Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Türkei lädt Deiss aus

Bundesrat Deiss hätte im September eine Handelsdelegation in die Türkei anführen sollen. Keystone

Die für September geplante Reise von Wirtschaftsminister Joseph Deiss ist von der Türkei abgesagt worden.

Ankara begründet die Absage mit terminlichen Problemen, während man in der Schweiz den Grund in der Armenien-Frage vermutet.

Das türkische Aussenministerium in Ankara teilte dem Schweizer Botschafter vor drei Tagen mit, dass der für September geplante Türkei-Besuch von Wirtschaftsminister Joseph Deiss aus «terminlichen Gründen» nicht stattfinden könne. Dies berichten die Schweizer Zeitungen «Tages Anzeiger» und «Le Temps».

In der Schweiz vermuten viele, die Ausladung sei auf Grund der Vernehmung des türkischen Politikers Doğu Perinçek durch den Winterthurer Staatsanwalt Rolf Jäger geschehen. Perinçek hatte in der Schweiz öffentlich den Völkermord an den Armeniern geleugnet. Dies ist ein Verstoss gegen die Antirassismus-Strafnorm.

Heftige Kritik aus der Türkei

Die Sprecherin der türkischen Botschaft in Bern, Sibel Gal, betont gegenüber swissinfo: «Dies hat nichts mit der Befragung von Herrn Perinçek, dem Führer der Arbeiterpartei, zu tun.» Es seien Terminprobleme von Deiss› Amtskollege Kürsal Tüzmen. Gal sagt weiter, dass es sich bei der Absage der Reise nicht um eine Annulierung handle.

Die Ermittlungen haben in der Türkei heftige Kritik ausgelöst. Nachdem der Schweizer Botschafter in Ankara, Walter Gyger, ins Aussenministerium bestellt worden war, liess sich der türkische Botschafter in Bern, Alev Kiliç, auf eigenen Wunsch im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Situation aus Schweizer Sicht erklären.

Irritierte Schweizer Aussenpolitiker

Das EDA weist auch darauf hin, dass der Bundesrat die tragischen Deportationen und Massaker an Armeniern in der Endphase des Osmanischen Reiches immer verurteilt habe. Es sei aber vor allem Aufgabe der historischen Forschung, Licht in die damaligen Ereignisse zu bringen.

Gemäss dem «Tages Anzeiger» sind Schweizer Aussenpolitiker «irritiert» über die Haltung der Türkei. Die Präsidenten der beiden aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments betonten jedoch, die Schweiz dürfe vor der Türkei nicht in die Knie gehen.

Signale aus der Türkei

Weiter seien angeblich bereits im Mai dieses Jahres aus Ankara Signale gekommen, die Reise von Deiss könnte in Gefahr sein, als in der Schweiz ein Verfahren gegen den türkischen Historiker Yusuf Halacoglu eröffnet wurde.

Zudem war vor zwei Jahren Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ausgeladen worden, nachdem das Parlament des Kantons Waadt den Genozid an den Armeniern im Umfeld des Ersten Weltkrieges anerkannt hatte.

In der Schweiz hat auf Bundesebene nur der Nationalrat den Armenier-Genozid offiziell anerkannt. Dies hat aber keinen Einfluss auf die rechtliche Praxis: Gemäss Antirassismus-Gesetz werden nicht nur Genozide, sondern allgemein «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» geahndet.

swissinfo und Agenturen

Zwischen 800’000 und 1’800’000 Armenier sind beim Völkermord durch die Türkei zwischen 1915 und 1919 ums Leben gekommen.
Aus historischer Sicht ist der Genozid an den Armeniern belegt und von 13 nationalen Parlamenten anerkannt (Frankreich, USA, Russland, Italien, …).
Die UNO hat den Völkermord 1985 anerkannt, das Europäische Parlament 2 Jahre später.
2003, hat in der Schweiz der Nationalrat, die Grosse Kammer, den Genozid an den Armeniern anerkannt.
Die Schweizer Regierung spricht nicht explizit von «Völkermord» oder «Genozid», jedoch von «tragischen Ereignissen», «Massendeportationen» und «Massakern».

Zwischen der Türkei und der Schweiz sind Spannungen aufgetreten, die mit der Annulierung der geplanten Reise von Wirtschaftsminister Joseph Deiss im September gipfeln.

Die Türkei stösst sich an der Befragung eines türkischen Politikers durch Schweizer Behörden, der gegen die Antirassismus-Strafnorm verstossen haben soll.

Doğu Perinçek hat in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern im Umfeld des Ersten Weltkiregs bestritten.

Zwischen 800’000 und 1’800’000 Armenier sind durch die Türkei zwischen 1915 und 1919 umgebracht worden.
Aus historischer Sicht ist der Genozid an den Armeniern belegt und von 13 nationalen Parlamenten anerkannt (Frankreich, USA, Russland, Italien, …).
Die UNO hat den Völkermord 1985 anerkannt, Das Europäische Parlament 2 Jahre später.
2003, hat in der Schweiz der Nationalrat den Genozid an den Armeniern anerkannt.
Die Schweizer Regierung spricht nicht explizit von «Völkermord» oder «Genozid», jedoch von «tragischen Ereignissen», «Massendeportationen» und «Massakern».

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft