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Bally-Übernahme: Die Luxusindustrie setzt auf Private Equity für einen Neustart

Ein Herrenschuh von Bally
Keystone / Gaetan Bally

Der Kauf der Schweizer Schuhmarke Bally durch die amerikanische Investmentfirma Regent ist ein Symbol für den Übernahme- und Konsolidierungstrend in der Luxusbranche.

Vor wenigen Tagen gab Regent bekannt, dass es die 173 Jahre alte Schweizer Luxusschuhmarke Bally übernommen hat.

Das schicke Schuhunternehmen war seit 2008 im Besitz des deutschen Mischkonzerns JAB Group mit Sitz in Luxemburg.

Regent verfügt bereits über ein Portfolio von Highend-Marken wie Escada, La Senza und Club Monaco.

“Das Erbe von Bally, das auf mehr als 170 Jahren zeitlosem Design und unvergleichlicher Qualität beruht, ist ein Zeugnis für die raffinierte Schweizer Eleganz und das unerschütterliche Engagement für die Handwerkskunst. Wir fühlen uns geehrt, mit der Gestaltung des nächsten Kapitels dieser bemerkenswerten Geschichte betraut zu werden”, liess sich Michael Reinstein, Gründer und Vorsitzender von Regent, in einer PressemitteilungExterner Link zitieren.

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Bally wäre beinahe in chinesische Hände gelangt. Der chinesische Textilkonzern Shandong Ruyi stand 2018 kurz davor, eine Mehrheitsbeteiligung zu erwerben.

Doch die Coronavirus-Pandemie bremste die Übernahme, da das chinesische Unternehmen nicht in der Lage war, die erforderlichen Mittel aufzubringen. Und die Schliessung von Bally-Geschäften aufgrund von Covid-Einschränkungen machte das Unternehmen weniger attraktiv.

Die Ernennung von Simone Bellotti von Gucci zum Design-Direktor im letzten Jahr half, Bally zu stabilisieren: Der vorherige Direktor und Streetwear-Spezialist Rhuigi Villasenor verliess Bally nach nur einem Jahr. Es bleibt abzuwarten, was Regent für das nächste Kapitel der Schweizer Kultmarke plant.

SWI swissinfo.ch sprach mit der Luxusindustrie-Analystin Karine Szegedi von Deloitte und dem Analysten Jean-Philippe Bertschy von Vontobel, um zu erfahren, wie die Zukunft von Bally und der Luxusindustrie aussehen wird.

SWI swissinfo.ch: Ist es für Investmentfirmen ungewöhnlich, Luxusunternehmen zu kaufen?

Jean-Philippe Bertschy: An der Übernahme ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt andere Investmentfonds, die das Gleiche tun, wie zum Beispiel Mayhoola aus Katar, die Balmain und Valentino besitzt.

Karine Szegedi: Das ist nicht ungewöhnlich, es gibt mehrere Beispiele in der Branche. Erfolgreiche Luxusmarken erfordern erhebliche Investitionen, um zu skalieren.

Es gibt verschiedene Modelle: grosse Luxuskonglomerate wie LVMH, Richemont oder Kering; Unternehmen in Familien- oder Privatbesitz bzw. unter privater Kontrolle wie Audemars Piguet, Rolex, Chanel oder Hermès oder Marken im Besitz von Private Equity wie Breitling oder Bally.

Prestige ist für Private Equity Unternehmen nicht der Hauptgrund für den Kauf einer Luxusmarke, zumal sie in kurzer Zeit den Turnaround schaffen und ein Business rentabel machen müssen. Hier gibt es einen Unterschied zu Marken in Familienbesitz, die eine eher langfristige Perspektive haben.

Wird sich die Übernahme durch Regent auf die Schweizer DNA von Bally auswirken?

J.-P.B: Für Regent wird die “Swissness” wichtig sein. Sie würden die Identität der Marke nicht ändern wollen. Das wäre, als würde man die sprichwörtliche goldene Gans töten.

Denn Tradition, Geschichte und Vermächtnis sind den Käuferinnen und Käufern von Luxusgütern wichtig. Luxus ist ein globales Geschäft, aber es ist eine Branche, welche die Traditionen der Marke respektiert.

K.S.: Nicht unbedingt. Bei allem, was mit Luxus zu tun hat, geht es um Wurzeln, Geschichte und Tradition. Im Allgemeinen können Investierende einer Luxusmarke dabei helfen, sich auf ihr Kerngeschäft und ihre Stärken zu konzentrieren und die Ressourcen darauf zu verwenden, anstatt sie zu stark zu diversifizieren.

Wenn Private Equity eine Luxusmarke erwirbt, stellen sie ähnlich wie bei anderen Unternehmen sicher, dass die Mitarbeitenden, Prozesse und Investitionen vorhanden sind, um erfolgreich zu sein.

Ein Luxusunternehmen muss verstanden werden, seine Realität unterscheidet sich. Es kann nicht gleich wie ein auf tiefe Margen und grosse Volumen ausgerichtetes Unternehmen geführt werden.

Wie verändert sich der globale Luxusmarkt?

J.-P.B: Der Markt der jungen Leute, die Luxus-Turnschuhe und T-Shirts mit grossen Logos kaufen, leidet. Aber die Superreichen kaufen immer noch.

Sie sind auf der Suche nach “stillem Luxus”. Einige Marken, die in diesem Bereich gut abschneiden, sind Hermès, Brunello Cuccinelli und Loro Piana.

Bally hat ein schweizerisches Understatement. Aber für kleine Marken ist es sehr schwer, sich zu behaupten. Sie müssen die Millennials und die Generation Z ansprechen, die heute weltweit den Grossteil der Luxuskäuferinnen und -käufer ausmachen.

K.S.: Die Luxusindustrie ist dazu übergegangen, nicht nur das Produkt, sondern auch die Kundschaft in den Mittelpunkt zu stellen, um näher an den Käuferinnen und Käufern zu sein und ihre Bedürfnisse, Kaufgewohnheiten und ihr Interesse an personalisiertem Luxus zu verstehen.

Trotz der zunehmenden Bedeutung des E-Commerce brauchen Luxusmarken nach wie vor eine Präsenz vor Ort, um die Marke zu formen und näher an der Kundschaft zu sein.

Langfristig bedeutet dies weniger Geschäfte insgesamt, aber mehr Flagship-Stores. Dies erfordert beträchtliche Investitionen und ein starkes Gefühl der Eigentümerschaft. Und es ist einer der Gründe für die Konsolidierung und die Übernahmen der letzten Zeit.

Editiert von Mark Livingston, übertragen aus dem Englischen von Marc Leutenegger

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