Wer hat die Pollenallergie entdeckt?

Der Engländer Charles H. Blackley hat als Erster bemerkt, dass zwischen seinem Niesen und Pollen ein Zusammenhang besteht. Bis er so weit war, hatte er jedoch viele andere Stoffe untersucht und inhaliert.
Gerötete Augen, laufende Nase und ständiges Niesen: Symptome, die rund 1,7 Millionen Pollenallergiker:innen in der Schweiz nur allzu gut kennen. Während vor 100 Jahren in der Schweiz kaum jemand an Heuschnupfen litt, sind heute rund 20% der BevölkerungExterner Link betroffen, ein Prozentsatz, der dem weltweiten Vergleich entspricht.
Mit dem Klimawandel wird die Situation noch schlimmerExterner Link. Hinzu kommt, dass viele Pflanzen ihre Pollen früher und intensiver als früher freisetzen. Laut den Forscher:innen der Schweizerischen Kommission für Atmosphärenchemie und -physik, der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften und Meteoschweiz dauert die Pollensaison in Zukunft wahrscheinlich länger und die Pollenkonzentration wird höher seinExterner Link.
Heute wissen wir, was allergische Reaktionen auslöst: Es sind in der Regel Pollen von Bäumen wie Hasel, Erle, Esche oder Birke, von Gräsern oder anderen Pflanzenarten wie Beifuss und Ambrosia. Unser Immunsystem reagiert auf die Pollenproteine, mit denen wir in Kontakt kommen (über die Nase, den Mund, die Augen), indem es Histamin und andere Stoffe ausschüttet, was zu Entzündungen der Augen und der Nasenschleimhaut führt.

Es hat Jahre der Forschung und des Ausprobierens gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Jahrhundertelang blieben die Ursachen für diese Symptome unbekannt, verschiedene Faktoren wie Kälte, Hitze, Sonne, Staub, Ozon, usw. wurden verantwortlich gemacht.
Im Laufe der Jahre fehlte es auch nicht an den ausgefallensten Theorien, wonach Allergien direkt mit der Bildung oder der sozialen Schicht zusammenhängen. Diese Reihe falscher Erkenntnisse wurde schliesslich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem englischen homöopathischen Arzt, Charles Harrison Blackley, unterbrochen, der dank seiner Entschlossenheit und einer langen Reihe kurioser Experimente Pollen als Auslöser identifizierte.
Blackley litt selbst an Heuschnupfen. Er wurde am 5. April 1820 in England geboren, wo er zunächst als Drucker und dann als Graveur von Metallplatten arbeitete. Ausserdem hegte er eine grosse Leidenschaft für die Natur. Er studierte Botanik, Chemie und erlernte die Grundlagen der Mikroskopie.
Mit 35 Jahren gab er seine Karriere als Graveur auf und begann ein Medizinstudium, das ihn innerhalb weniger Jahre zum homöopathischen Arzt machte. Im Jahr 1858 begann er mit einer langen, kuriosen und grundlegenden Reihe von Experimenten zur Erforschung der Ursachen des Heuschnupfens.

In echter Detektivarbeit analysiert Blackley akribisch alle Faktoren, die im Laufe der Jahre als mögliche Verursacher genannt wurden: Kälte, Hitze, Licht, verschiedene Aromen, Ozon, eine sehr lange Liste. Mit Engelsgeduld verwirft er systematisch alle bis auf einen von ihnen.
Er beschliesst, die Auswirkungen der verschiedenen potenziellen Verursacher direkt an sich selbst zu testen, indem er zum Beispiel Ozon, Benzoesäure und andere Stoffe einatmet, und sich so – ohne zu zögern – verschiedene Arten von Leiden zuzufügen.
Er setzt alles daran, die besten Instrumente für seine Analysen zur Verfügung zu haben. Wenn es noch keine Geräte gibt oder er sie für nicht zuverlässig genug hält, baut er neue oder verbessert die vorhandenen. Seine damalige Arbeit ist auch heute noch von grossem Nutzen.
Wie so oft sind grosse Entdeckungen auch mit Serendipität, d.h. mit Zufall und mit Glück verbunden. So wurde Blackleys wahnsinniges Engagement durch ein unerwartetes Ereignis an einem sonnigen Sommertag belohnt.
Der englische Arzt war auf einer Landstrasse am Stadtrand von Manchester unterwegs, als eine Kutsche mit hoher Geschwindigkeit an ihm vorbeifuhr und eine grosse Staubwolke aufwirbelte, die Blackley einatmete. Anders als bei all den anderen Substanzen, die er inhaliert und an sich selbst getestet hatte, begann er dieses Mal zu niesen und zu husten und erlitt einen heftigen Heuschnupfenanfall.

Leidend, aber glücklich beschliesst er, den Strassenstaub im Labor zu untersuchen, wobei er das Vorhandensein von Pollenpartikeln feststellt, die zu seinen Hauptverdächtigen werden. Wie bei anderen Stoffen testet er die Wirkung der Pollen an sich selbst, indem er sie auf die Schleimhäute seiner Nasenlöcher und Augen aufträgt, sie einatmet und sogar seine Arme und Beine damit impft.
Auf diese Weise setzte er sich verschiedenen Arten von allergischen Reaktionen und Leiden aus. Doch dank dieser Arbeit konnte er den Schuldigen ausfindig machen und beweisen, dass Pollen für Heuschnupfen verantwortlich sind. Die Ergebnisse veröffentlichte er 1880 in einem Werk mit dem Titel «Hay Fever: Its Causes, Treatment, and Effective Prevention» (Heuschnupfen, seine Ursachen, Behandlung und wirksame Vorbeugung).
Wie viele Pionier:innen galt Blackley zeitlebens als ein wenig verrückt, exzentrisch, ja geradezu wahnsinnig. Dennoch ist es ihm, seiner Hingabe und wissenschaftlichen Akribie zu verdanken, dass die Schlüsselrolle der Pollen bei allergischen Erkrankungen entdeckt wurde.

Diesen Entdeckungen verdanken wir die Entstehung einer neuen Wissenschaft, der Aerobiologie, dem Zweig der Biologie, der sich mit den Teilchen in der Luft beschäftigt. Seiner Pionierarbeit ist es auch zu verdanken, dass die Schweiz heute einen Weltrekord vorweisen kann: Seit Anfang 2023 betreibt Meteoschweiz als erster meteorologischer Dienst der Welt ein nationales Netz von automatischen PollenmessungenExterner Link.
Dank dieser Echtzeitmessungen werden die Pollenflugvorhersagen deutlich verbessert und liefern genaue Informationen über die tägliche Entwicklung der allergenen Pollenkonzentration in der Luft für jeden beliebigen Ort in der Schweiz. Ein sehr nützliches Instrument für alle Pollenallergiker:innenExterner Link.

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