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«Tinte» von Anna Sommer glänzt mit farbigem Eigensinn und Schalk

Ihre Graphic Novel "Tinte" gestaltet die freie Illustratorin und Comiczeichnerin Anna Sommer mit farbigen Papierschnitzeln. Auf Worte verzichtet sie in ihrer Geschichte um eine Frauengestalt, die dem buddhistischen Mönch und Glücksbringer Daruma nachempfunden ist. Handout: Edition Moderne sda-ats

(Keystone-SDA) «Tinte» heisst die neue Graphic Novel der Comiczeichnerin und Illustratorin Anna Sommer. Die Geschichte einer Frau, die nach schwarzer Farbe sucht, wird ganz ohne Text zu einem Fest der Farben

Anna Sommer ist eine Künstlerin mit unverwechselbarer Handschrift. Ihre Illustrationen und Graphic Novels zeichnen sich durch eine ausgeprägte Farbigkeit aus. Dafür verantwortlich ist ihre Papercut-Technik. Sie malt die Bilder nicht mit Pinsel oder Stift, sondern komponiert sie mit farbigen Papierschnitzeln.

Im neuen Band «Tinte» verzichtet Sommer auf Worte und verlässt sich ganz aufs Bildnerische. In sehr freier Variation erzählt sie den Mythos von Daruma, einem buddhistischen Mönch, der als Glücksbringer gilt. Dafür wird einer augenlosen Mönchsfigur ein Auge auf das Gesicht aufgemalt, damit sich ein Wunsch erfülle; geschieht dies, erhält die Figur ein zweites Auge. Dann wird sie verbrannt.

Allerdings macht Sommer aus dem in sich versunkenen Mönch eine sinnliche Frauengestalt, die sich selbst ein Auge aufs Gesicht malt. Doch da trinkt ihr ein frecher Affe die Tinte weg und sie muss sich auf die Suche nach Ersatz machen: im Fischrestaurant, im Strassenbau, auf dem Vulkan, im Meer.

Diese Suche und zugleich Jagd nach Erfüllung setzt die Künstlerin in ganzseitigen Tableaus um, die das Schwarz der Tinte durch starke volle Farben akzentuiert. Sie arbeitet dabei gerne mit filmischen Effekten, indem sie eine Nahaufnahme in die Totale aufzoomt oder vom einen zum anderen Bild mit Schnitt und Gegenschnitt arbeitet. Die Doppelseiten bilden dabei stets eine Einheit.

Auch wenn der Bildergeschichte ein fernöstlicher Mythos zugrunde liegt, den die Autorin im Abspann kurz erwähnt, bewahrt «Tinte» einen Eigensinn und Schalk, der sich nicht in einer Nacherzählung erschöpft. Anna Sommers Bilder gehen ganz in der lustvollen expressiven Farbigkeit auf, die um die Leerstelle im Gesicht der Frau kreist. Unverhofft kommt diese am Schluss doch noch zu einem grossen schönen Auge. Zwinkernd geht ein Wunsch in Erfüllung.*

*Dieser Text von Beat Mazenauer, Keystone-SDA wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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