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Aromat, seit 70 Jahren auf fast jedem Schweizer Tisch, aber auch anderswo

Körbchen auf einem Tisch
Der Klassiker auf einem Schweizer Restaurant-Tisch: Maggi-Würze, Aromat, Salz und Zahnstocher. Keystone/ Peter Klaunzer

Die schweizerischste Gewürzmischung, die es gibt, ist kürzlich 70 Jahre alt geworden. Über die zufällige Geburt eines Produkts, das zu einem Symbol der Schweizer Küche geworden ist.

Wenn man an Schweizer Essen denkt, kommen einem Fondue, Raclette, Käse aller Art und Schokolade in den Sinn. Manche vergessen auch nicht die Älplermagronen (wer sagt denn, dass man Nudeln, Kartoffeln, Sahne, Käse, Zwiebeln und Apfelmus nicht kombinieren kann) oder das berüchtigte Riz Casimir (Reis, Huhn, Curry, Ananas  ‒ bei einigen ist es ObstsalatExterner Link  ‒ und Bananen).

Nur die Erfahrensten werden jedoch das Aromat erwähnen. Es ist zwar kein Gericht, aber es darf auf Schweizer Tischen (vor allem in der Deutschschweiz) nicht fehlen.

Aromat ist eine Streumischung, die aus Gewürzen, Kräutern und Salz besteht und mit Kurkumapulver gelb gefärbt ist. Wohl einem Ernährungstrend folgend ist seit kurzem auch vegan: Die Laktose wurde aus seiner Zusammensetzung entfernt.

Aromat gehört zu Knorr, einer Marke, die wiederum von Unilever kontrolliert wird, und es ist kürzlich 70 Jahre alt geworden. Das Unternehmen, welches das Originalrezept besitzt, produziert 3000 Tonnen des Streusalzes pro Jahr, von denen die Hälfte in der Schweiz verbleibt, während die andere Hälfte im Ausland, vor allem in europäischen Ländern, vertrieben wird.

Seine Geschichte ist mit dem Zweiten Weltkrieg verknüpft: Knorr ist ein deutsches Unternehmen, das 1907 eine Niederlassung in der Schweiz eröffnete, in Thayngen im Kanton Schaffhausen, nicht weit von der Grenze entfernt.

Im Jahr 1940 war die Muttergesellschaft aufgrund des anhaltenden Konflikts nicht mehr in der Lage, die Schweizer Niederlassung mit Fleischextrakt zu beliefern, das für die Herstellung von Suppen, Brühwürfeln usw. unerlässlich war. Und genau dieses Problem verhalf dem Standort Thayngen zum Durchbruch, wie auf der Website des Schweizerischen KulturerbesExterner Link zu lesen ist.

„Laut einem Buch, das anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Knorr in der Schweiz veröffentlicht wurde, nutzte der Standort Thyangen diese Gelegenheit, um seine Andersartigkeit und Unabhängigkeit zu behaupten.

Von da an konzentrierte sich das Unternehmen auf den Schweizer Markt. Dies führte zur Entwicklung neuer Produkte speziell für die Eidgenossenschaft, nämlich Hühnerbrühe, Stocki (ein gefriergetrocknetes Kartoffelpüree) und eben Aromat.»

Ursprünglich wurde das 1952 eingeführte Gewürz in Form eines Würfels und unter dem wenig attraktiven Namen «Pflanzenextrakt“ verkauft.

Ein Jahr später wurde es in Aromat umbenannt, ein Name, der als einladender empfunden wurde, und aus dem Würfel wurde ein Pulver, das sich leichter auf Speisen streuen liess.

Anfänglich wurde es fürs Salatdressing verwendet, und hielt bald Einzug in die meisten Schweizer Haushalte und Restaurants nördlich des Gotthards.

Im Kanton Tessin ist es weniger verbreitet, was auf den italienischen und mediterranen Einfluss zurückzuführen ist, wo Öl, Essig, Salz und Pfeffer die einzigen Zutaten des Salatdressings sind.

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Maggi Würze ‒ es geht noch schweizerischer

Aber es gibt nicht nur Aromat: Auf den Schweizer Tischen nördlich der Alpen steht noch ein anderes Gewürz, das von der hunderprozentig Schweizer Firma Maggi (gegründet von Julius Maggi, der 1872 in Frauenfeld im Kanton Thurgau geboren wurde) hergestellt wird.

Es handelt sich um eine Flüssigwürze, die Maggi Würze, deren braune Flasche mit gelb-rotem Etikett zu einer Ikone geworden ist.
Die Würze ist sogar noch älter als Aromat: Sie kam 1886 auf den Markt, kurz nach dem ersten Erbsen- und Bohnensuppenpulver, das von Julius Maggi selbst erfunden wurde. Das flüssige Würzmittel enthält pflanzliche Eiweissextrakte und Geschmacksverstärker.

Es sind zwei Zutaten, die einerseits die These von der einfallslosen Schweizer Küche untermauern, die sich aber dank einer schnellen Online-Recherche als weit verbreitet und sehr vielseitig erweisen.

Es wird sogar gemunkelt, dass eines der bestgehüteten Rezepte der Schweizer Geschichte, nämlich die Sauce für das berühmte «Poulet im Chörbli» im Restaurant Pouletburg in Attinghausen, Kanton Uri, Aromat als Hauptzutat enthält. Die Information wurde nie bestätigt oder dementiert.

Rückkehr zum alten Glanz?

Aromat erlebt ‒ vielleicht weil es besser bekannt ist ‒ gerade ein Comeback (wie viele andere «alte“ oder «unzeitgemässe“ Zutaten in den letzten Jahren). Das ist auch dank der sozialen Medien so. Es gibt Hunderte von «Memes“ dazu und zahllose Rezepte, die es enthalten.

Ein Zeichen des Wandels ist etwa, dass Aromat als Topping für Avocado-Toast empfohlen wird. Es gibt auch Leute, die darauf schwören, dass es hervorragend zu «Pasta in bianco» passt.

Kurzum, de gustibus… Aber wenn man einen Auslandschweizer oder eine Auslandschweizerin fragt, welchen Geschmack er oder sie aus der alten Heimat am meisten vermisst, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Antwortet lautet: «Aromat.»

Es ist das Gewürz, das man oft im Koffer findet, wenn Auslandschweizer:innen aus ihren Ferien aus der Schweiz zurückkehren. Es sei denn, sie leben in Südafrika, wo Aromat sehr bekannt und beliebt zu sein scheint.

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