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Werben mit Wilhelm Tell

Nationalbibliothek Bern: Mechthild Heuser nimmt Tell ins Visier. swissinfo.ch

Ob mit Armbrust, Gesslerhut oder Rütlischwur, der Schweizer Volksheld Wilhelm Tell erscheint auf Werbeplakaten seit dem es diese gibt.

In der Nationalbibliothek in Bern sind Werbeplakate mit Tell-Sujets für Schützenfeste, Parteien und Abstimmungskämpfe, für Filme und Produktewerbung zu sehen – von «Fin de siècle bis Postmoderne».

Nichts kann eine Botschaft so schweizerisch, prägnant und wortlos überbringen wie eine Armbrust, ein Gesslerhut oder ein von einem Pfeil durchbohrter Apfel. Wer in der Schweiz zur Schule ging, kennt die berühmten Attribute des Wilhelm Tell, Friedrich Schillers Romanfigur und Schweizer Nationalheld.

Kein Wunder also, dass sich auch Politik und Werbebranche den Mythos zunutze gemacht hat. Unter dem Titel «Tell im Visier» zeigt die Schweizer Nationalbibliothek erstmals eine Auswahl von rund 100 Plakaten, auf denen der Held der Nation eine Botschaft überbringen soll. Das Plakat als Massenmedium habe wesentlich dazu beigetragen, dass sich Tell als Personifizierung von Freiheit in unserem Bewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer festgesetzt habe.

Plakatemythos: Städter unterliegt Alphirt

1887 tritt den Schweizern in einem Genfer Strassenplakat erstmals ein städtischer, herrschaftlicher edelmännischer Tell entgegen: siegesgewiss posierend, im Zenit seines Triumphs, schreibt Mechthild Heuser, Mitherausgeberin des Buchs zur Ausstellung «Tell im Visier» und stellvertretende Leiterin der Graphischen Sammlung der Nationalbibliothek.

Doch diese urbane Tell-Version schafft den Durchbruch auf die in der ganzen Schweiz genutzten Plakatwände nicht.

«Von allen Tell-Darstellungen verbindlich geworden ist Richard Kisslings Bronze-Denkmal von 1895, das in Altdorf steht», sagt Heuser.

Es sei dieser Altdorfer «bäurische, ewig wandernde (…) bescheidene Alphirte, der zukünftig von den Plakatsäulen und -wänden auf die Schweizer Bürger hinunterblicken wird, und zwar bis heute».

Zahlreiche Plakate haben ihren Darstellungen seither diese Tell-Version zu Grunde gelegt. Auch das klassische Fünffrankenstück und früher die Postmarken gehen auf die Altdorfer Vorlage zurück.

«Der Tell des bekannten Schweizer Malers Ferdinand Hodler, der zwei Jahre später als jener von Kissling entstand, wurde hingegen kaum je von den Plakatkünstlern verwendet», sagt Heuser. Sie vermutet, die Hodlersche Version sei etwas zu gladiatorenhaft, zu zornig und polarisierend, um für einen Mythos genutzt zu werden.

Sieg der Version «argloser Familienvater»

Den Siegeszug auf dem Plakat machte also endgültig Kisslings «friedliebender, arglos vom Berg herabspazierender Familienvater mit seinem Söhnlein im Arm». Ganz ohne Siegerpose schreitet er voran, geeigneter als der Hodlersche, um sogar hellblaue Jeans verpasst zu erhalten, wie dies Levi’s auf einem kontroversen Reklameaushang in den frühen 80er-Jahren tat.

Verfremdung und Ironie

Bekanntlich laden solche Kultbilder auf dem Podest zu Verfremdung und Ironie geradezu ein. So bedienen sich Kampagnen jeder politischen Couleur dieses Mittels seit je her: Der Rütlischwur dient den Sozialdemokraten 1935 als Sujet in einem Vorstoss für die Gleichstellung von Mann und Frau.

Und vorläufig letztmals benutzte die Schweizerische Volkspartei im Juni 2007 Ironie und Verfremdung, als sie in der Westschweiz gegen die Liberalisierung von Drogen kämpfte: Sie tauschte dazu beim Altdorfer Tell-und-Sohn-Motiv die Armbrust auf Tells Nacken plakativ gegen eine Fixerspritze ein.

swissinfo, Alexander Künzle

Plakat-Ausstellung zum Thema Tell in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern.

Bis Ende März 2008.

Die Plakate stammen aus der Graphischen Sammlung der Nationalbibliothek.

Ausstellungspublikation: «Tell im Visier» von Mechthild Heuser und Irmgard M. Wirtz (Hrsg.)

Memoriav, der Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, hat von 1999 bis 2006 die Schaffung eines Gesamtkatalogs von Schweizer Plakaten unterstützt.

Unter der Leitung der Nationalbibliothek konnten bereits 34’000 Plakate aus verschiedenen Sammlungen digitalisiert, katalogisiert und in die Datenbank Swiss Poster Collection integriert werden.

Damit wird auch die Konservierung der Orginalplakate verbessert.

Diese Sammlung steht online zur Verfügung.

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