Umfrage: Die Schweiz blickt skeptischer in die Zukunft
Die Menschen in der Schweiz blicken pessimistischer in die Zukunft als noch vor einem Jahr. Das zeigt die grosse Meinungsumfrage "Wie geht‘s, Schweiz?", die die SRG zum zweiten Mal durchgeführt hat. Mit ihrem aktuellen Leben sind die Befragten hingegen mehrheitlich zufrieden.
«Die Zeit, in der wir unbesorgt leben können, ist vorbei. Mit der Welt geht es aktuell nur noch bergab.» 71 Prozent der Schweizer:innen stimmen dieser Aussage zu. Und nur 26 Prozent finden, dass Kinder in der Schweiz heute so sorgenfrei aufwachsen wie keine andere Generation vor ihnen. Das sind 7 Prozent weniger als im letzten Jahr.
Was die Zukunft betrifft, sind die Erwartungen der Schweizer Bevölkerung innerhalb eines Jahres pessimistischer geworden. Das zeigt die grosse Meinungsumfrage «Wie geht‘s, Schweiz?», die vom Institut GFS Bern im Auftrag der SRG zum zweiten Mal durchgeführt wurde. 51‘000 Personen haben daran teilgenommen und rund 300 Fragen zu allen Aspekten des Lebens beantwortet (vgl. Box).
Zufriedenheit im Moment
Es ist der Kontrast zwischen dem Jetzt und dem Morgen, der in den Umfrageergebnissen auffällt. Was das heutige Leben in der Schweiz betrifft, fällt das Urteil mehrheitlich positiv aus: 59 Prozent der Befragten sagen, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sind (Noten 8 bis 10 auf einer Skala von 1 bis 10). Obwohl im Vergleich zum Vorjahr die Lebenskosten gestiegen sind, sagen immer noch zwei Drittel der Befragten, dass sie ihre finanzielle Situation nur ein bisschen oder überhaupt nicht als belastend empfinden.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister hat sich kürzlich gegenüber der NZZ besorgt gezeigt über die hohe Zuwanderung und davor gewarnt, diese stelle das «Heimatgefühl» vieler Menschen in Frage.
Gemäss der Meinungsumfrage «Wie geht’s, Schweiz?» hat die Verbundenheit mit dem eigenen Land sogar noch zugenommen. 68 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass ihre Werte mehrheitlich mit denen der übrigen Schweiz übereinstimmen. Das sind 5 Prozent mehr als 2023. Auch der Anteil jener, die sich mit der Schweiz oder dem eigenen Kanton identifizieren, hat zugenommen, während weniger Befragte als im letzten Jahr sagten, sie identifizierten sich mit Europa oder der Welt.
Die Tatsache, dass in der Schweiz viele Menschen leben, die zugewandert sind, sieht eine knappe Mehrheit der Befragten nicht als Gefahr für die Schweizer Identität. Auf die Frage, was für diese Schweizer Identität entscheidend sei, antworten über 95 Prozent: Institutionen und Gesetze respektieren und eine Landessprache sprechen. Nur für 48 Prozent ist entscheidend, ob jemand in der Schweiz geboren wurde.
«Für eine deutliche Mehrheit in der Schweiz sind finanzielle Sorgen ein Problem vom Hörensagen», sagt Urs Bieri von GFS Bern. Immerhin 35 Prozent empfinden ihre finanzielle Situation aber als eher oder sehr stark belastend. Und ihr Anteil hat leicht zugenommen.
Wie unterscheiden sich die Antworten der Schweizer:innen im Ausland von jenen der Schweizer Bevölkerung? Lesen Sie dazu den folgenden Artikel:
Mehr
Schweizer:innen im Ausland: Pensionierte schwärmen, aber die Arbeitstätigen strampeln
Ihre Zufriedenheit schöpfen die Befragten hauptsächlich aus dem Privatleben. Mit ihrem Arbeitsleben sind sie noch etwas unzufriedener als im Vorjahr. Es sind vor allem der Stress und das Tempo, das am Arbeitsplatz zu Sorgen Anlass gibt. 83 Prozent finden, immer mehr Menschen seien davon überfordert, 11 Prozent mehr als im Vorjahr. 58 Prozent der Berufstätigen sagen, es würde ihnen besser gehen, wenn sie weniger arbeiten würden.
Ängste vor Verlust des Wohlstands
Während also im Jetzt ein insgesamt positives Grundgefühl herrscht, überwiegt im Blick auf Morgen die Skepsis. Nur 14 Prozent glauben daran, dass es ihnen in den nächsten Jahren wirtschaftlich besser gehen wird. 37 Prozent rechnen sogar mit dem Gegenteil. Die steigenden Krankenkassen-Prämien sind die Hauptsorge der Befragten. Aber auch das Thema Kriege beschäftigt stärker als im letzten Jahr, ebenso wie Sicherheit und Terrorismus.
«Das sind Verlustängste, die sich hier manifestieren», sagt Urs Bieri von GFS Bern. «Wir befinden uns auf einem sehr hohen Niveau, und man befürchtet, dass das nicht auf Ewigkeit so weiter geht.»
Beantworten Sie die folgenden Fragen aus der SRG-Umfrage und vergleichen Sie Ihre Ansichten mit Menschen in der Schweiz sowie Schweizer:innen im Ausland:
Anders als die Verluste der Grünen bei den Wahlen im letzten Herbst vermuten liessen, ist der Klimawandel für zwei Drittel der Befragten noch immer ein ernstes Problem, bei dem unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Auf die umstrittene Frage, was die Schweiz gegen den Klimawandel tun soll, lautet für 72 der Befragten die Antwort: Die Emissionen im Inland reduzieren und nicht Projekte zur Emissionsreduktion im Ausland unterstützen.
Was denken Sie? Sind wir zu pessimistisch, was die Zukunft betrifft? Diskutieren Sie mit auf der SRG-Debattenplattform «dialog»!
Die Resultate von «Wie geht’s, Schweiz?» basieren auf einer repräsentativen Befragung von 51’182 Einwohner:innen der Schweiz und Schweizer:innen im Ausland. Sie wurde vom Forschungsinstitut GFS Bern im Mai und Juni 2024 im Auftrag der SRG durchgeführt. Es ist das zweite Mal, dass diese Umfrage stattfand. Gegenüber der Version im Vorjahr sind einige Fragen neu oder anders gestellt worden, die meisten aber identisch.
3000 der Befragten wurden aus einem Online-Panel von GFS Bern ausgewählt und zwar so, dass ein repräsentatives Abbild der Schweizer Bevölkerung entstand (16 Jahre und älter). Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregion geschichtet und entlang von Alter und Geschlecht quotiert.
Die übrigen Befragten füllten den Fragebogen online aus. Sie wurden über die Kanäle der SRG dazu aufgerufen, entschieden aber selbst, ob sie mitmachen wollten oder nicht. Diese Befragungsmethode ist nicht repräsentativ. Die Repräsentativität entsteht hier mittels spezifischer Verfahren der Datengewichtung und Datenvalidierung.
Der Fragebogen umfasste rund 300 Fragen. Damit ein Interview nicht länger als ca. 20 Minuten dauerte, stellte GFS Bern nicht allen Befragten die gleichen Fragen. Der Stichprobenfehler liegt bei +/- 1,8 Prozent bei 50 zu 50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch