Der Kampf um die Steuerhürden
Befürworter:innen wollen Hindernisse bei der Unternehmensfinanzierung beseitigen. Gegner:innen warnen vor den Folgen: Am 25. September entscheidet das Stimmvolk über die Verrechnungssteuervorlage.
Worum geht es?
Unternehmen und Institutionen, die sich um externe Finanzierung bemühen, stossen in der Schweiz auf steuerliche Hürden. Eine erste Steuer wird auf Anleihen erhoben, also Wertpapiere, die eine Firma ausgibt, wenn sie sich Geld leihen möchte. Die Anleger:innen leihen einen bestimmten Betrag und erhalten dafür bis zur Rückzahlung eine regelmässige Rendite. Diese Zinsen sind in der Schweiz mit einer Verrechnungssteuer von 35% belegt. Damit soll Steuerhinterziehung verhindert werden. Später kann die Abgabe ganz oder teilweise zurückerstattet werden.
Darüber hinaus werden der Kauf und Verkauf von Wertpapieren (Anleihen und Aktien) durch Schweizer Händler – wie Banken, Vermögensverwalter, aber auch Vorsorgeeinrichtungen und öffentliche Körperschaften – mit einer Steuer belegt. Diese Umsatzabgabe beläuft sich auf 1,5% für inländische und 3,0% für ausländische Wertpapiere.
Nun steht die AbschaffungExterner Link dieser beiden Steuern zur Debatte. Das Stimmvolk wird darüber am 25. September entscheiden.
Was ist das Ziel der Reform?
Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments sind der Ansicht, dass die Verrechnungssteuer Schweizer Anleihen unattraktiv macht, weil andere Staaten keine vergleichbaren Abgaben kennen. Zudem kommen sie zum Schluss, dass inländische Konzerne diese Steuerlast umgehen, indem sie ihre Anleihen über ausländische Unternehmen ausgeben. Dasselbe gelte für die Umsatzsteuer: Die Steuer bewirke, eine Verschiebung zu Wertpapierhändlern im Ausland.
Durch die Abschaffung wollen Bundesrat und Parlament den Unternehmen ermöglichen, wettbewerbsfähige Schweizer Anleihen auszugeben. Das soll den Schweizer Markt ankurbeln.
Wer hat das Referendum ergriffen?
Die SP, Grüne und die Gewerkschaften haben die für eine Volksabstimmung notwendigen 50’000 Unterschriften gesammelt. Sie erinnern daran, dass die Verrechnungssteuer eingeführt wurde, um zu verhindern, dass Erträge aus Anleihen dem Fiskus entgehen. Die Abschaffung der Verrechnungssteuer würde ihrer Meinung nach «einen Freibrief für die Steuerkriminalität» vermögender Personen bedeuten.
Die Referendumsführer:innenExterner Link weisen darauf hin, dass die meisten Investor:innen keine Schritte zur Rückforderung der Verrechnungssteuer einleiten, was ihre Entschlossenheit zeige, jeglichen Kontakt mit den Steuerbehörden zu vermeiden. Die Abschaffung werde daher zu sofortigen Einnahmeverlusten ohne jegliche Kompensation führen, argumentiert das Komitee.
Nach Ansicht der Gegner:innen kommt die Beseitigung dieser Steuern der Schweizer Wirtschaft nicht zugute, und die Bürger:innen werden durch höhere Steuern belastet. Sie finden, die Abschaffung sei Teil eines umfassenderen Plans der rechten Parteien und der Wirtschaft, die Steuern für grosse Unternehmen und wohlhabende Personen auf Kosten der Allgemeinheit zu senken.
Die Linke hatte bereits ein Referendum gegen die von Bundesrat und der rechten Parlamentsmehrheit angestrebte Beseitigung der Stempelsteuer auf die Ausgabe von Wertpapieren ergriffen. Eine Mehrheit der Stimmberechtigten lehnte die Abschaffung dieser Steuer im vergangenen Februar ab.
Wer würde von der Abschaffung dieser Steuern profitieren?
Nach SchätzungenExterner Link der Eidgenössischen Steuerverwaltung würden Schweizer Investor:innen besonders von der Abschaffung der Umsatzabgabe profitieren; hingegen wäre der Wegfall der Verrechnungssteuer stärker von Vorteil für ausländische Investor:innen. Zusammen könnten diese Reformen dazu führen, dass die Zinssätze für Schweizer Anleihen sinken, was sowohl der öffentlichen Hand als auch Unternehmen die Beschaffung von Kapital zu besseren Bedingungen ermöglichen würde.
Das Referendumskomitee behauptet hingegen, die Abschaffung der Verrechnungssteuer komme nur den 200 multinationalen Unternehmen, Finanzierungsgesellschaften und Banken zugute, die derzeit Anleihen ausgeben. Kleine und mittlere Unternehmen würden nichts davon haben, weil sich nur sehr wenige von ihnen über Anleihen finanzieren.
Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Reform?
Die Abschaffung der Verrechnungssteuer würde zu einem Rückgang der Steuereinnahmen führen, der schwer zu quantifizieren ist, da er von der Höhe der Zinssätze abhängt.
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFDExterner Link) schätzt, dass Bund und Kantone bei einem Zinssatz von 1% auf jährliche Einnahmen in Höhe von 170 Millionen Franken verzichten müssten. Es rechnet aber damit, dass sich die Reform nach rund fünf Jahren auszahlen wird, da durch Schaffung neuer Werte und Arbeitsplätze neue Steuereinnahmen generiert werden.
Die Abschaffung der Umsatzabgabe dürfte zu Mindereinnahmen des Bundes von 25 Millionen Franken pro Jahr führen.
Das Referendumskomitee ist jedoch der Ansicht, dass die Verluste von der Bundesverwaltung unterschätzt werden: Wenn die Zinssätze steigen, würden die entgangenen Einnahmen gemäss Referendumskomitee fast 800 Millionen Franken pro Jahr betragen.
Welche Argumente haben die Befürworter:innen der Reform?
Die Rechts- und Mitteparteien sowie Wirtschaftskreise unterstützen die Abschaffung der beiden Steuern, um so die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz zu stärken.
Die Bankiervereinigung begrüsst die Absicht, «eine unvorteilhafte Situation» zu beseitigen, die dazu führe, dass die Schweiz ihre Steuern und Arbeitsplätze «ans Ausland verschenkt». Sie weist ebenfalls darauf hin, dass sich dadurch nicht nur Unternehmen, sondern auch Gemeinden, öffentliche Verkehrsmittel und Krankenhäuser leichter Geld beschaffen können.
Die FDP betont, die Verrechnungssteuer auf Anleiherenditen sei nicht mehr nötig, da der Bund seit 2014 am automatischen Informationsaustausch (AIA) auf internationaler Ebene teilnimmt. «Ein ausländischer Investor kann also die Zinsen, die er in der Schweiz erhält, nicht verstecken», begründet die freisinnige Partei.
Die Befürworter:innenExterner Link finden zudem, dass es sich um eine «vorsichtige» Reform handelt, weil die Verrechnungssteuer auf Dividenden beibehalten wird. Sie belaste den Staatshaushalt nicht und werde am Ende «viel mehr einbringen, als sie kostet».
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