, sondern vertrat auch Opfer in einigen der prominentesten Kriegsverbrecherprozesse der letzten Jahre, darunter jene gegen die ehemaligen Staatschefs Charles Taylor in Liberia und Hissène Habré im Tschad.

Im Jahr 2012 gründete er die NGO «Civitas Maxima»Externer Link. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu dokumentieren und den Opfern Rechtsbeistand zu leisten, um sie in ihrem Streben nach Gerechtigkeit zu unterstützen.

Die Grenzen des Internationalen Strafgerichtshofs

Bei seinem Engagement stösst er allerdings oft an die Grenzen des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), einer Institution, die weltweit nur von 125 Staaten anerkannt wird. «Das ist das Paradoxe», betont der Genfer.

«Weder China noch Russland, Indien oder die USA haben das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert. Der grösste Teil der Welt entzieht sich somit seiner Rechtsprechung.»

Die USA, speziell unter republikanischen Regierungen, haben sich nie an die Regeln der internationalen Justiz gehalten.

Werner erinnert daran, dass der ehemaligen IStGH-Anklägerin Fatou Bensouda 2019 sogar die Einreise in die USA verweigert wurde, als sie eine Untersuchung über Übergriffe von US-Soldaten in Afghanistan durchführte.

Ähnliches könnte sich im Übrigen mit dem derzeitigen IStGH-Ankläger Karim Khan wiederholen, der im Mai dieses Jahres internationale Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und mehrere Hamas-Führer erlassen hatte.

Die USA lehnen eine mögliche Anklage gegen den israelischen Premierminister ab. Präsident Joe Biden ist der Meinung, dass es keine Rechtsgleichheit zwischen Israel und der Hamas geben kann.

Symbolischer Wert

Trotz dieser Widerstände glaubt Alain Werner weiterhin an den symbolischen Wert der internationalen Justiz, auch wenn er einräumt, dass der Weg dorthin steinig ist.

«Der IStGH ist ein komplexes Gebilde mit vielen Leitplanken. Haftbefehle sind starke Symbole, aber ihre Umsetzung hängt von der Kooperation der Staaten ab.»

Der Anwalt erinnert zum Beispiel daran, dass Wladimir Putin, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliegt, kürzlich die Mongolei besucht hat, ein Land, das den IStGH anerkennt.

«Diese Hindernisse gab es von Anfang an. Die Geschichte der internationalen Justiz ist eine Aneinanderreihung von Hindernissen. Aber man muss auch das Positive sehen: Trotzdem schaffen wir Raum für Gerechtigkeit», sagt er.

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