Schweiz steht im Regen punkto Beliebtheit bei den Expats
Ernüchterung: Die Schweiz ist heute lediglich noch die Nummer 44. in der Rangliste der beliebtesten Länder für Expats. Eingezwängt zwischen Irland und Ungarn. Weshalb sich unsere Nachbarn aus dem Ausland bei uns nicht ganz so wohl fühlen.
Doch, es gibt sie, die Good News: In dem am Donnerstag veröffentlichten Index des «InterNationsExterner Link Expat Survey» 2018 schneidet die Schweiz erneut besonders gut ab in den Bereichen politische Stabilität (2. von 68 Ländern), Umweltqualität (3.), Reisemöglichkeiten und Verkehrsinfrastruktur (4.), Kindersicherheit (5.), Frieden (6.) und persönliche Sicherheit (9.).
Die schlechte Nachricht aber ist, dass sich die Eindrücke der in der Schweiz lebenden Expats in allen fünf für diese Gruppe gemessenen Bereichen verschlechtert haben: Lebensqualität, Eingewöhnung, Arbeit im Ausland, Familienleben und persönliche Finanzen.
«Die Schweiz hat in den letzten fünf Jahren 40 Plätze verloren. Das ist ein starker Rückgang», sagt Malte Zeeck, der deutsche Gründer und Co-Leiter von «InterNations». «Ich denke, der Hauptgrund dafür ist die Leichtigkeit, sich einzuleben. In dieser Hinsicht schnitt die Schweiz immer schlecht ab, aber jetzt liegt sie hier nur noch auf dem 65. Platz (knapp vor den Schlusslichtern Deutschland, Saudi-Arabien und Kuwait, die Red.) In der Schweiz sagen 37% der Expats, dass sie sich in der hiesigen Kultur nicht zu Hause fühlen. Im globalen Durchschnitt sind es nur 24%.»
Nur zwei Länder haben in diesem Jahr noch mehr Terrain eingebüsst: Rumänien und Schweden. Genau gleich wie der Schweiz erging es Hongkong.
Zeeck weist gegenüber swissinfo.ch weiter darauf hin, dass 62% der Expats angeben, es sei schwierig, in der Schweiz Freunde zu finden gegenüber 36% im weltweiten Schnitt. 26% fänden es gar «sehr schwierig», sich am neuen Ort mit anderen anzufreunden, gegenüber 13% weltweit.
Verschlossener Menschenschlag…
«Die Schweizer – so wird es zumindest wahrgenommen – ziehen es vor, unter ihren Freunden zu bleiben, die sie von der Universität, vom Militärdienst und aus anderen sozialen Kontexten kennen. Für Menschen, die aus dem Ausland kommen, scheinen sie dagegen nicht so offen», sagt er.
Während die Schweiz noch vor wenigen Jahren eine Traumdestination für karriere-orientierte Expats war, scheint der Glanz jetzt zu verblassen: Knapp ein Fünftel (19%) der Befragten zeigt sich unzufrieden mit ihren Arbeitsplätzen im Allgemeinen. 21% machen Abstriche betreffend Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und der Arbeitsplatzsicherheit. Gut ein Viertel ist mit ihren Karriereaussichten in der Schweiz unzufrieden.
Expat Insider 2018
Die Umfrage Expat Insider 2018 wurde von «InterNations» zwischen dem 15. Februar und dem 7. März 2018 online durchgeführt.
Die Zielgruppe waren alle Kategorien von Expatriates: ausländische Entsandte («Expats» im klassischen Sinne von Mitarbeitern im Unternehmenseinsatz) und Menschen, die aus verschiedenen anderen Gründen im Ausland leben und arbeiten, Mitglieder des Netzwerks «InterNations» und Expats im Allgemeinen.
Insgesamt nahmen 18’135 Expats teil. Sie repräsentierten 187 Länder.
Damit ein Land in einem der Indizes und im Gesamtranking aufgeführt werden kann, war eine Stichprobengrösse von mindestens 75 Umfrageteilnehmern pro Zielland erforderlich. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist der Family Life Index, bei dem eine Stichprobe von mindestens 40 Befragten, die mit Kindern im Ausland leben, erforderlich war.
(Quelle: InterNations)
Aber die grosse Mehrheit der Expats ist ja offenbar immer noch zufrieden und glücklich mit ihrem Job, den sie in der Schweiz haben.
«Absolut», stimmt Zeeck zu. «Es gibt immer wieder Menschen, die mit ihren beruflichen Perspektiven und Karrieremöglichkeiten nicht zufrieden sind. Es ist nur so, dass die Schweiz in den letzten fünf Jahren einiges an Boden verloren hat. Betreffend Karrierechancen lag sie 2014 auf Platz 14., jetzt auf Rang 37. Auch betreffend der allgemeinen Arbeitszufriedenheit ist sie vom 21. auf den 36. Platz gesunken. Es gibt also einen starken Rückgang, aber die Schweiz ist immer noch ein guter Platz zum Arbeiten.»
Hohe Löhne haben ihren Preis
Die Expats in der Schweiz sind ebenfalls unzufrieden mit Sprachbarrieren (51.), der Aufnahme (61.), der Freundlichkeit der Einheimischen (64.), dem Schliessen von Freundschaften (65.) und den Lebenshaltungskosten (67.).
«Auf der einen Seite werden die Lebenshaltungskosten als sehr hoch empfunden», sagt Zeeck. «Mehr als 65% halten die Lebenshaltungskosten in der Schweiz für zu hoch, verglichen mit 31% auf globaler Ebene. Das ist also definitiv eine Herausforderung. Auf der anderen Seite sehen wir, dass das verfügbare Haushaltseinkommen in der Schweiz viel höher ist als in anderen Regionen der Welt: 60% sagen, dass sie mindestens 100’000 Dollar zur Verfügung haben (97’500 Schweizer Franken), verglichen mit einem globalen Durchschnitt von nur 24%.»
Darüber hinaus hat das Land die bisher schlechtesten Ergebnisse im Bereich Familienleben erzielt: Hier sank die Schweiz von Platz 14 im Jahr 2014 auf den 34. Platz. Die grössten Mängel der Schweiz haben einen Namen: Kinderbetreuung. Hier machten bis fast 75% der Expats negative Erfahrungen.
Anders sieht es in Bahrain aus, wo die Expats auf breiter Front zufrieden sind. Damit verteidigte der kleine Golfstaat seine Position als beliebtestes Auswanderungsziel der Welt vor Taiwan und Ecuador. Am Ende der Rangliste befanden sich Indien, Saudi-Arabien und Kuwait.
Zur Methode: Um in der Gesamtrangliste aufgeführt zu werden, waren mindestens 75 Expats pro Land erforderlich, die an der Umfrage teilnahmen.
Abwärtsspirale?
Was kann die Schweiz tun, um ihre Position zu verbessern?
«Was sich nur schwer ändern lässt, ist die Kultur der Gastfreundlichkeit und der Gastfreundschaft, denn von Natur aus sind Schweizer, Deutsche und Österreicher einfach nicht so warmherzig, offen und freundlich wie Lateinamerikaner, Spanier oder Portugiesen», sagt Studienleiter Malte Zeeck.
«Es hilft sehr, Menschen aus anderen Ländern willkommen zu heissen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit anderen Worten: offen für neue Freundschaften zu sein. Aber es ist nicht so, dass die Regierung dies beeinflussen könnte.»
Für das nächstjährige Ranking erwartet Zeeck, dass die Schweiz nicht noch weiter abrutscht. Aus dem schlichten Grund, «weil nur noch Kuwait und Saudi-Arabien hinter ihr liegen».
Aber die Schweiz habe wirklich einige grosse Stärken, wo sie stets sehr gut abschneide. Zeeck nennt Wirtschaft, Umwelt, Sicherheit und Stabilität, Gesundheit und medizinische Versorgung. «Ich hoffe, der Trend geht zurück in die andere Richtung.» Also aufwärts.
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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