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Geplatzter Traum – eine Auslandschweizerin kehrt heim

Fahnen von Deutschland und Österreich
Lotti Pfyl lässt Deutschland Anfang nächstes Jahr hinter sich. Keystone / Martin Ruetschi

Die Corona-Pandemie trifft viele Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer hart. Immer mehr sehen sich gezwungen, in die Schweiz zurückzukehren. Lotti Pfyl (60) ist eine von ihnen.

«Ich war in meinem Leben finanziell noch nie so weit unten», sagt die 60-jährige Lotti Pfyl. Ihr Entschluss steht fest. Sie gibt ihr Auslandschweizerinnen-Dasein auf. Sie kehrt im Februar aus Deutschland zurück in die Schweiz. «Ich musste mir in den letzten Monaten eingestehen, dass ich es nicht geschafft habe.»

Während in den letzten fünf Jahren gemäss Bundesamt für StatistikExterner Link durchschnittlich rund 25’000 Schweizerinnen und Schweizer aus dem Ausland zurückkehrten, sind für 2020 noch keine Zahlen erhoben.

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Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten meldete im Mai, dass die Vertretungen im Ausland, die Helpline des EDA und das Amt für Arbeit und Wirtschaft in Basel, immer mehr Gesuche von Auslandschweizern erhalten, die zurückkehren wollen. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer im Ausland kommen aber ohne Hilfe des Konsulats zurück, so wie es Lotti Pfyl tut.

Früher als geplant

Sie wollte sich ein eigenständiges Leben in Nordfriesland erschaffen. Dort, wo sie viele Jahre Urlaub gemacht, einen Bekanntenkreis aufgebaut und Freunde gefunden hat. Ursprünglich plante sie erst nach ihrer Pensionierung auszuwandern. Das verhältnismässig wenige Pensionskassengeld, das sie bis dahin ansparen könnte, würde in Deutschland zusammen mit der AHV dereinst weiter reichen als in der Schweiz, war sie überzeugt. Pfyl liess sich vor dem Jahr 2000 scheiden, damals wurde die Pensionskasse noch nicht auf die Ehepartner aufgeteilt.

Portraitbild
Die Zeit ohne Job überbrückt Lotti Pfyl an der Nähmaschine. zvg

Ein Burnout liess sie aber umdenken und so brach sie ihre Zelte in der Schweiz bereits zehn Jahre vor der Pension ab. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern liess sich das Pensionskassenguthaben auszahlen und kaufte sich damit ein grosses Haus mit Ferienwohnungen in Nordfriesland. Sie begann mit der Renovation und vermietete die Wohnungen. Daneben verdiente sie sich mit Schneiderarbeiten etwas dazu.

Nach vier Jahren auf der Insel musste sie dieses Projekt aber aufgeben. «Alleine war es eine zu grosse Belastung.» Innert drei Monaten konnte sie das Anwesen verkaufen und zog nach einem Zwischenstopp in Husum südwärts in die Oberpfalz, wo sie einen Job gefunden hatte.

Haus und Garten in Nordfriesland
Ein grosses Haus mit grossem Garten in Nordfriesland: Alleine war das zu viel Arbeit für die Auslandschweizerin. zvg

Lotti Pfyl ist gelernte Lüftungszeichnerin, hat einen eidgenössischen Fachausweis als Buchhalterin, zudem ist sie ausgebildete SchneiderinExterner Link. Im Februar 2020 trat sie hochmotiviert ihren Job für eine führende Nähmaschinenherstellerin an. Dann kam Corona und all ihre Hoffnungen wurden erneut über den Haufen geworfen.

«Mein Arbeitgeber hatte keine Aufträge mehr für mich.» Doch Lotti Pfyl blieb positiv, bewarb sich etwa als Contact-Tracerin in Bayern. Doch nach ihrem Bewerbungsgespräch im Sommer habe sie bis heute nichts gehört.

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Abenteuer Rückkehr

Lotti Pfyl wird uns in den kommenden drei Monaten mit auf ihr Abenteuer «Rückkehr in die Schweiz» mitnehmen. Und uns in Form von einem persönlichen Rückkehrblog Einblick in ihre Gefühlswelt geben.

«Komm doch zurück»

Mit der zweiten Welle der Pandemie im Herbst kamen schliesslich auch die Zweifel. Ein Einkommen fehlte und sie konnte sich wegen dem Social Distancing an ihrem neuen Wohnort kaum integrieren. «Daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern», sagt die Auslandschweizerin.

Gedanken über eine Rückkehr kamen schleichend – und setzten sich allmählich fest. Immer wieder hätten Familie und Freunde aus der Schweiz am Telefon gesagt: «Dann komm doch wieder nach Hause.» Lotti Pfyl begann zu recherchieren. «Was muss ich bei einer Rückkehr beachten, welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Wo kriege ich Unterstützung?» Sie kontaktierte das Schweizer Konsulat und begann die Job- und Wohnungssuche in der Schweiz.

«Mit 60 will kaum noch jemand in mich investieren.»

Ein schwieriges Unterfangen. «Mit 60 will kaum noch jemand in mich investieren», so Pfyl. Doch sie habe schnell herausgefunden, dass sie Hilfe bekomme, wenn sie zurückkommt. Das habe sie beruhigt. Was sie erschreckte, sei die Auskunft des Konsulats gewesen. «Das Konsulat hilft erst, wenn man alles, was man besitzt, verkauft hat und einfach nur das mitnimmt, was in einem Auto Platz hat. Das ist doch absurd.»

«Ich brauche zumindest Möbel oder den Computer für die Bewerbungen. Ausserdem kostet es ein Vielfaches, das alles in der Schweiz wieder zu beschaffen.» Wie sie ihr Schicksal am Telefon erzählt, kämpft sie mit den Tränen. «Ich muss täglich meinen inneren Schweinehund überwinden, damit ich nicht in ein Loch falle, weil ich wohl auf Sozialhilfe angewiesen sein werde.»

Sozialhilfe hält viele vor Rückkehr ab

Während die «Schmach» der Sozialhilfe viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland vor einer Rückkehr abhält, nimmt Pfyl ihren Mut zusammen und wagt es. «Ich schaffe das», ist sie überzeugt. Auch wenn dies bedeuten wird, dass sie bei einem Sozialhilfegesuch auf ihr Auto verzichten und jeden Fünfer dreimal umdrehen muss. «Mein Traum ist geplatzt, jetzt heisst es nach vorne schauen.»

So wie Pfyl dürfte es seit Ausbruch der Pandemie immer mehr Schweizerinnen und Schweizern im Ausland gehen. Auch die Auslandschweizer-Organisation ASO Externer Linkmacht diese Beobachtungen, «Wir haben vermehrt Anfragen betreffend Rückwanderung in die Schweiz erhalten. Etwa 75 davon fragen bereits betreffend Sozialhilfe, wenn sie zurück sind», so Mediensprecherin Jézael Fritsche.

Für die Überbrückung von Notsituationen und für die Wiedereingliederung verfügt die ASO zudem über den Fonds «Kilcher»Externer Link. Es ist eine kleinere finanzielle Hilfe in Form eines zinslosen Darlehens an rückkehrende Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. «Der E.O. Kilcher Fonds wurde auch 2020 gebraucht und hat Zahlungen an Antragssteller vorgenommen. Auch haben wir etwas mehr Anfragen diesbezüglich erhalten», schreibt die ASO.

Das EDA, das Auslandschweizerinnen und Auslandschweizerin vor Ort unter die Arme greift, schreibt: «Im Rahmen der Covid-19-Pandemie wurden 56 Fälle mit SozialhilfeExterner Link unterstützt. Die Unterstützungen wurden im Rahmen einer Sozialhilfe (Nothilfe) für eine kurze Frist gewährt. In der Regel im Umfang von drei bis vier Monaten, obwohl die Kriterien für die Gewährleistung der Sozialhilfe nicht voll erfüllt wurden.»

Die Vertretungen haben also beim einen oder andern Fall ein Auge zugedrückt. Dazu nennt Mediensprecherin Elisa Raggi ein Beispiel: «In der Regel kann Sozialhilfe im Ausland nur nach einem Aufenthalt von etwa fünf Jahren erwirkt werden. In dieser ausserordentlichen Situation haben wir beispielsweise in Fällen unterstützt, bei denen die Frist für den Erhalt von Sozialhilfe nicht ganz eingehalten war. Sollte die COVID-19 Pandemie noch länger dauern, muss mit einer Zunahme der Unterstützungsgesuche gerechnet werden», sagt die EDA-Sprecherin.

Was die Heimschaffungsgesuche betrifft – also wenn Rückwanderungswillige ihre Heimkehr nicht selbst finanzieren können – trafen in diesem Jahr nicht überdurschnittlich viele davon beim EDA ein. Bis am 20. November trafen 77 Gesuche ein, 2019 waren es insgesamt 79.

In der Zwischenzeit konnte Lotti Pfyl einen kleinen Erfolg feiern. Sie hat eine bezahlbare Wohnung in Walzenhausen im Kanton Appenzell Ausserrhoden gefunden. Im Februar wird sie wieder zurück sein. Sie hat grossen Respekt vor diesem Schritt. «Ich versuche einfach jetzt schon, alles so gut wie möglich zu organisieren.» Sie freue sich auf ihre Familie, wieder Schweizerdeutsch sprechen zu können und auf Vermicelles.

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