Der Fürst und das UFO, das Richtung Schweiz verschwand
Fürst Hans-Adam II., Staatsoberhaupt von Liechtenstein, glaubte jahrzehntelang, dass Ausserirdische die Erde besuchen. Die Tagebücher des Astrophysikers Jacques Vallée geben Einblicke in eine Fürstenfamilie, bei der UFO-Sichtungen und dunkle Verschwörungstheorien häufiges Tischgespräch waren.
Gibt es Ausserirdische? Und besuchen sie die Erde? Die uralte Frage – «Sind wir allein?» – beschäftigt viele Menschen, auch Staatsoberhäupter und Unternehmer. Das UFO-Thema hat in den vergangenen Jahren gar ein Revival erlebt. Das hat auch mit Berichten der «New York Times»Externer Link zu einem geheimen UFO-Forschungsprogramm des Pentagons zu tun.
Das Medieninteresse machte auf Prominente aufmerksam, welche dem Phänomen nachspüren: Zum Beispiel den früheren US-Musiker Tom DeLonge, der mit seiner «To The Stars AcademyExterner Link» angebliche UFO-Wrackteile untersucht oder den Raumfahrt-Unternehmer und Nasa-Partner Robert Bigelow, der in einem Interview mit CBS sagte, dass er überzeugt sei, dass es eine «ausserirdische Präsenz auf der ErdeExterner Link» gäbe.
In den unzähligen Medienberichten im In- und Ausland ging bislang unter, dass auch Hans-Adam II., das Staatsoberhaupt von Liechtenstein, jahrzehntelang die internationale UFO-Forschung sponserte und dabei enge Kontakte zu Leuten wie Robert Bigelow pflegte. Dass der verschwiegene Fürst an UFOs und Ausserirdische glaubt, ist seit längerem bekannt.
Doch Details gelangten nie an die Öffentlichkeit. Und womöglich wäre es so geblieben, hätte nicht ein französischer Astrophysiker namens Jacques Vallée während Jahrzehnten akribisch Tagebuch geführt.
«Verbotene Wissenschaft»
ValléeExterner Link gilt als Lichtgestalt der UFO-Forschung und eine der wenigen glaubwürdigen Quellen in einem Forschungsfeld, das von den etablierten Wissenschaftlern belächelt wird. Der Franzose ist ausserdem Tech-Financier im Silicon Valley und Mitbegründer des Internet-Vorläufers Arpanet.
Er referierte mehrmals im Rahmen der bekannten TED-Talk-Reihe, einem Forum, wo prominente Denker über ihre Forschungsfelder sprechen – im Jahr 2013 auch in GenfExterner Link.
Seine «Forbidden Science»-Tagebücher geben detaillierte und teils schonungslose Einblicke in die kuriose Welt der UFO-Forschung. Es ist eine Welt, in der Hobby-Forscher, Regierungsbeamte und angebliche Alien-Kontaktpersonen um die Deutungshoheit ringen.
Wo Gerüchte, Mythen und Betrügereien allgegenwärtig sind und abtrünnige Wissenschaftler um die Gunst von Millionären buhlen, damit sie ihre UFO-Obsession ausleben können. In dieser Welt bewegte sich – als faszinierter Financier – auch Hans-Adam II., der heute 75-jährige Fürst von Liechtenstein.
Eine Familientradition
Die Tagebücher von Jacques Vallée beginnen 1957, die jüngste Ausgabe reicht bis 1999. Der Fürst von Liechtenstein taucht vor allem in Vallées Aufzeichnungen aus den 80er- und 90er-Jahren auf. In einem Eintrag vom November 1989 beschreibt Vallée einen Besuch auf Schloss Vaduz.
«Wir assen im kleineren Speisesaal mit der Familie zu Mittag: der Frau des Fürsten, seiner Schwester, zwei seiner Kinder. Der Kaffee wurde in einem Salon serviert», protokollierte Vallée nüchtern. Die Gespräche über UFOs und andere «paranormale Phänomene» hätten bis tief in die Nacht gedauert.
Hans-Adam II. soll als Bub ein UFO beobachtet haben – so steht es an anderer Stelle. Ein UFO-Forscher namens Dick Haines erzählte Vallée von einem Gespräch mit dem Monarchen. Dieser habe erzählt, wie er damals vom Schlossgarten aus beobachtete, dass ein UFO hinter den Bäumen verschwand und Richtung Schweiz flog.
Gegenüber Vallée selbst berichtete der Fürst, dass eine UFO-Sichtung seiner Tante in München in den 1950er-Jahren sein Interesse für das Thema geweckt habe. Auch ein Cousin soll eine UFO-Begegnung gehabt haben, wie in einer anderen Notiz vom November 1989 zu lesen ist.
Gemäss den Aufzeichnungen Vallées zahlte Hans-Adam II. viel Geld an Einzelpersonen und Gruppierungen, welche das UFO-Phänomen untersuchten. Ein Grossteil des Sponsorings floss in die USA und ging an Forschertreffen und Studien.
Zum Beispiel gab Hans-Adam II. Anfang der 90er-Jahre zusammen mit Robert Bigelow eine Studie für 200’000 US-Dollar in Auftrag, welche feststellen sollte, wie viele US-Amerikaner von Ausserirdischen entführt worden waren.
Jagd auf neue Antriebssysteme
Die US-Journalistin Sarah ScolesExterner Link, die unter anderem für die US-Technologie-Magazine «Wired» und «Popular Mechanics» schreibt, hat in den letzten Jahren die Gemeinde der UFO-Gläubigen eingehend untersucht. Ihre Erfahrungen fasste sie in einem kürzlich veröffentlichten Buch mit dem Titel «They Are Already Here: UFO Culture and Why We See Saucers» zusammen.
«Es wird heute ernsthafter über UFOs gesprochen und geschrieben als früher», sagt Scoles zu swissinfo.ch. «Sie tauchen in renommierten Medien auf und werden zumindest in den USA in den Briefings von Politikern besprochen.» Die Enthüllungen der «New York Times» zu einem UFO-Programm des Pentagons hätten dies bewirkt. «Wenn das US-Verteidigungsministerium UFOs ernst nimmt, verleiht das dem Thema eine gewisse Legitimität.»
Gerade in den USA würden sich viele Menschen ernsthaft mit UFOs auseinandersetzen. Spinner gäbe es, natürlich, doch viele würden nüchtern und ernsthaft versuchen, das «Rätsel zu lösen». «Die meisten wollen Beweise sammeln», sagt sie, «andere, zum Beispiel Robert Bigelow, untersuchen UFOs, um neue Technologien für die Luft- und Raumfahrt zu gewinnen», sagt Scoles.
Das trifft offenbar auch auf den Fürsten von Liechtenstein zu. Gemäss den Tagebüchern von Vallée wollte auch Hans-Adam II. das UFO-Phänomen untersuchen, um neue Arten von Energiequellen und Antrieben zu finden. Der Fürst glaubt demnach, dass die UFOs von fernen Planeten stammen und von technologisch hochentwickelten Ausserirdischen gesteuert werden.
Dunkle Verschwörungstheorien
Doch der streng katholische Hans Adam II. fürchtete sich auch vor ihnen. «Es gibt eine ausserirdische Macht, welche die Bestrebungen der Menschen, den Weltraum zu erobern, überwacht und kontrolliert», zitierte Jacques Vallée das Staatsoberhaupt in einem Eintrag.
Es habe zudem den «Anschein, dass eine Rasse von genetisch degenierten Aliens die Erde besucht, um gesunde Menschen zu holen, damit sie sich heilen können», soll der Fürst gemäss Tagebucheintrag von 1989 spekuliert haben.
Klingt nach dunklen Verschwörungstheorien. Gemäss Sarah Scoles sind solche Ansichten heute bei UFO-Gläubigen wenig verbreitet. «Die meisten bevorzugen einfach die Alien-Hypothese. Das heisst, sie glauben, dass UFOs von Ausserirdischen stammen. Das scheint für Robert Bigelow zu gelten, und es scheint auch für Tom DeLonge zu gelten.» Andere, etwa Jacques Vallée, hätten sich da weniger festgelegt. «Sie wollen herauszufinden, woher das Phänomen stammt.»
Wie schätzt Scole des Fürsten Diskussionspartner Jacques Vallée ein? Sie habe sich während ihren Recherchen nicht speziell mit Vallée beschäftigt, aber er werde «gerade in der amerikanischen UFO-Community sehr respektiert», sagt sie.
Sie selbst stehe in «keinem dieser Lager», sagt Journalistin Scoles. «Ich bleibe da eher skeptisch. Ich denke, dass Leute Dinge am Himmel sehen, die sie selbst nicht erklären können, und dass es UFO-Sichtungen gibt, die anhand vorhandener Daten niemand erklären kann. Aber ich frage mich, ob diese Sichtungen erklärt werden könnten, wenn es mehr Daten dazu gäbe. Ich weiss es nicht…»
Was das Staatsoberhaupt Liechtensteins heute über UFOs denkt, ist unbekannt. Sponsert er weiterhin Projekte? Was sagt der zurückhaltende Fürst zu seiner Darstellung in Vallées Tagebüchern? Und wie denkt er über die aktuellen Enthüllungen zum UFO-Programm des US-Militärs? Diese Fragen wollte swissinfo.ch dem Fürsten stellen. Sein Sekretariat teilte mit, dass «S.D. der Fürst davon absehen möchte, zu diesem Thema ein Interview zu geben».
Hans-Adam II. lebt heute in Wien. 2004 übertrug er seinem Sohn Alois die Ausübung der fürstlichen Hoheitsrechte, blieb aber Staatsoberhaupt Liechtensteins. Seither widmet er sich der Verwaltung des Familienvermögens, das gemäss «Bilanz» auf 9 und 10 Milliarden Franken geschätzt wird. Hätte er seinen Beruf selbst wählen können, wäre er wohl Physiker oder Archäologe geworden, sagte der Fürst im vergangenen November dem «Liechtensteiner Vaterland».
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