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«Viele Schweizerinnen und Schweizer zieht es in gefährliche Regionen»

Eine Frau
Marianne Jenni in den Räumlichkeiten der Konsularischen Direktion in Bern. EDA / Danielle Liniger

Seit Januar ist Marianne Jenni Direktorin der Konsularischen Direktion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sparmassnahmen des Bundes, Digitalisierung der konsularischen Dienstleistungen, Vorbereitung von Auswanderungswilligen: Nach 100 Tagen im Amt zieht sie eine erste Bilanz.

Die Konsularische Direktion ist eine Dienststelle des EDA, die für das konsularische Netz der Schweiz zuständig ist. Ihr reibungsloses Funktionieren ist für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer von zentraler Bedeutung, da ihre Entscheide direkte Auswirkungen auf die Diaspora haben.

An ihrer Spitze steht neu Marianne Jenni, die zuletzt als Botschafterin in Quito (Ecuador) tätig war. Die Bernerin ist seit über 30 Jahren im konsularischen Dienst tätig und kennt die Herausforderungen des Lebens im Ausland bestens.

SWI swissinfo.ch: Sie sind seit 100 Tagen an der Spitze der Konsularischen Direktion. Was ziehen Sie für eine erste Bilanz?

Marianne Jenni: Eine sehr positive. Die Konsularische Direktion funktioniert sehr gut, dank qualifizierten Mitarbeitenden, die hervorragende Arbeit leisten. Ihre unermüdliche Motivation und die vielen laufenden Projekte haben mich beeindruckt.

Ich habe meinen Amtsantritt auch genutzt, um Kontakte zu unseren verschiedenen Partnern zu knüpfen, wie zum Beispiel zur Auslandschweizer-Organisation (ASO) oder zur Parlamentarischen Gruppe «Auslandschweizer».

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Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen?

Die Digitalisierung der konsularischen Dienstleistungen ist wohl die grösste Herausforderung. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer ziehen ins Ausland, vor allem ältere Menschen.

Und in einer Zeit, in welcher der Bund Sparmassnahmen ergreift, wird das konsularische Personal nicht aufgestockt. Wir müssen also Lösungen finden, um mehr Menschen einen gleichwertigen Service bieten zu können.

Auch die Vorbereitung ist eine grosse Herausforderung. Viele Schweizerinnen und Schweizer zieht es in gefährliche Regionen, um dort zu leben oder zu reisen. Eine gute Vorbereitung ist auch für Rentnerinnen und Rentner wichtig, damit sie nicht unterschätzen, was bei einem Umzug ins Ausland auf dem Spiel steht.

Unsere Aufgabe ist es, ihnen nützliche Instrumente und Informationen mitzugeben, damit sie so gut wie möglich vorbereitet sind. Dies tun wir zum Beispiel mit Kampagnen wie «Ruhestand im Ausland»Externer Link oder mit WebinarenExterner Link, die wir zusammen mit der ASO organisieren.

Im November 2025 wird das AuslandschweizergesetzExterner Link zehn Jahre alt. Wir nehmen dies zum Anlass, um auf die Bedeutung der Vorbereitung hinzuweisen und das Prinzip der Eigenverantwortung in Erinnerung zu rufen.

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Gibt es bereits konkrete Ansätze zur Digitalisierung konsularischer Dienstleistungen?

Wir arbeiten an einer digitalen Plattform für konsularische Dienstleistungen, speziell für behördliche Beurkundungen wie Eheschliessungen oder Geburten. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit anderen Bundesämtern.

Wir prüfen auch, wie die rund um die Uhr erreichbare Helpline des EDAExterner Link durch künstliche Intelligenz unterstützt werden kann.

Befürchten Sie nicht, einen Teil Ihrer Kundschaft auszuschliessen, da die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer immer älter werden und allenfalls Mühe haben, mit der Digitalisierung Schritt zu halten?

Diese Gefahr besteht tatsächlich. Wir versuchen, das so weit wie möglich zu vermeiden, indem wir vorausschauend handeln. Zudem sind unsere Mitarbeitenden in den Vertretungen und ist unsere Helpline immer für unsere Landsleute da.

Die jüngeren Generationen verlangen ihrerseits nach dieser Digitalisierung, die ihnen das Leben in vielerlei Hinsicht erleichtern wird.

Welches sind Ihre unmittelbaren Prioritäten als neue Vorsteherin der Konsularischen Direktion?

In nächster Zeit werde ich an den Kongressen der Schweizervereine in Frankreich, Deutschland und Italien teilnehmen, denn ich halte es für wichtig, mit den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in Kontakt zu treten, besonders in jenen Ländern, in denen sie am zahlreichsten vertreten sind.

Es ist auch wichtig, ihre Anliegen und Bedürfnisse zu hören. Ich denke zum Beispiel an den Wunsch, die Zahl der mobilen Passbüros zu erhöhen. Wir haben ein dichtes Netz, aber die Schweiz kann nicht überall sein. Deshalb ist diese Dienstleistung sehr wichtig, dessen bin ich mir bewusst.

Schliesslich hoffe ich, weitere Abkommen mit Staaten abschliessen zu können, die Vertretungen in Ländern haben, in denen wir nicht vertreten sind, wie zum Beispiel unsere Partnerschaft mit Österreich.

Bei Problemen können sich die Schweizerinnen und Schweizer dann an diese Vertretung wenden. Auf diese Weise können wir näher bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern sein und unser Netzwerk ausbauen, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen.

Inwiefern ist das konsularische Netz von den Sparmassnahmen des Bundes betroffen?

Es ist nicht geplant, Botschaften oder Konsulate zu schliessen. Wie bereits erwähnt, wollen wir unser Netz durch Partnerschaften mit anderen Ländern ausbauen.

Die Bernerin trat 1991 als Konsularangestellte ins EDA ein. Sie arbeitete in Paris, Lagos, Rom, London, Bagdad, Kinshasa und Kapstadt, bevor sie 2013 nach Bern zurückkehrte, wo sie für das lokale und Honorarpersonal im Ausland sowie für die Immobilien des EDA zuständig war. Von 2021 bis 2024 war sie Missionschefin in Quito, Ecuador.

Das Krisenmanagement gehört zu den Kernaufgaben der Konsularischen Direktion. Bei ausserordentlichen Ereignissen fühlen sich die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer oft im Stich gelassen. Wie gehen Sie damit um?

Wenn man im Ausland lebt oder sich dort aufhält und eine Krise eintritt, sollte man in erster Linie den Ratschlägen der Behörden des betreffenden Landes folgen.

In Krisensituationen informieren das EDA und die Vertretungen die Schweizer Bürgerinnen und Bürger und helfen ihnen im Rahmen des konsularischen Schutzes so weit wie möglich. Nicht überall auf der Welt können wir jedoch sofort eingreifen.

In gewissen Fällen und unter bestimmten Bedingungen arbeiten wir mit anderen Staaten oder Dritten wie Fluggesellschaften zusammen, um Schweizerinnen und Schweizer bei der Ausreise aus einem Krisengebiet zu unterstützen.

Bei andauernden Krisen kann das EDA die Ausreise empfehlen. Diese erfolgt aber auf eigenes Risiko und eigene Kosten.

Wir versuchen auch, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger so gut wie möglich zu informieren, wenn wir spüren, dass sich eine Krise anbahnt, und sie zum Handeln zu ermutigen. Unsere ReisehinweiseExterner Link sind dabei ein wichtiges Instrument.

Es darf nicht vergessen werden, dass das Auslandschweizergesetz die Eigenverantwortung zum Grundprinzip der Beziehungen zwischen dem Bund und den Individuen erhebt, denen er Rechte garantiert oder Hilfe anbietet.

Darüber hinaus leisten die Konsularische Direktion und die Vertretungen hinter den Kulissen wichtige Arbeit, um Schweizerinnen und Schweizern zu helfen, über die nicht immer öffentlich gesprochen werden kann.

In der Schweiz selbst haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nicht immer eine gute Presse. In den letzten Monaten wurde ihnen oft vorgeworfen, sie würden vom System profitieren, ohne sich daran zu beteiligen. Was halten Sie davon?

Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Ich persönlich habe bei all meinen Reisen ins Ausland festgestellt, wie wichtig die Auslandschweizer für das Image der Schweiz in der Welt sind.

Nicht umsonst werden sie als «Botschafter der Schweiz» bezeichnet. Sie können stolz sein auf die Unterstützung, die sie ihrem Heimatland zukommen lassen.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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