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Rexhep Rexhepi: «Ich dachte, ich hätte nicht das Recht, einen kosovarischen Namen in eine Schweizer Uhr zu setzen»

Rexhep Rexhepi blickt in die Kamera
Der Genfer Uhrmacher ist nie hundertprozentig zufrieden mit seiner Arbeit. "Das ist notwendig und zwingt mich, bei jeder neuen Uhr noch besser werden zu müssen." Thomas Kern/SWI swissinfo.ch

Rexhep Rexhepi ist 37 Jahre alt und gehört zu den angesagtesten Uhrmachern der Gegenwart. Der in Genf lebende Sohn einer kosovarischen Einwandererfamilie wird von vielen Fachleuten und Sammler:innen als neuer Meister der Schweizer Uhrmacherkunst angesehen.

Es ist ein sonniger Märzmorgen, als Rexhep Rexhepi uns in seinen Geschäftsräumen im Herzen der Genfer Altstadt empfängt. Die Präsenz des selbständigen Uhrmachers mit seiner Marke AkriviaExterner Link lässt sich hier nicht übersehen.

Auf beiden Seiten der Grand-Rue unterhält er drei Werkstätten: Eine für die Herstellung von Einzelteilen und Gehäusen, eine andere für die Dekoration und Montage der Uhren und das jüngste Atelier für die Kreation von Lederarmbändern.

Im vierten Stock auf der Seeseite hat Rexhep Rexhepi seit kurzem eine Maisonettewohnung gemietet, die ihm als persönliches Atelier, aber auch als Aufenthaltsraum für Ingenieur:innen und Besucher:innen dient.

Die Aussicht auf die Alpen, den Jet d’Eau im Genfersee und die Jurakette ist herrlich. Es ist ein einzigartiges Schmuckkästchen, das den kometenhaften Aufstieg dieses jungen Immigranten kosovarischer Herkunft versinnbildlicht. Im Alter von 12 Jahren war er in die Schweiz gekommen.

Inzwischen ist er 37 Jahre alt. Und Rexhep Rexhepi konnte bereits zwei Siege beim Grand Prix d’horlogerie de GenèveExterner Link (2018 und 2022) erringen, einem Wettbewerb, der die grössten Talente der Uhrenbranche krönt. Die internationale Presse hat ihn entdeckt – die Financial Times bezeichnete ihn sogar als «Mozart der UhrmachereiExterner Link«.

Auch SWI swissinfo.ch hat er die Türen geöffnet, um über seinen Werdegang und seine Ambitionen zu sprechen. Angetroffen haben wir einen sehr freundlichen und relaxten Menschen.

SWI swissinfo.ch: Vor zwölf Jahren haben Sie die Firma Akrivia hier in Genf gegründet. Vom allein arbeitenden Uhrmacher sind Sie zum Leiter eines kleinen Unternehmens mit mehr als 25 Mitarbeitenden geworden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Rexhep Rexhepi: Um ehrlich zu sein, ist es ziemlich genial, was rund um Akrivia abläuft. Der Name Akrivia stammt übrigens aus dem Griechischen und bedeutet «Präzision». Wir erhalten unglaubliche Anerkennung.

Am Anfang hatte ich den Anspruch, jede einzelne Uhr ganz allein zu produzieren. Aber ich habe ziemlich schnell verstanden, dass man viele verschiedene Fachkenntnisse und Berufe zusammenbringen muss, um ein möglichst perfektes Produkt herzustellen.

Im Jahr 2019 stiess Jean-Pierre Hagmann, einer der bedeutendsten Gehäusemacher der Schweiz, zu uns. Ausserdem haben wir im letzten Jahr eine Werkstatt eröffnet, in der wir unsere Uhrenarmbänder aus Leder herstellen.

Unsere Uhrmacher müssen für sehr spezielle Aufgaben ausgebildet werden, da alle Teile unserer Uhren von Hand poliert und verziert werden. All das ist sehr arbeitsintensiv. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir Handwerker sind und es auch bleiben werden, egal was passiert.

Rexhep Rexhepi
Rexhep Rexhepi Thomas Kern/Thomas Kern / swissinfo.ch

Hat diese Expansion des Unternehmens auch mit dem Wunsch zu tun, möglichst unabhängig von Ihren Lieferanten zu werden?

Freiheit ist für mich ein Grundwert. Vielleicht liegt das daran, dass ich in einem Land aufgewachsen bin, in dem Krieg herrschte. Ich möchte, dass mein Produkt genauso aussieht, wie ich es mir in meinen Träumen vorstelle.

Meine qualitativen Ansprüche sind sehr hoch, aber gleichzeitig bestelle ich Teile in sehr kleinen Mengen. Für einen Zulieferer bin ich verständlicherweise kein guter Kunde. 

Ich bin gezwungen, immer mehr Komponenten selbst herzustellen, wenn ich meiner eigenen Philosophie treu bleiben will. Das eröffnet jedoch auch enorme Chancen, da ich tun und lassen kann, was ich will, und nicht an Lieferfristen gebunden bin. Denn diese kann ich nicht kontrollieren.

Werden Sie angesichts Ihres Erfolgs die Zahl der jährlich produzierten Uhren erhöhen?

Momentan produzieren wir zwischen 40 und 50 Uhren pro Jahr, die zwischen 60’000 und 380’000 Franken kosten. Bei der derzeitigen Nachfrage könnte ich problemlos das 10- bis 15-fache dieser Menge verkaufen.

Wenn ich mehr Uhren produzieren könnte, würde ich dies problemlos tun. Aber im Moment ist es nicht möglich. Wer in diesem Business überleben will, darf keine Kompromisse eingehen.

Das heisst: Unsere Produkte müssen absolute Qualitätsansprüche erfüllen. Unserer Kundinnen und Kunden erwarten dies. Jeder Fehler wäre fatal.

Uhrenpräsentation
2018 gewann der erste «Chronomètre Contemporain» von Rexhep Rexhepi den Preis für Herrenuhren beim Grand Prix d’Horlogerie in Genf. Thomas Kern/Thomas Kern / swissinfo.ch

Sie führen eine Warteliste für die Bestellungen. Interessierte müssen sich mehrere Jahre lang gedulden, um eine Ihrer Uhren kaufen zu können. Welchen Kunden geben Sie den Vorzug?

Das ist eine heikle Frage, aber wir versuchen wirklich, die Kundinnen und Kunden in der Reihenfolge der eingegangenen Bestellungen zu bedienen. Darüber hinaus bevorzugen wir leidenschaftliche Uhrenliebhaber:innen.

Wir wollen unsere Uhren nicht an Zwischenhändler:innen verkaufen, die sie zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Aber natürlich sind wir vor solchen Machenschaften nicht ganz gefeit.

Die Fachpresse hält Sie für einen der talentiertesten unabhängigen Uhrmacher der Gegenwart. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Ich neige dazu, mich in meiner Blase, das heisst in meinem Atelier und in meinen Räumen, aufzuhalten. Medienberichte sind eine grossartige Sache, aber ich ziehe es vor, ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Was zählt, ist die langfristige Perspektive, und das Wissen, dass ich meinen Beruf in 10, 20 oder 30 Jahren immer noch mit der gleichen Leidenschaft ausüben kann wie heute.

Und dass andere Menschen sich vielleicht von meiner Arbeit inspirieren lassen können, so wie ich mich selbst von grossen Uhrmachern inspirieren liess.

>> In diesem Artikel stellen wir Ihnen die neuste Generation unabhängiger Uhrmacher vor:

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Sie sind auf Ihre handwerkliche Arbeit als Uhrmacher fokussiert. Aber in der heutigen Welt darf man die Kommunikation nicht vernachlässigen…

Da haben Sie recht. Als ich mich mit 25 Jahren als Uhrmacher selbstständig machte, hatte ich einige Fachkenntnisse und war davon überzeugt, dass die von mir anfertigten Uhren die schönsten sein würden.

Aber ich wusste nicht, was ein Einzelhändler ist, ich wusste nicht, wie Uhrenjournalismus funktioniert, und ich hatte keine Ahnung, wie man kommuniziert.

Relativ schnell wurde mir klar, dass die Leidenschaft für den Beruf nicht ausreichen würde. Man ist gezwungen, zu sagen und zu kommunizieren, was man tut. Heute tue ich das sogar mit einer gewissen Freude. 

Umso mehr, als Ihre Geschichte ziemlich einzigartig ist. Manchmal klingt sie wie ein Märchen, das von einem kleinen Kosovaren erzählt wird, der vor dem Krieg floh und zu einem der talentiertesten Uhrmacher seiner Generation wurde. Wie beurteilen Sie die Porträts, die in der Presse über Sie erscheinen?

Ich muss darüber schmunzeln. Meine persönliche Geschichte ist wichtig, aber die Tatsache, dass ich den Krieg erlebt habe, hat mich nicht von anderen Kindern unterschieden.

Ich habe meine Mutter nie kennengelernt, aber das hat mich nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich bin bei meiner Grossmutter aufgewachsen, bevor ich zu meinem Vater nach Genf gezogen bin. Ich hatte eine glückliche Kindheit und kann nicht klagen. 

Was mich mehr geprägt hat, war der Blick, den mein Vater auf sein Gastland hatte. Er hat die Schweiz immer vergöttert. Er hatte so viel Respekt vor diesem Land, dass er mir einmal sagte: «Du darfst dich nicht über die Schweizer stellen.»

Ich habe nie Rassismus erlebt, ich fühle mich als vollwertiger Schweizer, aber es gibt dieses Unbehagen, diese Zurückhaltung, die ich in meinen Anfängen hatte. Ich dachte, ich hätte nicht das Recht, einen kosovarischen Namen in eine Schweizer Uhr zu setzen.

Im Nachhinein stelle ich fest, dass das dumm war. Den Kunden ist es völlig egal, ob eine Uhr den Familiennamen X oder Y trägt. Was zählt, ist die Qualität des Produkts und die dahinter liegende Arbeit.

Es braucht aber viel Mut, mit 25 Jahren und ohne externe finanzielle Unterstützung eine eigene Uhrenmarke zu gründen. Gibt es einen Zusammenhang mit Ihrem Migrationshintergrund?

Es gibt diesbezüglich sicherlich einen kulturellen Aspekt. Meine Grossmutter sagte mir immer: «Wenn du im Leben eine Chance bekommst, musst du sie ergreifen und dann kultivieren.»

Wenn sich eine Möglichkeit bietet, muss man sie nutzen. Das habe ich gemacht. Ich möchte kämpfen, lernen und das Beste aus dem machen, was ich tue.

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Welche Verbindung haben Sie heute zum Kosovo?

Ich habe ein Land verlassen, das vielleicht nicht sehr entwickelt war, aber einen gewissen Charme hatte. In den letzten 25 Jahren hat sich viel verändert. Als meine Grossmutter starb, gingen die persönlichen Verbindungen zurück. Ich habe einige Bezugspunkte verloren.

Ich fühle mich im Kosovo nicht mehr wirklich zu Hause, was manchmal schwer zu akzeptieren ist. Aber ich weiss, dass meine Arbeit dort anerkannt wird. Die Leute sind sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Es ist mir manchmal sogar ein bisschen peinlich.

Sie verkaufen Luxusgüter im Wert von bis zu mehreren hunderttausend Franken. Welche Beziehung haben Sie zu Geld?

Mein Vater ist ein Vorbild für mich. Er war in der Gastronomie tätig und verdiente nicht unbedingt gut. Er musste jeden Morgen um 5.30 Uhr aufstehen und arbeitete viele Stunden. Trotzdem habe ich ihn nie klagen sehen. Er ging immer mit einem Lächeln zur Arbeit und freute sich auf seine Kundinnen und Kunden.

Ich bin nicht auf der Suche nach Geld um jeden Preis, es ist wirklich die Leidenschaft für meinen Beruf, die mich antreibt. Mit dem Geld kann ich mir eine neue Maschine kaufen oder ein Talent in den Betrieb holen, also einen weiteren Traum erfüllen.

Wo wird Ihrer Meinung nach Akrivia in 20 Jahren stehen?

Ich sehe ein kleines Unternehmen, das schöne Uhren herstellt, mit einer guten Portion Innovation und Know-how. Ich hoffe, dass wir als Erfolgsbeispiel gelten werden und andere dazu inspirieren, in unsere Fussstapfen zu treten.

Editiert von Balz Rigendinger. Übertragung aus dem Französischen: Gerhard Lob

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