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Wie Nachbarländer mit Doppelbürgern umgehen

SVP-Präsident Ueli Maurer hat nun auch die Doppelbürgerschaft im Visier. Keystone

Die rechts stehende Schweizerische Volkspartei SVP nimmt die Doppelbürger ins Visier und will die seit 1992 geltende Regelung rückgängig machen.

Fast eine Million Schweizer und Schweizerinnen mit zweitem Pass wären von einem solchen Schritt betroffen. – Wie machen’s die Nachbarländer? Eine Übersicht.

Aus Schweizer Sicht ist seit der Revision des Bürgerrechts-Gesetzes von 1992 das Bürgerrecht zusammen mit einer anderen Staatsbürgerschaft möglich. Es hängt somit vom jeweils anderen Land ab, ob die Person ihren Doppelbürger-Status auch offiziell behalten kann.

Die Erfahrung zeigt, dass man Doppelbürger nur bedingt erfassen kann. Laut der letzten, anonym durchgeführten Volkszählung durch das Bundesamt für Statistik ergab sich für Anfang des neuen Jahrzehnts eine geschätzte Anzahl von 500’000 in der Schweiz lebenden Doppelbürgern.

Zusammen mit den rund 434’000 Doppelbürgern unter den Auslandschweizern ergäbe sich also beinahe eine Million Schweizerinnen und Schweizer, die von einer Änderung des Bürgerrechts-Gesetzes in ihrem Doppelbürger-Status betroffen wären.

«ius soli» oder «ius sanguinis»

Weltweit gibt es in Sachen Bürgerrecht zwei Traditionen: Einwanderungsländer wie die USA und Frankreich setzten mit «ius soli» (Recht des Bodens) auf den Geburtsort, während in Staaten wie Deutschland oder Italien mit dem Ansatz von «ius sanguinis» (Recht des Blutes) lange Zeit nur die Abstammung den Ausschlag gab.

In Deutschland wurde das Staatsbürgerschafts-Recht auf Januar hin 2000 modernisiert, blieb aber stark umstritten. Heute gilt, dass Kinder, die nach neuem Recht einen deutschen Pass erhalten, aber gleichzeitig noch im Besitz einer weiteren Staatsbürgerschaft sind, sich bis zum 23. Lebensjahr für einen der beiden Pässe entscheiden müssen.

Ausnahmen, das heisst Doppelbürgerschaften, sind allerdings möglich, wenn der Verzicht nicht zumutbar oder möglich ist. Dazu muss ein Gesuch gestellt werden.

Italien: Aus dem Auswanderungs- wird ein Immigranten-Land

Als weiteres Land mit der «Bluts-Tradition» gilt Italien: Ohne italienisches Blut wird man nicht so schnell Italiener. Seit 1992 wird in Italien auch die Doppelbürgerschaft anerkannt.

Von der Gesamtbevölkerung von 57 Millionen waren 2001 nur rund 290’000 Eingebürgerte. Ein in Italien geborenes Kind von Ausländern kann nach dem 18. Altersjahr das italienische Bürgerrecht beantragen.

Diese jungen Erwachsenen erhalten das beantragte Bürgerrecht meist auch anstandslos. Der Antrag muss aber innerhalb eines Jahres nach dem 18. Geburstag erfolgen, sonst verfällt das Recht. Zusätzlich muss der Antragsteller das ganze Leben ununterbrochen in Italien gelebt haben.

Es gibt Bemühungen, diese restriktive Praxis etwas zu lockern. Minderjährige sollen einfacher eingebürgert werden können.

Erzwungener Verzicht: Schwierige und teure Überprüfung

Laut dem Schweizer Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (Imes) gab es im Nachbarland Italien Bemühungen, die Doppelbürgerschaft zu verbieten. Doch seien diese wegen Nichtdurchsetzbarkeit gescheitert.

Es gibt Länder, die ihre Bürger zu zwingen versuchen, sich für eine der beiden Nationalitäten zu entscheiden. «Doch auch bei einem erzwungenen Verzicht lässt sich nicht kontrollieren, ob die betroffene Person ihren Entscheid später nicht wieder rückgängig macht», sagt Daniel Babey vom Imes gegenüber swissinfo.

Bei einer knappen Million Doppelbürgern in der Schweiz würde dies bestimmt auch ins Geld gehen.

Ähnlich tönt es im Verteidigungs-Departement: Eine separate Kennzeichnung der wehrpflichtigen Doppelbürger könnte bereits als Diskriminierung ausgelegt werden.

Österreich: Zehn Jahre warten

Das Staatsbürgerschafts-Gesetz in Österreich datiert aus dem Jahr 1965. Eine Änderung ist nicht vorgesehen. Die Einbürgerungspraxis selber ist nicht umstritten. Eher jedoch der Umstand, dass die Anzahl der Ausländer, die Österreicher werden wollen, stetig zunimmt.

Doppelbürgerschaften gelten dabei als Ausnahme: Grundsätzlich verlieren Ausländer, die Österreicher werden, ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft, ausser man stellt – wie in Deutschland – ein Gesuch.

In der Regel muss sich ein Bewerber mindestens zehn Jahre legal in Österreich aufgehalten haben, bevor er die Staatsbürgerschaft beantragen kann. «Integrierte» Ausländer dürfen schon früher Antrag stellen.

Frankreich und Niederlande: Einfaches Prozedere

Frankreich ist das Land des «ius soli», was sich auf die Sichtweise der Doppelbürgerschaft auswirkt. In der Regel wird sie anerkannt. Bei Volljährigkeit haben in Frankreich geborene Kinder von Ausländern Anrecht auf die französische Staatsbürgerschaft. Fast ein Drittel aller Franzosen haben aus dem Ausland stammende Eltern oder Grosseltern.

In den Niederlanden konnten Einwanderer bisher relativ schnell die Staatsbürgerschaft erwerben. Es brauchte einen Nachweis, dass man Land und Leute kennt und die Sprache beherrscht.

Bisher konnte man dabei die alte Staatszugehörigkeit behalten. Doch sind in letzter Zeit auch in den Niederlanden Doppelbürger unter Beschuss geraten. Künftig sollen sich Einwandererkinder verpflichten, auf ihre alte Staatsangehörigkeit zu verzichten. Ergeben sich dadurch jedoch Nachteile in der früheren Heimat, fällt diese Bedingung weg.

Angelsächsische Länder: Andere Traditionen

Länder mit dem «ius soli»-Grundsatz gehen mit dem Doppelbürgerrecht pragmatischer um als Länder, die ihre Nationalität über Abstammung und Boden definieren.

Was die in den USA «Dual Citizenship» genannte Doppelbürgerschaft betrifft, so wird jeder Doppelbürger einfach als US-Bürger betrachtet und jede weitere Staatsangehörigkeit ignoriert.

Doppelbürgerschaft wird gesetzlich laut dem US-Aussenministerium nicht erwähnt. Niemand muss sich für eine von mehreren Nationalitäten entscheiden.

Mit anderen Worten: Erhält ein US-Bürger automatisch eine weitere Staatsangehörigkeit, verliert er die amerikanische deshalb nicht. Sucht er selbst eine weitere Staatsangehörigkeit nach, kann er die amerikanische eventuell verlieren.

Die US-Behörden akzeptieren zwar laut Aussenministerium die doppelte Staatsangehörigkeit, fördern sie aber wegen der möglichen Komplikationen nicht.

Australien: Seit 2002 kein Problem

Seit 2002 verlieren Australier ihre Staatsangehörigkeit nicht mehr, wenn sie eine zweite annehmen. Bis 2002 konnten sie sie nur dann behalten, wenn ihnen die zweite Staatsangehörigkeit automatisch gegeben oder geschenkt wurde.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Doppelbürgerschaft wurde vor den Ende September abgelehnten Einbürgerungs-Vorlagen wieder thematisiert.

Laut der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hätten «Exklusiv-Schweizer» eine Diskriminierung gegenüber Doppelbürgern zu befürchten («Fünfer und Weggli»). Mehr Loyalität gegenüber der Heimat sei gefordert.

Doppelbürger hingegen könnten eine Schlechterstellung befürchten, falls sie separat aufgelistet oder «fichiert» würden.

In der Schweiz selber leben rund 500’000 Doppelbürger, von denen ein grosser Teil früher Ausländer war.
Dazu kommen rund 434’000 Doppelbürger unter den gut 600’000 Auslandschweizern.
Einwanderungsländer bürgern tendenziell gemäss dem «ius soli» ein, wobei der Geburtsort den Ausschlag gibt.
Gewisse europäische Länder ohne Immigrationstradition halten sich von Prinzip her an das «ius sanguinis», wo Abstammung und «Blut» den Ausschlag geben.

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