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Wegen Rustici: Bern und Bellinzona auf Konfrontationskurs

Die Steine des Anstosses: Die Vermietung der Rustici an Feriengäste führt zu Irritationen zwischen Bern und Bellinzona.
Die Steine des Anstosses: Die Vermietung der Rustici an Feriengäste führt zu Irritationen zwischen Bern und Bellinzona. Keystone/Karl Mathis (Symbolbild)

Im Tessin können Rustico-Besitzer ihre umgebauten Ställe ausserhalb der Bauzonen an Feriengäste vermieten und brauchen dafür für eine Dauer von weniger als 90 Tagen keine Baubewilligung. Diese kantonale Regelung ist aus Sicht des Bundesamtes für Raumplanung sehr problematisch.

Werden Rustici ausserhalb der Bauzone an Feriengäste vermietet, braucht es per Landschaftsschutzgesetz dafür eine Baubewilligung. Denn durch die Touristen entsteht eine sogenannte Nutzungsintensivierung. Einfach gesagt kommt es beispielsweise zu mehr Verkehr.

Dass die Tessiner Behörde den Rustici-Besitzern jetzt erlauben, ihre Häuschen für eine Zeitdauer von maximal 90 Tage ohne eine solche Bewilligung zu vermieten, hält Thomas Kappeler, Leiter Recht beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), für mehr als heikel: “Wir halten diese Handhabe für riskant. Denn die Vermietung auf den üblichen Plattformen führt zu einer Nutzungsintensivierung. Und diese Nutzungsintensivierung birgt Konfliktpotenzial.”

Der Bund warnt vor Klagen

Nachbarn könnten beispielsweise klagen, wenn vom Stall auf der grünen Wiese plötzlich regelmässig Lärm erschallt. Oder wenn das Wasser in der Gemeinde knapp wird, weil plötzlich viel mehr Menschen duschen. “Allfällige Klagen haben gute Chancen vor Gericht”, sagt Kappeler. Er mahnt darum: Die Tessiner Rustico-Besitzer sollten sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein.

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Was den Kanton Tessin genau dazu bewogen hat, so zu entscheiden, ist nicht klar. Die zuständigen Stellen schieben sich die “patata bollente”, die heisse Kartoffel, gegenseitig zu. Eine kurze schriftliche Stellungnahme erklärt das eigene Handeln für unproblematisch. “Die kurze Nutzung eines Rusticos durch einen Touristen ist vergleichbar mit der Nutzung durch einen Eigentümer.”

Erfolgreiche Rustico-Lobby

Bei den Rustici-Besitzern kommt diese Tessiner Interpretation des Bundesrechts natürlich gut an. So sagt Oliver Keller von Ticino Holiday: “Hier hat der Kanton Tessin eine Klarstellung und Sicherheit gegeben. Das ist aus unserer Sicht ein Erfolg.”

Im Tessin ist die Freude über die Vermarktung der ehemaligen Ställe grösser als die Angst vor möglichen Rechtsstreits. Die Lobby der Rustico-Besitzer hat sich mit ihrem Anliegen erfolgreich in Bellinzona durchgesetzt. Gegen geltendes Bundesgesetz.

Dieser Artikel erschien zuerst auf SRFExterner Link und wurde im Rahmen von “dialog” von SWI swissinfo.ch übernommen.

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