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«Innerhalb von fünf Jahren haben wir unsere Verkaufsstellen um die Hälfte reduziert»

Stand von Ulysse Nardin auf der Messe "Watches and Wonders" 2023.
Stand von Ulysse Nardin auf der Messe "Watches and Wonders" 2023. KEYSTONE/WWGF/KEYSTONE/Valentin Flauraud

Patrick Pruniaux, CEO der Sowind Group, leitet die Uhrenmarken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin. Dieser Franzose betont, wie wichtig es ist, seine Zeitmesser über eine begrenzte Anzahl von erstklassigen Einzelhändlern zu vermarkten.

Als der französische Konzern Kering, einer der weltweit führenden Luxusgüterhersteller, im Jahr 2022 den Verkauf der Sowind Group an dessen Management bekannt gab, war die Überraschung gross.

Meistens läuft es gerade andersrum: Unabhängige Uhrenmarken werden von grossen Konzernen wie Swatch, Richemont, LVMH oder Kering übernommen.

Girard-Perregaux und Ulysse Nardin, die beiden Neuenburger Uhrenmarken mit einem jahrhundertealten Erbe, blieben also weniger als fünfzehn Jahre in der Hand von Kering.

SWI swissinfo.ch sprach mit Patrick Pruniaux, dem CEO der Sowind Group, über die Folgen der neuen Besitzverhältnisse. Ort war sein Büro in La Chaux-de-Fonds.

Nach seinem Studium, das er mit einem MBA an der HEC Paris abschloss, hatte Patrick Pruniaux verschiedene Führungspositionen in verschiedenen Unternehmen und Ländern inne, darunter Moët Hennessy in den USA und Lateinamerika, Tag Heuer (LVMH-Gruppe) in der Schweiz sowie Apple im Grossbritannien und in den USA.

Bei der Kering-Gruppe wurde Pruniaux 2018 zum CEO der Marken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin. Derzeit leitet er die Sowind Group, das kleine Konglomerat, das die beiden Schweizer Luxusuhrenmarken übernommen hat.

SWI swissinfo.ch: Was waren die wichtigsten Veränderungen für Girard-Perregaux und Ulysse Nardin nach ihrem Austritt aus der Kering-Gruppe?

Patrick Pruniaux: Innerhalb der Kering-Gruppe waren wir bereits sehr autonom. Mit anderen Worten: Wir sind von der Autonomie zur Unabhängigkeit übergegangen. Aus operativer Sicht gab es kaum Veränderungen.

Denken Sie jetzt, da Sie wieder unabhängig sind, über einen Börsengang nach?

Für Sowind und seine 500 Mitarbeitenden ist unsere langfristige, wenn nicht sogar sehr langfristige Vision das Wichtigste. Um diese Vision umzusetzen, beabsichtigen wir nicht, unsere Aktionärsstruktur zu ändern. Das bedeutet, dass ein Börsengang für uns nicht in Frage kommt.

Was sind die wichtigsten Synergien zwischen Ihren beiden Marken?

Unsere beiden Marken sind sehr unabhängig, besonders was die Teams, die Strategie, die Produktentwicklung und vor allem die Herstellung der Uhrwerke betrifft, also des Herzstücks einer Uhr.

Letztendlich sind die Synergien minimal, auch wenn wir einige gemeinsame Abteilungen wie Kommunikation, Finanzen und eine gemeinsame Manufaktur haben.

Wie würden Sie die Kundinnen und Kunden von Girard-Perregaux und Ulysse Nardin beschreiben? 

Unsere Zeitmesser sind für Sammler und echte Liebhaberinnen der Haute Horlogerie bestimmt. Für unsere Kund:innen ist es sehr wichtig, dass unsere beiden Marken je ihre eigenen Uhrwerke herstellen.

Der Franzose Patrick Pruniaux leitet seit 2018 die Marken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin, zwei sehr exklusive Schweizer Uhrenmarken.
Der Franzose Patrick Pruniaux leitet seit 2018 die Marken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin, zwei sehr exklusive Schweizer Uhrenmarken. Johan Sauty

Welche Marketingstrategie sind am effektivsten, um Ihre potenzielle Kundschaft zu erreichen?

Wir bevorzugen Kampagnen, die unsere Geschichte, unsere Identität und unsere Innovationen, insbesondere in Bezug auf unsere Uhrwerke, in den Vordergrund stellen.

Hierzu nutzen wir unsere eigenen sozialen Netzwerke. Ausserdem sind unsere bestehenden Kunden und Kundinnen echte Botschaft:innen unserer Marken.

Was halten Sie von Uhrenmessen? Haben sie noch eine Zukunft?

Uhrenmessen sind wichtig, weil sie die Beziehungen zu unseren Partnern und Endkundinnen pflegen. Aus diesem Grund sind wir auf verschiedenen Messen in Genf (Watches & Wonders, Geneva Watch Days), Dubai und Shanghai vertreten.

Wie sieht es mit Ihrem Vertriebsnetz aus?

Unsere Strategie ist es, das Netz unserer führenden Einzelhändler zu verkleinern. In den letzten fünf Jahren haben wir deshalb die Anzahl der Verkaufsstellen halbiert und nur die besten behalten.

Und nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Einzelhändler:innen aus?

Wir suchen nach jenen, die unsere Leidenschaft für Uhren teilen, renommierte Marken vertreiben, über erstklassige Standorte verfügen und in der Lage sind, unsere Produkte zu präsentieren. Prominente Beispiele sind Bucherer und The Hour Glass.

Einige Unternehmen wie Porsche bieten eine sehr breite Palette an Produkten und Optionen an, während andere wie Tesla die umgekehrte Strategie verfolgen. Was ist mit Sowind?

Unsere Uhrenmodelle weisen sehr unterschiedliche und innovative Merkmale auf. Daher haben wir nicht das Bedürfnis, eine grosse Auswahl an Optionen anzubieten.

«Wir haben keine Schwierigkeiten, Fachkräfte aus dem Nicht-Uhrenbereich nach La Chaux-de-Fonds zu holen»

Patrick Pruniaux, CEO der Sowind Group

Wie viele andere Marken kombinieren Sie den Verkauf in Geschäften und im Netz. Was sind die Herausforderungen, um die Kosten und Gewinne zwischen diesen beiden Kanälen richtig zuzuordnen?

Diese Frage ist für uns nicht zentral, da wir nur sehr wenig online verkaufen.

Ihre Marken haben mehrere Preise gewonnen. Girard-Perregaux wurde zum Beispiel mit der Aiguille d’or des Grand Prix de l’Horlogerie de Genève ausgezeichnet. Welchen kommerziellen Wert haben diese Preise?

Technisch gesehen sind diese Preise eine schöne Anerkennung unseres Knowhows durch die Fachleute unserer Branche. Kommerziell ist ihr Einfluss nicht leicht zu messen.

Gibt es Nachteile, wenn Sie wesentlich kleinere Stückzahlen produzieren als die grössten unabhängigen Marken?

Unser Ansatz ist es, die jährliche Produktion von Girard-Perregaux auf 25’000 Uhren und die von Ulysse Nardin auf 15’000 Stück zu begrenzen. Um diese Uhren zu produzieren, beschäftigt unsere Manufaktur in der Schweiz 300 Personen.

Mit anderen Worten: Wir haben die kritische Masse eindeutig überschritten und haben keine Nachteile gegenüber den sehr grossen Marken.

Sie haben Ihren Sitz im Neuenburger Jura. Ist es schwierig, hier Talente anzuziehen, die nicht aus der Uhrenbranche kommen, wie zum Beispiel Spezialist:innen in der Digitalisierung?

Zunächst einmal ist es ein echter Stolz, dass wir im Tal der Chronometrie ansässig sind. Diese Herkunft definiert unsere Marke, unsere Denkweise und unsere technische Expertise. Wir haben derzeit keine Schwierigkeiten, Fachkräfte, die keine Uhrmacher:innen sind, nach La Chaux-de-Fonds zu holen.

In der Manufaktur von Ulysse Nardin in La Chaux-de-Fonds, der "Uhrenmetropole" im Neuenburger Jura.
In der Manufaktur von Ulysse Nardin in La Chaux-de-Fonds, der «Uhrenmetropole» im Neuenburger Jura. KEYSTONE

In der Vergangenheit haben Sie für grosse Unternehmen wie Apple und LVMH gearbeitet. Was haben Sie von dort an Erfahrungen mitgenommen?

Diese Grosskonzerne haben viele positive Aspekte, z. B. eingespielte Prozesse, effiziente Strukturen und eine objektive Entscheidungsfindung. Ich denke, dass ich diese Eigenschaften auf Sowind übertragen habe, aber mit der Agilität einer kleineren Struktur und der sehr langfristigen Vision eines nicht börsennotierten Unternehmens.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer beiden Marken?

Seit einigen Jahren haben wir eine gute Geschäftsdynamik entwickelt. Ich bin überzeugt, dass dieser positive Trend anhalten wird.

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Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi

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