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«Der Strommarkt ist nicht schweizerisch, sondern europäisch»

Repower
Der Sitz des Elektrizitätsunternehmens Repower in Poschiavo, Graubünden. © Keystone / Gian Ehrenzeller

In den letzten Monaten hat der Bundesrat vor Stromknappheit gewarnt und Sparmassnahmen ergriffen. Monika Krüsi, Präsidentin der Firma Repower, bedauert die mangelnde Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt.

Repower ist ein Energieunternehmen, das in der gesamten Wertschöpfungskette der Elektrizität tätig ist, von der Produktion über den Handel und die Verteilung bis hin zum Vertrieb. Es ist auch im Gasgeschäft tätig.

Seinen Sitz hat Repower in Poschiavo im Kanton Graubünden. Die Firma beschäftigt über 600 Mitarbeitende und ist hauptsächlich in der Schweiz und in Italien tätig. Der Jahresumsatz beträgt über drei Milliarden Schweizer Franken.

Das Unternehmen wurde 1904 als Kraftwerke Brusio AG gegründet und baute sein erstes Kraftwerk in Südbünden an der Grenze zu Italien. Damals war es die grösste Anlage dieser Art in Europa.

Monika Krüsi
Monika Krüsi, 60, ist schweizerische und italienische Staatsbürgerin und aktuell Verwaltungsratspräsidentin der Repower AG und der Oskar Rüegg AG. Zuvor war Monika Krüsi unter anderem Partnerin bei Venture Incubator Partners, einer Risikokapitalgesellschaft für Technologie-Start-ups, und Associate Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey. Nicola Pitaro

swissinfo.ch: Die Schweizer Behörden haben beispiellose Massnahmen ergriffen, um eine Energieknappheit in diesem Winter zu verhindern. Sind Sie trotzdem besorgt?

Monika Krüsi: Ich mache mir für diesen Winter keine Sorgen mehr, denn die Gasspeicher und Stauseen in der Schweiz sind voll. Zudem sind in Frankreich einige Atomkraftwerke wieder in Betrieb.

Mittelfristig ist die Lage allerdings weniger sicher. Die Herausforderung im Energiebereich ist nicht neu. Aber der Konflikt in der Ukraine macht die Situation noch schwieriger.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für den Schweizer Strommarkt, um die langfristige Versorgung des Landes sicherzustellen – auch im Winter?

Es ist wichtig, diese Frage auf europäischer Ebene zu betrachten. Da unsere Netze physisch miteinander verbunden sind, ist der Strommarkt nicht schweizerisch, sondern europäisch.

Um unsere Energiestabilität zu optimieren, müssen wir bezüglich Stroms voll in Europa integriert sein. Ich bedaure sehr, dass dies wegen unserer angespannten Beziehung zur EU im Moment nicht der Fall ist.

Ein grosser Teil der Energie von Repower stammt aus Wasserkraftwerken. Können Sie die Leistung dieser Kraftwerke noch steigern?

Ja, das ist auf zwei Arten möglich. Erstens könnte man Staumauern erhöhen. Das hat aber negative Auswirkungen auf die Umwelt. Eine Bewilligung zu erhalten, ist daher schwierig.

Zweitens könnte man den Betrieb bestehender Kraftwerke optimieren. Dies erfordert Zeit und erhebliche Investitionen, aber wir sind der Meinung, dass diese zweite Methode vorzuziehen ist. Wir sind gerade dabei, unser Kraftwerk Robbia in Graubünden mit einer Investition von über 100 Millionen Franken zu optimieren.

Repower verkauft Strom an Gross- und Kleinkund:innen. Sind Ihre Preise gestiegen?

In der Grundversorgung [mit regulierten Tarifen, A.d.R.] sind unsere Preise sehr stabil. Zum Glück übersteigen unsere Produktionskapazitäten den Bedarf unserer Kundschaft auf dem regulierten Markt.

Was den freien Markt betrifft: Hier hängt es von den Vertragsbedingungen ab. Ein Teil unserer Kundschaft hat mehrjährige Festpreisverträge abgeschlossen. Andere sind ein Risiko eingegangen und kaufen tagesaktuell ein. Für diese Kund:innen sind die Preise tatsächlich explodiert: Im Durchschnitt stieg der Preis pro Kilowattstunde innerhalb eines Jahres von 20 auf 460 Cent. In Stunden mit hoher Nachfrage wurden Spitzenpreise von über 1000 Cent erzielt.

Der freie Markt ist ein europäischer Markt. Er unterliegt deshalb den Störungen, die auf diesem Kontinent auftreten.

Die Preisexplosionen bringen Unternehmen und Gemeinden in eine kritische Situation. Spricht das nicht für regulierte Tarife?

In der Schweiz gibt es einen freien und einen regulierten Markt. Dazwischen liegt eine künstliche Grenze.

Ich bin überzeugt, dass eine vollständige Liberalisierung wie in der Europäischen Union besser wäre. Sie brächte mehrere Vorteile: Alle Kund:innen würden gleichbehandelt. Und sie könnten – ähnlich wie beim Mobilfunk – aus einem breiten Angebot wählen.

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Ihr Unternehmen betreibt 17 Wasserkraftwerke mit einer Leistung von 0,1 bis 45 Megawatt. Lohnt es sich, so kleine Kraftwerke zu bauen?

In der Praxis haben diese Kleinkraftwerke vernünftige Betriebskosten, da Repower seit Jahrzehnten im Besitz dieser Anlagen ist. Die Investitionen sind bereits amortisiert.

Wenn wir aber neue Wasserkraftwerke bauen, streben wir aus Effizienzgründen eine kritische Grösse an. Jedes neue Projekt muss jedoch individuell beurteilt werden.

Auch wenn es immer um Energie geht, sind die Aktivitäten von Repower auffallend breit. Wäre eine Konzentration auf weniger Aktivitäten nicht sinnvoller und rentabler?

Historisch hat es damit angefangen, dass Repower ein Kraftwerk für die Bernina- und die Norditalienische Bahn baute. Danach haben wir dieses und viele andere Kraftwerke betrieben und gewartet. Der Betrieb der dazugehörigen Stromnetze – und weiterer Anlagen – war eine logische Folge, ebenso wie unsere Expansion in die Lombardei.

Unsere Dienstleistungspalette mag überdimensioniert erscheinen. Doch wir schaffen das, weil wir mit Partner:innen zusammenarbeiten. Dazu kommt: In Italien und der Schweiz fokussieren wir auf unterschiedliche Geschäftsmodelle. So können wir Risiken diversifizieren.

Sie haben zehn Windparks in Italien und drei in Deutschland. Warum keinen in der Schweiz?

Um einen Windpark zu bauen, stehen wir vor drei Herausforderungen. Erstens: Wir brauchen Zugang zu grossen Grundstücken. Denn nur der Betrieb von mehreren Windturbinen ist wirtschaftlich interessant. Und solche grossen Grundstücke sind in der Schweiz nicht einfach zu finden.

Zweitens: Eine Bewilligung zu bekommen, dauert seine Zeit – fünf bis zehn Jahre oder länger. Es können immer Einsprachen erhoben werden.

Drittens ist die Windstärke eine wichtige Voraussetzung. Diese ist in Italien, beispielsweise in Küstenregionen, häufiger erfüllt als in der Schweiz.

Repower besitzt in der Schweiz und in Italien fast tausend Ladestationen für Elektroautos. Trotzdem wird eine geringe Dichte beklagt.

Wir investieren weiter in diesen Bereich! Im Übrigen liegt das Hauptproblem nicht in der geringen Dichte der Stromtankstellen, sondern in der fehlenden Standardisierung: Autofahrer:innen müssen viele verschiedene Apps herunterladen. Das sollte mit der Zeit jedoch behoben werden.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens?

Wir werden uns weiterhin auf den Kanton Graubünden und Norditalien konzentrieren. Investieren werden wir auch zukünftig in Wind- und Sonnenenergie in Italien sowie in Solarenergie in den Alpen. Und mein persönliches Ziel ist ein neues, hoch rentables Wasserkraftwerk.

Editiert von Samuel Jaberg. Übertragung aus dem Französischen von Sibilla Bondolfi

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