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Villa Remarque: Im Süden nichts Neues

Droht der Villa Remarque jetzt der Abriss? swissinfo.ch

Der Plan ist gescheitert, die einst vom Schriftsteller Erich Maria Remarque und seiner Ehefrau Paulette Goddard bewohnte Villa im Tessin durch die öffentliche Hand zu erwerben und in ein Literatur- und Kulturzentrum zu verwandeln. Damit droht der Abriss.

Diese Woche, genau am 28. Februar, ist das Kaufrecht der Gemeinde Ronco s/Ascona für die Casa Monte Tabor in Porto Ronco abgelaufen. Da die nötigen 6 Millionen Franken nicht gefunden wurden, um die einst vom Schriftsteller Erich Maria Remarque bewohnte Villa zu erwerben, kann die englisch-amerikanische Familie Farmer als Eigentümerin das Anwesen ohne jegliche Einschränkung veräussern. Und private Interessenten für die traumhaft am See gelegene Liegenschaft sind vorhanden.

Für die Villa am Lago Maggiore, in der über Jahrzehnte der bekannte deutsche Anti-Kriegs-Schriftsteller Erich Maria Remarque (Im Westen nichts Neues) und seine Frau, die weltberühmte Schauspielerin Paulette Goddard, wohnten, hatte die Gemeinde Ronco vor genau einem Jahr für 200’000 Franken das Kaufrecht erworben. Dies mit dem Ziel, nach dem Erwerb ein öffentliches Literatur- und Kulturzentrum einzurichten, um dem 1970 verstorbenen Remarque ein bleibendes Denkmal zu setzen.

Paolo Senn, Gemeindepräsident von Ronco s/Ascona, ist enttäuscht, aber er hatte mittlerweile mit diesem Ausgang der Operation gerechnet, zumal er keinen Support vom lokalen Verkehrsverein und dem Kanton erhielt. Senn hatte auch auf Unterstützung der Eidgenossenschaft gehofft, nachdem die Idee aufgekommen war, im Haus eine Art Deutsch-Schweizerisches Begegnungszentrum einzurichten. Doch im Dezember machte die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey diese Hoffnung zu Nichte. Das Haus sei für diesen Zweck nicht geeignet, schrieb sie in einem Brief.

Enttäuschtes Komitee in Osnabrück

Aktiver ist man in Deutschland geworden, namentlich in Osnabrück, der Geburtsstadt von Erich Maria Remarque. Die dortige Remarque Gesellschaft hat ein Komitee zur Rettung der Remarque-Villa auf die Beine gestellt. Die lange Liste der Unterstützer ist beeindruckend. «Doch konkrete finanzielle Beiträge für den Erwerb und den nachfolgenden Betrieb der Casa Monte Tabor gibt es nicht», bilanziert ein enttäuschter Tilman Westphalen, Ehrenvorsitzender der Remarque-Gesellschaft und Koordinator des Rettungskomitees.

Die Remarque Villa war sogar im politischen Berlin zum Thema geworden – als Gesprächsstoff zwischen dem zurückgetretenen Bundespräsidenten Christan Wulff und der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Im September reichte der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann eine Anfrage an die Bundesregierung zum Erhalt der Remarque-Villa ein. In der Antwort heisst es, dass ein Kauf oder Zuschuss des Hauses aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich sei.

Tilman Westphalen hofft nun, dass vielleicht eine neue Körperschaft – etwa eine Stiftung – anstelle der Gemeinde Ronco das Vorkaufsrecht übernehmen kann, um die drohende Veräusserung an Private noch abzuwenden.

Aktivitäten in Los Angeles und bei der UBS

In die gleiche Richtung gehen auch die Anstrengungen von Michael Gaedeke, einem in Los Angeles lebenden Geschäftsmann aus Ascona, Gründer der Stiftung «Erich Maria Remarque and Paulette Goddard». Er versucht verzweifelt, 200’000 Franken aufzutreiben, um wenigstens das Kaufrecht für ein Jahr zu verlängern und einer privaten Stiftung zu übertragen. «Viele Gönner wollen erst spenden, wenn eine private Stiftung die Rettungsaktion übernimmt», meint Gaedeke.

Die Eigentümerfamilie wäre mit diesem Vorgehen einverstanden, denn auch ihr liegt viel daran, dass die in die Jahre gekommene Villa in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleibt und nicht nach einem allfälligen Abbruch einer Überbauung Platz macht.

Jüngst hat sogar die Grossbank UBS einen englischsprachigen Flyer unter dem Titel «Ensuring a cultural legacy» (Eine kulturelle Legende sichern) an ihre Kunden versandt, in der sie um Unterstützung für die Rettung der Villa wirbt.

Drohender Abriss

Wie geht es weiter? Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Grundstück für mindestens 6 Millionen Franken verkauft wird, was als üblicher Marktpreis gilt.

Wenn nicht ein Liebhaber auftaucht, der Liegenschaft und Villa im aktuellen Zustand erhalten will, dürfte ein Abriss wahrscheinlich sein, um das weitläufige Grundstück effektiv für eine Überbauung zu nutzen. Denn nur so könnte die gewaltige Investition amortisiert werden.

Gemeindepräsident Paolo Senn hofft im Übrigen, dass im Falle einer Veräusserung die Gemeinde mitprofitieren kann. Dank der versuchten Rettungsaktion habe man weltweit über die Villa berichtet. Sollten die Eigentümer einen wesentlich höheren Verkaufspreis erzielen, als vor einem Jahr erwartet, sollten sie zumindest 100‘000 Franken der Gemeinde schenken – eine Art Schmerzensgeld.

1898 in Osnabrück geboren. Im Ersten Weltkrieg kam er im Juni 1917 als Soldat an die Westfront, wo er durch mehrere Granatsplitter an Arm und Bein sowie durch einen Halsschuss verwundet wurde.

Diese Erlebnisse verarbeitete er später in seinem Roman «Im Westen nichts Neues», der 1929 in Buchform erschien.

Der Roman wurde in Dutzende Sprachen übersetzt und erreichte eine Gesamtauflage von rund 50 Mio. Exemplaren.

Von der deutschen Originalversion werden immer noch pro Jahr 50’000 Exemplare gedruckt.

Am 31. Januar 1933, einen Tag nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, verliess Remarque endgültig Deutschland und lebte zunächst in Porto Ronco, einem Ortsteil von Ronco sopra Ascona am Lago Maggiore (Schweiz). Ab 1939 lebte er offiziell in den USA, ab 1948 wieder in Porto Ronco.

Remarque starb am 25. September 1970 in Locarno in einer Klinik. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Ronco s/Ascona.

Die US-Schauspielerin wurde am 3. Juni 1910 in Whitestone Landing (New York) geboren. Sie war mit Charlie Chaplin verheiratet und spielte auch in dessen legendären Film «Modern Times».

1958 heiratete Goddard den Schriftsteller Erich Maria Remarque und zog mit ihm nach Ronco, wo sie sehr zurückgezogen lebte. Goddard war bekannt für ihre Versessenheit auf Geld. Sie sammelte wertvolle Juwelen und kostbare Antiquitäten.

Sie starb am 23.April 1990 in Ronco s/Ascona, wo sie begraben ist.

In ihrem Testament vermachte sie 20 Millionen Dollar der New York University (NYU). Der Kanton Tessin und die Gemeinde Ronco gingen leer aus. Da die NYU keine Erbschaftssteuern bezahlen wollte, beschlagnahmte der Kanton Tessin die Villa Monte Tabor und versteigerte sie – damals für 2,5 Millionen Franken.

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