Swissair-Prozess: Verteidiger plädieren auf Freispruch
Im Swissair-Prozess haben die Plädoyers der Verteidiger begonnen. Für Ex-Verwaltungsratspräsident Honegger wie für den früheren Swissair-Chef Bruggisser wurde auf Freisprich plädiert.
Honeggers Anwalt nannte das Verfahren einen «Schauprozess». Auch der Anwalt von Bruggisser bezeichnete die Vorwürfe an seinen Klienten als nicht stichhaltig.
Im Swissair-Strafverfahren haben am Donnerstag die Anwälte der ehemaligen SAirGroup-Chefs Eric Honegger und Philippe Bruggisser den Reigen der Verteidigerplädoyers eröffnet.
Kein gutes Wort hatten die Verteidiger vor dem Bezirksgericht Bülach für die Anklage übrig. Honeggers Verteidiger Markus Hug nannte sie eine «notdürftig zusammengeschusterte Last-Minute-Anklage»: «Jeder Eierdiebstahl wird seriöser abgeklärt.» Für Bruggissers Anwalt Lorenz Erni entbehrt sie «jeglicher Grundlage».
Honegger erklärte vor Gericht, dass es ihm «Leid tue», dass die Swissair-Gruppe sechs Monate nach seinem Ausscheiden untergegangen sei und viele Menschen ihre Arbeit und ihr Geld verloren hätten. «Viele Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft habe ich aber als unfair empfunden.»
Schaden abgewendet
Welche Bestimmungen Honegger verletzt haben solle, gehe aus der Anklage nicht klar hervor, sagte Hug. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm im Zusammenhang mit einer Kapitalspritze von 150 Mio. Euro der SAirGroup an die marode belgische Tochter Sabena ungetreue Geschäftsbesorgung vor. Sie fordert eine Strafe von 8 Monaten Gefängnis und 90’000 Fr. Geldstrafe bedingt.
Ohne die Zahlung hätte die Sabena Anfang 2001 aber mit deutlich grösserem Schaden liquidiert werden müssen, so Hug: Der Swissair-Flugbetrieb und die Flugnebenbetriebe hätten gelitten, und aus Belgien hätten Beschlagnahmungen von Flugzeugen und Milliardenklagen gedroht.
Auch die Zusatzanklage wegen Steuerbetrugs wies Hug zurück: Es seien «aus reinem Versehen» Fehler mehrerer Parteien passiert. «Auch einem ehemaligen Finanzdirektor können beim Ausfüllen der Steuererklärung Fehler unterlaufen.» Der ehemalige Zürcher Regierungsrat Honegger soll in der Steuerklärung 146’000 Fr. nicht deklariert haben.
Zahlungen gerechtfertigt
Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien «haltlos», meinte auch Bruggissers Anwalt. Für Bruggisser fordert die Staatsanwaltschaft wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Falschbeurkundung eine Strafe 15 Monate Gefängnis und eine Geldstrafe von 400’000 Fr. bedingt.
Die angeklagte Übertragung einer Beteiligung der SAirGroup an die Flugtochter SAirLines habe keinen Schaden verursacht, sagte Erni. Auch er bemühte das Bild der Verschiebung von Geldern von der «rechten in die linke Hosentasche».
Ausführlich versuchte Erni darzulegen, dass die SAirLines damals nicht überschuldet war.
Der Verteidiger rechtfertigte zudem Zahlungen der SAirGroup an das Management der polnischen Fluggesellschaft LOT. Man habe so verhindern wollen, dass die besten LOT-Manager das Unternehmen, an dem die SAirGroup beteiligt war, wegen relativ tiefer Löhne verlassen. Auch hier sei ein Freispruch «zwingend».
Experte in Frage gestellt
Keine guten Worte fanden auch die Berichte einer von der Staatsanwaltschaft zugezogenen Fachperson. Diese dürften vor Gericht nicht verwertet werden, forderte Bruggisser-Verteidiger Erni. Der Experte habe die Staatsanwaltschaft von Beginn weg und bis heute beraten. Er sei damit Hilfsperson, wenn nicht sogar faktischer Lenker des staatsanwaltschaftlichen Teams gewesen.
Die Plädoyers der Verteidiger der 19 Angeklagten dauern laut Gerichtsplan noch bis zum 9. März. Am Freitag werden die Anwälte von Ex-Finanzchef Georges Schorderet und dem ehemaligen Steuerchef Andreas Simmen ihre Verteidigung darlegen.
swissinfo und Agenturen
Der Zürcher Staatsanwalt hat am Montag Haftstrafen von 6 bis 28 Monate sowie Geldstrafen von 38’000 bis zu einer Million Franken gegen die ehemaligen Swissair-Verantwortlichen gefordert.
Mario Corti ist der am meisten Beschuldigte der 19 Angeklagten, die allesamt auf «unschuldig» plädieren.
Die Plädoyers der Verteidiger sollen bis zum 9. März dauern.
Ausser für das Plädoyer des Anwalts von Mario Corti, für den 2 Tage reserviert sind, ist für jeden der anderen Angeklagten ein halber Tag vorgesehen.
Der Prozess vor dem Bezirksgericht Bülach hat am 16. Januar begonnen und dauert bis am 9.März.
Die Einvernahme der 19 Angeschuldigten wurde am 5. Februar abgeschlossen.
Die Verhandlungen in der 1500 Personen fassenden Stadthalle Bülach sind öffentlich.
Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung steht noch nicht fest.
Die Anklageschrift umfasst 100 Seiten. Die Akten füllen 4150 Aktenordner.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat in 40’000 Arbeitsstunden mehr als 300 Personen einvernommen und 20 Hausdurchsuchungen veranlasst.
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