Warum wecken Windräder so viele Emotionen?
Sie töten Vögel und verschandeln die Landschaft – das sind gängige Argumente gegen die Windräder. Momentan gibt es in der Schweiz 47 Windräder, mit dem neuen Energiegesetz könnten es 200 bis 300 werden.
Auf dem Chasseral im Jura treffen wir Hotelbesitzer und Windenergiegegner Elias Vogt. Mit seinem Verein «Freie Landschaft Schweiz» bekämpft er das neue Stromversorgungsgesetz. Vor allem wegen des Ausbaus der Windenergie.
«In der Schweiz sind 250 Meter grosse Windenergieanlagen geplant. Das ist riesig, das kann man sich fast nicht vorstellen», erklärt er. Vogt kritisiert zudem, dass mit dem neuen Gesetz Windanlagen auch in bewaldeten Gebieten möglich wären. «Das wäre schlecht für unsere Natur und auch schlecht für die Wälder», so Vogt.
Mit dem Stromversorgungsgesetz sollen Windanlagen in klar definierten Bereichen einfacher gebaut werden können. Das soll unter gewissen Bedingungen auch im Wald möglich sein. Dabei gilt: Gerodete Bäume müssen ersetzt werden.
In der Schweiz stehen insgesamt 47 grössere Windräder. Mit dem neuen Gesetz soll es laut Energieminister Albert Rösti bis 2035 etwa 200 Windräder geben. Elias Vogt rechnet mit 750 bis 1000 Windrädern. Zum Vergleich: In Österreich stehen über 1400 Windräder.
Die Energieunternehmen würden gerne mehr Windräder bauen. Alpiq betreibt erst einen Windpark, ganz in der Nähe des Chasserals: Le Peuchapatte. Projektleiter Raynald Golay hofft auf das neue Gesetz: «Die Windenergie liefert uns Energie, die wir im Winter dringend benötigen. Wir hoffen, dass die Verfahren ein bisschen kürzer werden und wir die Energiewende vorantreiben können.»
Golay erklärt, dass vor einem Bau einer Windturbine zahlreiche Studien durchgeführt werden, zur Umweltverträglichkeit, aber auch zu den Vögeln und Fledermäusen in der Gegend.
Spricht man mit den Menschen in Dörfern, wo ein Windpark geplant ist, kommen oft emotionale Argumente. In Sonvilier im Berner Jura beispielsweise tönt es so: «Das entfremdet die Landschaft, wir mögen lieber Bäume als Windräder», oder so: «Ich bin schon für neue Energie, aber mehr für Solar als für Wind.» Und auch Befürworterinnen der Windenergie möchten die Windräder nicht zu nahe bei den Häusern.
Mehr
Newsletter
Ehemalige Energiedirektorin ist für die Windräder
Wir treffen eine langjährige Befürworterin der Windenergie in Montreux. Jacqueline de Quattro war bis vor fünf Jahren Energiedirektorin des Kantons Waadt. Da hat sie erfahren, wie emotional das Thema ist.
Sie habe viel Skurriles gehört: «Die Hamster sterben in ihren Rädern, die Milch wird schlecht, die Leute werden wahnsinnig wegen dieser Schatten.» Wenn Migrationsvögel in gewissen Gebieten durchfliegen würden, müsse man Rücksicht nehmen und die Anlagen für eine gewisse Zeit abstellen, erklärt sie.
Aber man könne nicht sagen, dass ein Windrad Vögel ausrotten würde. «Entschuldigung, aber da ist eine Hauskatze schon viel gefährlicher für die Vögel», so de Quattro. Auf Flugblättern wurde während ihrer Zeit als Energiedirektorin Stimmung gemacht gegen die Windräder und auch gegen sie selbst.
Heute setzt sich die FDP-Nationalrätin für das Stromversorgungsgesetz ein. Es brauche Sicherheit für die Schweiz; Versorgungssicherheit, aber auch Investitionssicherheit. «Es ist wichtig, dass man weiss, in welchen Gebieten man Windanlagen bauen kann und in welchen nicht», erklärt sie. In Gebieten, wo nicht gebaut werden soll, werde die Natur besser geschützt als jetzt.
«Die Schweiz ist kein Windland»
Zurück auf dem Chasseral. Auch Windenergiegegner Elias Vogt hat eine Erklärung für die Emotionalität des Themas: «Die Schweiz ist kein Windland.» Es habe in der ganzen Geschichte im Mittelalter nur eine Windmühle gegeben. «Diese Technologie gehört nicht in die Schweiz», so Vogt weiter.
Windräder sind eine relativ neue Technologie. Das könnte auch ein Grund sein, weshalb sie solche Emotionen wecken. Zudem sind sie wegen ihrer Grösse von Weitem sichtbar. Aktuell macht die Windenergie nur 0.3 Prozent der Schweizer Stromproduktion aus – trotzdem ist das Thema hochemotional.
Mehr
Wie geht’s, Schweiz? Machen Sie mit bei unserer grossen Umfrage
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch