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Warum Uhren-Sharing auch in der Schweiz nicht funktioniert

Ein eingebrochenes Schaufenster
Betrug, Diebstahl und Raub: Schweizer Luxusuhren sind beliebte Ziele. KEYSTONE

Bei einem Betrugsfall in Japan sind hunderte von Schweizer Luxusuhren gestohlen worden, die einer Watch-Sharing-Plattform anvertraut worden waren. In der Schweiz hat ein ähnlicher Service seine Tätigkeit eingestellt. Die Firmengründer zeigen sich ernüchtert.

Toke Match, ein Luxusuhren-Sharing-Service in Japan, hat Ende Januar seine Geschäftstätigkeit eingestellt, nachdem Kundinnen und Kunden ihre hinterlegten Uhren nicht zurückbekommen hatten. Der Gesamtwert der der verschwundenen Uhren, etwa 90% sind Schweizer Luxusuhren, beläuft sich auf rund 1,9 Milliarden Yen (11 Millionen Franken).  

+ Lesen Sie mehr zum Fall von Toke Match

Auch in der Schweiz, der Heimat der Luxusuhren, gab es einen Sharing-Service, der es Einzelpersonen ermöglichte, Uhren zu mieten und zu vermieten. Das im August 2019 gestartete Unternehmen DIALS lieh Uhren mit einem Marktwert von 4000 Franken oder mehr von Eigentümer:innen aus und vermietete sie für drei Wochen, drei Monate oder ein halbes Jahr weiter. Die Mietkosten starteten bei 150 Franken pro Monat, wovon die Eigentümer:innen 40% erhielten.

“Warum Dinge kaufen, wenn man sie teilen kann? Dies gilt auch für Luxusgüter“, erklärte Robin Vogelsang, einer der Unternehmensgründer, seine Geschäftsidee gegenüber Medien.

Ein Mieter, der damals eine Breitling bei DIALS gemietet hatte, sagte gegenüber Tele Züri: “Ich habe selbst teurere Uhren, aber für mich ist es wichtig, Abwechslung zu haben. Ich möchte nicht für 20, 30 Jahren die gleiche Uhr tragen.“

Uhrensharing
swissinfo.ch/Kai Reusser

Das Geschäftsmodell von DIALS war dem von Toke Match ähnlich. Aber auch wenn keine betrügerischen Absichten dahintersteckten, kam es zu Problemen, und der Service wurde wieder eingestellt.

Mitgründer Julian Vogelsang sagt gegenüber SWI swissinfo.ch: “Die Zukunftsfähigkeit des Sharing-Modells war auf lange Frist nicht mehr gegeben.“ Obwohl sich die Kund:innen einem strengen Onboarding-Prozess zu unterziehen hatten, habe es immer wieder Mieter:innen gegeben, welche die gemieteten Uhren nicht zurückgegeben haben und die nicht identifiziert werden konnten.

Gegen die Betrüger:innen musste ein Strafverfahren eingeleitet werden, was zu hohen Gerichtskosten führte. Auch die Versicherungsprämien stiegen. Durch die Abwälzung dieser Kosten stiegen die Mietpreise auf ein unattraktives Niveau. Um die Versicherungsprämien auf einem profitablen Niveau halten zu können, hätten viele Uhren vermietet werden müssen. Doch die Zahl der Mietinteressenten war zu gering. Im Januar 2023 haben die Gründer den Dienst eingestellt und gaben alle Uhren an ihre Besitzer:innen zurück.

“Das Konzept war sehr spannend und hat grossen Anklang gefunden. Jedoch hätte man einen Weg finden müssen, die Betrüger im Vorherein zu identifizieren“, sagt Vogelsang.

Instagram caption
Ein Blick auf das Instagram-Profil von DIALS. swissinfo.ch

Luxusuhren sind ein spezielles Gut

Auf Sharly, der grössten Güter-Sharing-Plattform der Schweiz, gibt es ebenfalls keine Angebote zum Mieten von Luxusuhren. Chief Operating Officer Ivo Kuhn sagte gegenüber SWI, dass es “für die Hersteller zu aufwändig wäre, die Uhren nach der Rückgabe zu reinigen.“ Deshalb würden sie auf die Vermietung verzichten.  

Generell ist in der Schweiz das Teilen von Gegenständen nicht so weit verbreitet wie in den Bereichen Immobilien und Transport. Laut dem Sharing-Monitor SchweizExterner Link der Hochschule Luzern liegt die Bekanntheit des Güter-Sharings bei 30%, und damit deutlich unter dem temporären Wohnraum-Sharing von 87% und dem Car-Sharing von 93%. Nur 3% der Befragten haben Erfahrung mit Güter-Sharing.

Wirtschaftsprofessor Dominik Georgi, der den Sharing-Monitor leitet, sagt gegenüber SWI: “Wir beobachten, dass Sharing-Abnehmer häufig sogar besonders fürsorglich mit den gemieteten Gegenständen umgehen. In anderen Fällen trifft man aber genau das Gegenteil an.“

Darüber hinaus gibt es für Luxusuhren einen grossen Zweitmarkt. Beliebte Modelle wie Rolex-Uhren seien so schwer zu bekommen, dass ihre Wiederverkaufspreise oft die Neupreise übersteigen, was sie zu Zielen für Straftaten wie Betrug, Diebstahl und Raub macht.

Uhrendiebstahl ist ein globales Problem

Georgi glaubt, dass theoretisch auch ein Sharing-Service für Uhren etabliert werden könnte: «Viele Menschen würden gerne mindestens einmal eine Luxusuhr tragen, können sich aber aufgrund fehlender finanzieller Mittel oder Engpässe keine solche anschaffen. Andererseits gibt es viele Menschen, die mehrere Uhren besitzen und nicht alle zur Hand haben müssen.»

Aber wie kann man denn Mietbetrug verhindern? “Die Bewertungsfunktion auf der Plattform kann helfen, und die Empfehlung lautet, nur an Nutzende mit den höchsten Bewertungen zu vermieten“, sagt Georgi. Zukünftig soll die Blockchain-Technologie ebenso dazu beitragen, Diebstahl zu verhindern.

Ein Zertifizierungssystem einer Drittorganisation kann auch hilfreich sein, um böswillige Vermittler:innen fernzuhalten. Die Tatsache, dass Toke Match von der Sharing Economy Association, einer Branchenorganisation Japans, zertifiziert worden war, gab den Eigentümer:innen Sicherheit. Laut der japanischen Zeitung Nikkei hat die Organisation nach dem Toke-Match-Fall damit begonnen, ihr Prüfungssystem zu evaluieren. Es würden nun Vorschläge gemacht, zusätzliche Finanzberichte für die Verleihung hochwertige Güter zu verlangen und die Glaubwürdigkeit von Geschäftsinhaber:innen zu überprüfen.

Das Problem ist jedenfalls weltweit gross: Laut Watch RegisterExterner Link, einem englischen Unternehmen, das Eigentümer:innen, Auktionshäusern und Händler:innen hilft, gestohlene Uhren zu identifizieren, hat sich die Zahl der im Jahr 2023 als gestohlen oder verloren registrierten Uhren im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht. Insgesamt wurden 2023 100’000 Uhren im Wert von 1,5 Milliarden Pfund registriert.

Editiert von Reto Gysi von Wartburg/sj

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