Schweizer Armee: Lieber neue Waffen statt schnittiger Auftritt
Wie in den meisten westlichen Ländern lautet auch in der Schweiz die Devise der öffentlichen Hand: Sparen. Dieser Trend betrifft auch die Armee, obwohl das Gesamtbudget erhöht wurde. Ein Opfer dieses Sparkurses ist die Ausgangsbekleidung.
Touristinnen und Touristen, die durch die Schweiz reisen, sind manchmal überrascht, wenn sie in Zügen oder Restaurants Armeeangehörige in Tarnanzügen sehen.
Solche Szenen werden wohl noch häufiger vorkommen, denn die Schweizer Armee sieht ihre Zukunft fast ausschliesslich im Kampfanzug.
Zu Jahresbeginn ist es üblich, gute Vorsätze zu fassen. Für die Armee ist das offensichtlich Sparen. So wurde am 7. Januar in einer Pressemitteilung bekanntgegebenExterner Link, dass die Gruppe Verteidigung beschlossen hat, keine Ausgangsuniformen mehr an alle Angehörigen der Armee auszugeben.
«Künftig werden nur noch jene Armeeangehörigen mit der Ausgangsuniform ausgerüstet, welche sie zu Repräsentationszwecken benötigen», heisst es in der Mitteilung. Dies geschehe «aus Spargründen».
Diese «Repräsentationszwecke» betreffen zum Beispiel die Militärmusik oder die Offiziersordonnanzen.
Die Ausgangsanzüge der Schweiz Armee Uniform werden in Asien und Osteuropa hergestellt und kosten pro Stück rund 330 Franken. Der Anzug wird gegenwärtig jährlich an rund 1500 Personen abgegeben, heute sind rund 20’000 im Einsatz. Die Abgabe an alle Rekrutinnen und Rekruten verursacht jährliche Kosten von rund 5,2 Millionen Franken.
«Erfolgt die Abgabe nur bedarfsorientiert an jene, die Repräsentationsaufgaben wahrnehmen, können bis 2035 bis zu 55 Millionen Franken gespart werden», heisst es in der Medienmitteilung.
Der Beschluss wurde sofort umgesetzt. In der diese Woche begonnenen Winterrekrutenschule wurden keine Ausgangsuniformen mehr ausgegeben.
Die Ausgangsuniformen, die sich derzeit im Besitz von Angehörigen der Armee befinden, müssen spätestens am Ende des Militärdiensts zurückgegeben werden. Sie werden zur weiteren Verwendung eingelagert oder vernichtet.
Der allgegenwärtige Tarnanzug
Früher trug man in der Regel eine einzige Uniform für alle Gelegenheiten. Doch der Einsatz von Waffen, die immer weiter, schneller und präziser schossen, hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung der Uniformen.
Die erste Entwicklung war die Abkehr von den grellen Farben, an denen man schon von weitem zu erkennen war. Nun musste man unauffällig sein, um dem feindlichen Feuer zu entgehen.
Die Uniformen wurden daher gedeckter und in Graugrün, Khaki, Oliv oder Himmelblau gehalten. Die Schweizer Armee folgte diesem Trend im Ersten Weltkrieg und wechselte von Dunkelblau zu Graugrün.
Der Zweite Weltkrieg löste eine weitere Entwicklung aus, als immer häufiger Tarnanzüge verwendet wurden, die es ermöglichten, mit dem umgebenden Gelände zu verschmelzen. Die Schweizer Armee stellte sich auf diese neue Mode um, indem sie 1957 den ersten Tarnanzug (der sogennante Kämpfer) einführte.
Normalerweise wird der Tarnanzug für das Einrücken und den Dienst selbst verwendet, während die Ausgangsuniform für die Urlaubs- und Entlassungsphasen genutzt wird.
Über Geschmack lässt sich streiten…
In der Praxis wird der «Ausgänger», auch Tenü A genannt, jedoch immer seltener getragen, vor allem im Rahmen von Wiederholungskursen. Der Entscheid, die Uniform abzuschaffen, kam deshalb Anfang Januar nicht ganz überraschend.
In einem Land, in dem ein grosser Teil der Bevölkerung – zumindest der männlichen – in der Schweiz Armee Uniform dient oder gedient hat, ist dieser Entscheid der Armee auch in der Öffentlichkeit ein Thema.
Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. In den Medien finden sich mehrere Kommentare, in denen die Uniformen als «hässlich», «schlecht geschnitten» und «unpraktisch» bezeichnet werden. Andere Kommentare äussern sich eher nostalgisch und ironisch über das «Sparen am falschen Ende».
Auch bei den Armeekadern sind die Meinungen geteilt. «Ich denke, das ist eine gute Nachricht», sagte Guillaume Genoud, Präsident der Milizverbände des Kantons Genf, gegenüber Radio RTS.
«Es ist Geld, das für dringendere Ausgaben im Rahmen der aktuellen Bedrohungslage verwendet werden kann. Diese Kleidung wird immer seltener getragen, normale Soldatinnen und Soldaten werden froh sein, sie loszuwerden.»
In privaten Gesprächen wird der Ton allerdings manchmal kritischer. So sagte mir ein Hauptmann der Infanterie: «Es ist schade. Am Tenü kann man sofort erkennen, ob eine Person im Urlaub oder im Dienst ist.»
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«Zum Wohl der Verteidigung»
Generell steigt das Budget der Armee. Das Parlament hat es im September für die Periode 2025-2028 um vier Milliarden Franken auf insgesamt 29,8 Milliarden Franken erhöht. Damit steigt das Militärbudget bereits bis 2030 auf 1% des BIP und nicht wie ursprünglich vorgesehen bis 2035.
Trotz dieser zusätzlichen Mittel will die Armee sparen. Nebst der Abschaffung der Ausgangsuniform kündigte sie an, bis 2030 weitere 210 Millionen Franken bei den Personalkosten einzusparen – ohne Entlassungen.
Und bereits im November hatte die Luftwaffe angekündigtExterner Link, als Beitrag an die Sparmassnahmen die Demonstrationseinsätze der Gruppe VerteidigungExterner Link zu reduzieren.
Ein Sparpaket bei einem wachsenden Budget mag seltsam erscheinen. Es erklärt sich aus der Sicherheitslage in Europa: «Die freiwerdenden Mittel sollen in die Ausrüstung der Armee fliessen und so die Verteidigungsfähigkeit stärken», erklärt die Gruppe Verteidigung in einer Pressemitteilung.
Die Absicht ist löblich, aber ob das Geld immer gut angelegt ist, bleibt abzuwarten. Ebenfalls Anfang Januar zeigt eine SRF-Recherche, dass neue Aufklärungsdrohnen, die in Israel gekauft wurden und 2019 in Dienst gestellt werden sollten, wegen eines technischen Defekts am Boden bleiben.
Von den sechs bestellten Drohnen sind erst vier geliefert worden und werden bestenfalls 2029 einsatzbereit sein.
Dieser Kauf hat einen Wert von 300 Millionen Franken, was mehr als 900’000 Ausgangsanzügen entsprechen würde.
Das Drohnenproblem in der Tagesschau von SRF vom 3. Januar:
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
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