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Paketdiebstähle in der Westschweiz nehmen zu

Die Weihnachtszeit bedeutet nicht nur Hochkonjunktur für die Lieferdienste, sondern auch eine Zunahme der Paketdiebstähle. In der Westschweiz bereitet dieser Trend zunehmend Sorgen.

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Im Dezember durchlaufen täglich bis zu eine Million Pakete die Logistikzentren der Schweizerischen Post. Doch nicht alle erreichen ihr Ziel. Jedes Jahr verschwinden über 20’000 Pakete.

In der Westschweiz wurden im letzten Jahr 2500 Paketdiebstähle bei der Polizei angezeigt. Im Kanton Waadt hat sich die Zahl der Diebstähle im Vergleich zu 2022 sogar verdoppelt.

In Genf, Freiburg, Neuenburg und Bern betrug die Zunahme zwischen 30 und 50 Prozent, während die Zahlen im Wallis und im Jura unverändert blieben.

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Diese Statistiken zeigen jedoch nur einen Teil der Realität, da die Betroffenen in vielen Fällen keine Anzeige erstatten.

Gelegenheit macht Diebe

Christelle aus Prilly im Kanton Waadt wurde mehrmals bestohlen. «Ich habe im Sommer einen Fotoapparat bestellt. Die Lieferung wurde vom Spediteur bestätigt, aber als ich nach Hause kam, musste ich feststellen, dass mein Briefkasten leer war», erzählt sie in der Sendung «Mise au point» des Westschweizer Fernsehens RTS.

Hinzu kommt eine weitere Enttäuschung für ihren Lebensgefährten Valentin, der seine Kontaktlinsen im Wert von über 200 Franken nie in Empfang nehmen konnte: «Wer stiehlt so etwas? Vielleicht gibt es einen Schwarzmarkt für Kontaktlinsen, aber das bezweifle ich. Umso ärgerlicher ist es, wenn es sich um etwas Notwendiges handelt», bedauert Christelle.

Unbeaufsichtigte Pakete

Ein Grossteil der gestohlenen Pakete wird direkt aus Briefkästen oder vor Wohnungstüren und Häusern gestohlen.

«Es ist mir schon passiert, dass ich Leute im Rückspiegel sah und dachte, ich hätte sie schon zwei Häuser weiter vorn beobachtet», erzählt Loïc Monneret, Paketzusteller in der Region Yverdon.

«In diesem Fall sollte man nicht zögern, die Initiative zu ergreifen und sich zu entfernen, um sie abzuschütteln. Und wenn wir wirklich eine klare, eindeutige und präzise Meldung haben, rufen wir die 117 und unsere Vorgesetzten an, damit wir handeln können», sagt er.

Für David Guisolan, Kommunikationsverantwortlicher bei der Waadtländer Polizei, gibt es kein typisches Diebesprofil.

«Es kann der Nachbar im Stockwerk sein oder eine Bewohnerin des Quartiers. Wahrscheinlich gibt es auch Netzwerke, die es vor allem auf Informatikmaterial abgesehen haben.»

Angesichts dieser Plage rät die Polizei, sich die Ware persönlich liefern zu lassen und ein Paket nie unbeaufsichtigt vor der Haus- oder Wohnungstür stehen zu lassen.

Auf dem Weg zur Verantwortlichkeit der Verkaufsplattformen und Lieferdienste?

Für die Kundschaft ist der derzeitige Rechtsrahmen nicht sehr vorteilhaft. Aurélie Gigon, Rechtsberaterin bei der «Fédération romande des consommateurs» (FRC), sagt: «Die Käuferin oder der Käufer ist ab dann verantwortlich, wenn das Paket geliefert wurde.»

Und da es den Transportunternehmen freisteht, ein Paket an einem Ort zu hinterlegen, der als «sicher» gilt, werden viele Sendungen an offenen, für alle zugänglichen Orten zurückgelassen, was besonders reizvoll für Diebe ist.

Diese Situation ist für die FRC inakzeptabel, weshalb sie über ihre Generalsekretärin Sophie Michaud Gigon in Bern einen parlamentarischen Vorstoss eingereicht hat, um den gesetzlichen Rahmen zu ändern.

«Unserer Meinung nach sollte das Risiko in dem Moment auf die Konsumentin oder den Konsumenten übergehen, in dem sie oder er den Erhalt der Ware bestätigt hat. Dies ist im europäischen Recht und im Bereich des internationalen Warenhandels bereits vorgesehen», sagt Aurélie Gigon. Der Vorschlag wurde vom Bundesrat noch nicht behandelt.

Rückerstattungen von Fall zu Fall

In der Zwischenzeit können sich die geschädigten Kundinnen und Kunden nur auf ihre Versicherungen mit oft hohen Selbstbehalten oder auf die Grosszügigkeit der Händler verlassen. Einige, wie der Online-Shop «QoQa», zeigen sich kulant. Andere bleiben unnachgiebig.

«Jede Verkaufsplattform hat ihre eigenen Praktiken. Was passieren kann und leider auch legal ist: Der Verkäufer kann sich aus der Affäre ziehen, indem er erklärt, dass er die Ware verschickt hat und es nicht mehr sein Problem sei», sagt Pascal Meyer, Gründer von «QoQa».

«Bei ‹QoQa› ziehen wir es vor, gemeinsam mit der Schweizerischen Post zu ermitteln. Wenn wir feststellen, dass ein Diebstahl vorliegt, erstatten wir den Kaufpreis oder schicken das Paket noch einmal. Diese Massnahme geht jedoch zu 100% zu Lasten des E-Commerce-Anbieters», erklärt er.

In dieser Zeit, in der unzählige Geschenke auf Reisen gehen, ist es also besser, die Lieferung nicht zu verpassen. Mehr als 200 Millionen Pakete werden jedes Jahr von der Schweizerischen Post und ihren Konkurrentinnen befördert.

Das sind alles potenzielle Ziele für Kriminelle, die wie die Zustellenden in der Vorweihnachtszeit ihre Anstrengungen verdoppeln.

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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