Prime-Energy-Konkurs: Zwischen dem falschen Versprechen «100% grün» und der Vergütung von Bertrand Piccard
Während Hunderte von Sparenden in der Westschweiz von den Versprechungen der inzwischen bankrotten Firma Prime Energy angelockt wurden, um in Photovoltaikanlagen zu investieren, enthüllt RTS: ein Sechstel ihres Geldes wurde in Wirklichkeit in Immobilien investiert.
Die Sendung «Mise au Point» lüftet auch das Geheimnis um die Entschädigung von Bertrand Piccard, der während fast zehn Jahren als Botschafter für das Unternehmen tätig war. Vorgesehen waren 100’000 Franken pro Jahr sowie Anteile an der Gesellschaft.
Der Konkurs kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Seit 2011 hatte Prime Energy Cleantech (PEC) alles, was eine Erfolgsgeschichte ausmacht. Ihr Credo lautete: glaubwürdige, zuverlässige und rentable erneuerbare Energien.
Sie verkaufte grüne Anleihen an Privatpersonen, um die Installation von Photovoltaikanlagen in der Schweiz und in Europa zu finanzieren.
Insgesamt sammelte sie rund 122 Millionen Franken bei rund 2000 Anlegerinnen und Anlegern, vor allem in der Westschweiz. Einige von ihnen haben einen grossen Teil ihrer Rente in das Unternehmen investiert, besonders weil sie sich durch die Präsenz von Piccard in diesem Abenteuer und das von seiner Stiftung Solar Impulse verliehene Gütesiegel beruhigt fühlten.
Im Oktober wurde jedoch wider Erwarten keine Dividende ausgeschüttet. Die Geschäftsleitung informierte die Kundschaft über eine Liquiditätskrise. Ein Konkursverfahren wurde eröffnet, das die Ersparnisse der Anlegerinnen und Anleger mit sich zu reissen droht.
Schnell wird ein Mann an den Pranger gestellt: der Gründer und Mehrheitsaktionär von PEC, Laurin Fäh. Er wird unter anderem von Piccard beschuldigt, die Kasse geleert zu haben.
Der Basler Geschäftsmann, der in der Sendung «Mise au Point» befragt wurde, bestreitet heute jegliche Verantwortung. «Ich habe mir nichts vorzuwerfen», sagt er. «Dummheit wird vom Gesetz nicht bestraft.»
Was Fäh als «Dummheit» bezeichnet, ist eine massive Anleihe von 19,5 Millionen Franken, die er bei seiner eigenen Firma PEC aufgenommen hatte, um sie in eine andere seiner Firmen, die Bargella AG, zu investieren. Dieses Darlehen sei bis heute nicht zurückgezahlt worden.
Verdächtiges Darlehen
Für Maximilien Roche, Berater für Integrität und Untersuchungen, ist dieser Geldfluss an den Firmeninhaber alles andere als harmlos.
«Das ist eine sehr, sehr grosse Summe. Und es ist ein Kredit von einer Firma an eine Person, die dieses Geld an eine andere Firma weitergibt. Es ist eine ziemlich indirekte Kette der Geldweitergabe. Und je mehr Mittelsleute man schafft, desto mehr Möglichkeiten schafft man, in Zahlungsverzug und damit in die Insolvenz zu geraten», sagt er.
Fäh versichert, dass er das Geld nur zum Wohl der PEC angelegt habe. «Wir haben in eine Firma in Luxemburg investiert, die auf den Bau von neuen Gebäuden und Wohnungen spezialisiert ist, die sofort verkauft werden können und sehr, sehr gute Margen haben», sagt er.
Rund 19,5 Millionen der 122 Millionen Franken, welche die Anlegerinnen und Anlegern einbezahlt haben, sollen demnach entgegen den Versprechungen des Unternehmens in Immobilien geflossen sein.
Vor der Abschaltung der PEC-Website wurde versichert, dass die Investitionen «vollumfänglich für den Ausbau des Solarkraftwerkparks» verwendet würden.
Fäh wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, seine Gläubigerinnen und Gläubiger getäuscht zu haben. «Es ist gefährlich, das ganze Geld in Solarenergie zu stecken», sagt er und erklärt, Solarenergie sei «komplizierter zu verkaufen als eine Immobilie».
Ausserdem könne man mit Immobilien mehr Geld verdienen. «Das Gebäude ist viel mehr wert als die Solaranlage», sagt er.
Die Folgen des Klimawandels hätten sich negativ auf den Wert der Photovoltaikproduktion ausgewirkt. «Entgegen unseren Erwartungen hatten wir mehr Regen und weniger Sonnenschein», sagt er.
Geschäftsmodell in Frage gestellt
Wenn der Kredit des Eigentümers von PEC die Insolvenz ausgelöst hat, stellt sich eine weitere Frage: Seit wann wussten die Manager, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten war, und wie weit haben sie das Loch durch den Verkauf von Anteilen vergrössert?
Als Roche die Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens durchging, fiel ihm ein Detail auf, das darauf hindeuten könnte, dass «die Probleme schon länger bestanden».
«Wir haben keine abgeschlossene Bilanz zum 31. Dezember 2023. Wir haben eine zum 31. Dezember 2022 und die nächste ist vom 30. Juni 2024», sagt er.
«Was hat den Abschluss verhindert? Wenn das Unternehmen 2022 oder 2023 schon dem Untergang geweiht war und trotzdem nicht nur weiter gearbeitet, sondern auch noch Geld beschafft hat, ist das fragwürdig», meint der Experte.
Bertrand Piccard ist seit März informiert
Khalid Belgmimi, Generaldirektor und Verwaltungsratspräsident von Prime Energy, wollte auf Anfrage von RTS nicht auf diese Fragen antworten. Was wusste Bertrand Piccard, der Imageträger des Unternehmens, über das bevorstehende Debakel?
Der Forscher hat seit 2015 gegen Bezahlung die Vorzüge von Prime Energy angepriesen. Am 30. Oktober erklärte er an einer Krisensitzung der Investorinnen und Investoren in Genf, er sei auch getäuscht worden.
«Wir leben in einer katastrophalen Zeit. Ich bin auch ein Investor. Ich habe zur gleichen Zeit wie Sie von der Insolvenz erfahren», sagte er. Er fügte hinzu, dass sein Sponsorenvertrag ihm keinen Zugang zum Management oder zur Verwaltung des Unternehmens gegeben habe.
Am Montag enthüllte die Tageszeitung Tribune de Genève jedoch, dass Piccard bereits im März letzten Jahres über die Probleme des Unternehmens informiert worden war. Zu diesem Zeitpunkt wäre sein Botschaftervertrag ausgelaufen.
Die Frage bleibt, wie viel er seit 2015 für seine Rolle als Imageträger erhalten hat. Laut vertraulichen Dokumenten, die RTS einsehen konnte, war eine Entschädigung von 100’000 Franken pro Jahr vorgesehen.
Dazu kamen mehrere hunderttausend Franken in Form von Aktien und Obligationen des Unternehmens. Zu diesen Beträgen wollte er sich auf Anfrage nicht äussern, da es sich um eine Privatangelegenheit handle.
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