Verbot von Tabakwerbung kommt vor das Volk
Am 13. Februar kommt die Volksinitiative "Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung" an die Urne. Durch ein gezieltes Werbeverbot sollen junge Menschen vom Tabakkonsum abgehalten werden. Bisher kennt die Schweiz eines der liberalsten Tabakgesetze und ist eines der europäischen Schlusslichtern im Kampf gegen den gesundheitsschädlichen Tabakkonsum.
Worum geht es?
Jede vierte Person in der Schweiz raucht, das sind zirka 2 Millionen Menschen. Dieser Anteil ist auch unter Jugendlichen ähnlich hoch: Rund 100’000 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren rauchen. Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 13. Februar, ob es die Jugendlichen stärker vor Tabakwerbung schützen will.
Eine VolksinitiativeExterner Link fordert strengere Regeln, um Rauchen für Minderjährige weniger attraktiv zu machen. Dem Bundesrat und dem Parlament geht diese Initiative zu weit. Sie stellen ihr mit dem neuen Tabakproduktegesetz einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser Gegenvorschlag berücksichtigt auch wirtschaftliche Interessen.
Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?
Die Schweiz gehört zu den Ländern in Europa, die am wenigsten entschieden gegen Rauchen und Tabakkonsum vorgehen. Im Bericht der Tobacco Control ScaleExterner Link 2019, welche ein Bündel von Massnahmen nach einem Punktesystem misst, belegt die Schweiz den vorletzten Rang in Europa. Bei den Werbeverboten für Tabakwaren schneidet die Schweiz sogar am schlechtesten ab.
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Zudem ist die Schweiz das einzige Land, das das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs nicht ratifiziert hat. Die Schweizer Regierung hat den Vertrag zwar 2004 unterzeichnet, doch ist er bisher nicht in Kraft getreten, da das Parlament bestimmte Werbebeschränkungen ablehnte.
Das Parlament drückte also auch auf die Bremse. Grund dafür ist die Tatsache, dass die weltweit grössten Zigarettenhersteller in der Schweiz niedergelassen sind: Philip Morris hat seinen operativen Sitz in Lausanne und sein weltweites Forschungs- und Entwicklungszentrum in Neuenburg, Japan Tobacco International hat seinen Hauptsitz in Genf und British American Tobacco hat seinen Schweizer Hauptsitz und eine Produktionsstätte in Boncourt im Kanton Jura. Diese Tabakkonzerne sind seit vielen Jahren im Land ansässig und üben über Lobbyismus einen starken Einfluss auf die gewählten Volksvertreter:innen aus.
Ein Bericht in der Sendung Temps Présent des Radios und Fernsehens der französischen Schweiz (RTS) dokumentiert den Druck der Zigarettenindustrie auf das Parlament (auf Französisch):
Was fordert die Volksinitiative?
Die Volksinitiative will die Förderung der Gesundheit von Jugendlichen durch Bund und Kantone zu den in der Schweizer VerfassungExterner Link verankerten Sozialzielen (Artikel 41) hinzufügen. Die Volksinitiative fordert zudem «ein Verbot von jeder Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht». Nur Werbung, die sich direkt an Erwachsene richtet, wäre erlaubt, etwa in Zeitschriften, Prospekten, E-Mails und Internetseiten, die volljährigen Personen vorbehalten sind.
Was beinhaltet der indirekte Gegenvorschlag?
Das TabakproduktegesetzExterner Link ist das Ergebnis eines siebenjährigen Tauziehens zwischen verschiedenen Bundesinstitutionen. Die Schweizer Regierung legte 2015 einen ersten Entwurf vor, der die Ratifizierung des WHO-Rahmenübereinkommens ermöglicht hätte. Doch dieser Vorschlag wurde vom Parlament zurückgewiesen, dieses lehnte jegliche Einschränkung der Tabakwerbung ab. 2019 wurde eine neue, abgeschwächte Version vorgelegt, doch diesmal waren es die Parlamentarier:innen selbst, die Werbebeschränkungen hinzufügten, um der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» entgegen zu kommen.
Nach hitzigen Diskussionen und knappen Abstimmungsergebnissen einigten sich die beiden Parlamentskammern schliesslich auf einen Entwurf, der de facto nur wenige Neuerungen enthielt und nicht den Anforderungen des WHO-Rahmenübereinkommens entsprach. Das neue Gesetz verbietet die Werbung für Tabakprodukte in öffentlichen Gebäuden, auf Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs (Bahn, Bus, Tram), auf Sportplätzen sowie bei Sportveranstaltungen. Plakate im öffentlichen Raum sind ebenfalls verboten, ebenso wie Werbespots in Kinos. Tabakwerbung in Radio und Fernsehen ist bereits durch das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen verboten.
In Bezug auf den Jugendschutz hat das Parlament beschlossen, die bestehende Gesetzgebung aufzunehmen und leicht zu ergänzen. Werbung soll nur dann verboten sein, wenn sie sich direkt an Minderjährige richtet. Das bedeutet, dass Tabakwerbung auf Schulmaterial, in Zeitungen und auf Websites, die sich an Minderjährige richten, nicht möglich ist. Dieses Verbot gilt ebenfalls für Orte, die hauptsächlich von Jugendlichen frequentiert werden. Das Sponsoring von nationalen Veranstaltungen durch Tabakkonzerne bleibt weiterhin erlaubt, es sei denn, diese Veranstaltungen richten sich hauptsächlich an unter 18-Jährige.
Dieser Gegenvorschlag ist indirekt, was bedeutet, dass er unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung am 13. Februar in Kraft treten kann. Wenn die Initiative jedoch angenommen wird, müssen die Bundesbehörden das entsprechende Gesetz anpassen, um die neuen Vorschriften umzusetzen.
Wer unterstützt die Initiative?
Die Initiative wurde von zahlreichen Gesundheits- und Jugendorganisationen lanciert, darunter der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), die Krebsliga Schweiz, die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) und Sucht Schweiz. Die Initiative wird von der Sozialdemokratischen Partei, den Grünen, den Grünliberalen und der Evangelischen Volkspartei unterstützt.
In der Schweiz rauchten mehr als die Hälfte der Raucher:innen bereits vor ihrem 18. Lebensjahr. Das Initiativkomitee betont, dass der frühe Einstieg in den Tabakkonsum das Risiko erhöht, langfristig abhängig zu werden, krank zu werden und zu sterben. Zudem wird darauf hingewiesen, dass zahlreiche Studien den grossen Einfluss der Werbung auf minderjährige Personen belegen. Daher sei es wichtig, jegliche Werbung für Tabakprodukte, die Jugendliche erreichen könnte, zu verbieten.
Die Initiantinnen und Initianten sind vom Gegenvorschlag enttäuscht, da Werbung in vielen Medien, die für unter 18-Jährige zugänglich seien, weiterhin erlaubt sei, namentlich Gratiszeitungen und soziale Medien. Selbst auf Festivals dürfe weiterhin für Zigaretten geworben werden. «So werden die Interessen der Tabak- und Werbeindustrie über das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen gestellt», schreibt das Initiativkomitee in seinem Argumentarium.
Was ist eine Volksinitiative?
Wer bekämpft die Initiative?
Die Regierung, aber auch die meisten Parteien der Rechten und der politischen Mitte, die die Mehrheit im Parlament stellen, lehnen die Volksinitiative ab. Sie sind der Meinung, dass die Initiative mit ihrem weitgehenden Werbeverbot zu weit geht, da Werbung nur noch an wenigen Orten oder in Medien erlaubt sei, zu denen Jugendliche keinen Zugang hätten. «Es wäre ein Novum und unverständlich, wenn für legal hergestellte und legal erhältliche Produkte nicht mehr geworben werden dürfte», sagt Thomas Burgherr, Nationalrat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). «Wir betrachten dies als einen unzulässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit», fügt er an.
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Für die Gegner:innen der Initiative bietet der Gegenvorschlag einen ausreichenden Jugendschutz, indem er mehrere Einschränkungen auf Bundesebene einführt. Darüber hinaus stehe es den Kantonen frei, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen. Sie weisen auch darauf hin, dass das neue Gesetz den Verkauf von Tabakwaren an Minderjährige im ganzen Land verbietet, während die Altersgrenze heute von Kanton zu Kanton variiert. Für sie ist diese Harmonisierung bereits ein grosser Schritt, um Jugendliche besser vor dem Rauchen zu schützen.
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