Wahllokale im Libanon geöffnet – Erste Parlamentswahl seit 2009
(Keystone-SDA) Im Libanon, Nachbarland des vom Bürgerkrieg zerrissenen Syrien, haben am Sonntag die Wahllokale zur ersten Parlamentswahl seit neun Jahren geöffnet. Fernsehbilder zeigten teils lange Schlangen vor den Wahlräumen, die bis zum Abend (18.00 MESZ) offen sind.
Beobachter erwarten, das die Wahl zu keinen grösseren politischen Veränderungen führen wird. Allerdings könnten die zügige Bildung einer neuen Regierung und anschliessende Reformen für neue Investitionen im Land sorgen und damit die Wirtschaft zumindest stabilisieren.
Angesichts politischer Krisen hatte das libanesische Parlament sein 2013 abgelaufenes Mandat mehrfach eigenständig verlängert. Zwischenzeitlich hatte der Libanon nicht einmal ein Staatsoberhaupt wählen können.
Religionszugehörigkeiten sind zentral
Der Libanon gilt wegen seiner Mischung von Volksgruppen und Religionen, der Einflussnahme ausländischer Staaten und der grossen Zahl von Flüchtlingen im Land als instabil. Die obersten Ämter sind an bestimmte Religionszugehörigkeiten gebunden: Der Präsident muss maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit.
Insgesamt bewerben sich 597 Kandidaten auf 77 Wahllisten um die 128 Parlamentssitze. Letztere sind ebenfalls auf die religiösen Gemeinschaften aufgeteilt.
Zu den wichtigsten Kräften gehört die von Saudi-Arabien und den USA unterstützte Zukunftsbewegung von Ministerpräsident Saad al-Hariri. Sie holte bei der letzten Parlamentswahl 2009 die Mehrheit der Stimmen und hat derzeit die meisten Mandate im Parlament.
Einflussreich ist zudem die schiitische, Iran-freundliche Hisbollah, die von den USA als terroristische Vereinigung eingestuft wird und erstmals in den 90er Jahren ins Parlament einzog. Bei der Abstimmung am Sonntag setzen insbesondere unabhängige Kräfte auf einen Einzug ins Parlament. Ob sie Erfolg haben werden, ist aber offen.
Neues Wahlrecht hilft kleinen Parteien
Für frischen Wind in den eingefahrenen politischen Strukturen soll auch das nach langem Tauziehen verabschiedete neue Wahlrecht sorgen. Statt nach dem Mehrheits- wird nach dem Verhältniswahlrecht abgestimmt. Es wird erwartet, dass es die Reform kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten erleichtert, ins Parlament zu kommen.
Zudem müssen die Bürger ihre Stimme in dem Bezirk abgeben, aus dem ihre Vorfahren kommen. Das führt dazu, dass sich viele Wähler aus der Hauptstadt Beirut auf den Weg in abgelegene Orte machen mussten.
Eine Ergebnis-Prognose für die Wahl, die wegen des Syrien-Krieges drei Mal verschoben wurde, ist daher schwierig. Darüber hinaus verbietet das neue Wahlrecht die Erhebung von Prognosen zum möglichen Wahlausgang. Erste, inoffizielle Ergebnisse werden noch in der Nacht erwartet, offizielle Zahlen in den kommenden Tagen.
Vertreter der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen hatten im Vorfeld Korruption und ausländische Einflussnahme auf die Wahl kritisiert. Im Libanon leben rund sechs Millionen Menschen, wahlberechtigt sind etwa 3,6 Millionen.