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«Das ist ein David-gegen-Goliath-Szenario»

Plakate Pestizidinitiative
Keystone/Anthony Anex

Er will endlich Bewegung in der Agrarpolitik: Biobauer und Grünen-Politiker Kilian Baumann erklärt im Interview, weshalb er die Trinkwasser- und Pestizid-Initiativen unterstützt. Und was das für die Preise für Bio-Produkte bedeuten könnte.

Am 13. Juni kommen zwei Agrarinitiativen an die Urne, die für hitzige Debatten sorgen. Die Trinkwasser-Initiative will, dass Landwirte keine Direktzahlungen erhalten, wenn sie Pestizide einsetzen oder prophylaktisch Antibiotika verwenden und dass sie einen Tierbestand halten, den sie mit eigenem Futter ernähren können. Die Pestizid-Initiative ihrerseits verlangt ein komplettes Verbot von synthetischen Pestiziden und ein Einfuhrverbot von Lebensmitteln, die mithilfe solcher hergestellt wurden oder die solche enthalten.

Ihre Gegner bezeichnen die Initiativen als extrem: Sie würden die Lebensrealität der heutigen Landwirtschaft in der Schweiz verkennen, ihre Forderungen würden den Bäuerinnen und Bauern massiv schaden. Zudem würden sie die selbstgesteckten Ziele nicht erreichen, da die Produktion von Lebensmitteln einfach ausgelagert würde.

Der Berner Kilian Baumann ist Nationalrat der Grünen und Biobauer. Er ist eines der Gesichter des Befürworter-Lagers der beiden Initiativen, obwohl er bei deren Ausarbeitung nicht involviert war. Baumann hat sich immer wieder kritisch über die Sistierung der Reform der Agrarpolitik geäussert und setzt sich für eine merkliche Ausweitung der biologischen Landwirtschaft ein.

swissinfo.ch: In der Schweiz herrscht der Eindruck vor, die «unberührte Natur» des Landes sei vorbildlich. Täuscht das?

Kilian Baumann: Man muss sagen, dass wir mittlerweile in den Rückstand geraten sind. Früher waren wir besser unterwegs, aber in den letzten Jahren wird die Agrarpolitik blockiert, nötige Massnahmen werden gebremst. Schauen Sie auf unsere Nachbarn: Österreich ist hinsichtlich Bioflächen und Biobetriebe wesentlich weiter als die Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg sind uns in Sachen biologische Landwirtschaft voraus. Leider leben wir nicht in der heilen Welt, die wir uns gerne vorstellen.

Diese Problematik ist bekannt – fast täglich lesen wir Berichte über Pestizidrückstände im Trinkwasser, über Quellfassungen, die nicht mehr genutzt werden können, weil die Höchstwerte überschritten wurden, über das Bienensterben, das Verschwinden der Insekten, den Biodiversitätsverlust und so weiter. Auch die Ursachen sind bekannt und die Landwirtschaft ist für einen grossen Teil dieser Probleme mitverantwortlich. Wobei man klar sagen muss, nicht die Landwirtschaft, sondern die Landwirtschaftspolitik. Nicht wir Bauern sind schuld, sondern die politischen Rahmenbedingungen.


Kilian Baumann
Kilian Baumann, Nationalrat der Grünen zVg

Wo fände sich die Schweiz nach Annahme dieser Vorlagen wieder?

Da würden wir einen grossen Schritt vorwärts machen, wenn wir als Land – auf nationaler Ebene – auf den Gebrauch von synthetischen Pestiziden verzichten würde. Und die Tierbestände stärker an die Betriebsfläche gebunden würden.

Bisher gibt es vereinzelt Regionen, die auf synthetische Pestizide verzichten. Würden wir das als ganzes Land machen, hätte das eine wahnsinnige Ausstrahlung ins Ausland. Und ich sehe das auch als Chance. Die Schweiz wäre eine Vorreiterin, die für Nachhaltigkeit, Ökologie und Klimaschutz einsteht – das sind ja die Themen für die Zukunft.

Was ist die Haltung Ihrer europäischen Schwesterparteien zum Thema? Gibt es auch auf EU-Ebene ähnliche Bestrebungen?

Mit dem Green New Deal will man europaweit die Landwirtschaft ökologischer gestalten. Es gibt ähnliche Bewegungen in praktisch allen westlichen Ländern, in denen es Direktzahlungen an Bauern gibt und wo man die Landwirtschaft an ökologische Leistungen knüpft. Denn man ist mit den gleichen Problemen konfrontiert.

Das stösst auf grossen Widerstand, weil von diesen Änderungen auch finanzielle Interessen betroffen wären. Von der intensiven Landwirtschaft und Tierhaltung mit grossem Einsatz von Dünger, Pestiziden und Maschinen, profitieren ja gewisse Kreise.

Die beiden Initiativen werden als «zu radikal» bezeichnet. Wäre etwas milder formulierte Anliegen nicht zielführender gewesen?

Die Übergangsfristen sind mit 8, respektive 10 Jahren grosszügig. Zudem gibt es zuerst noch einen parlamentarischen Prozess, um die Initiative in ordentliches Recht überzuführen. Abgesehen davon gibt es bei der Umsetzung auch einen gewissen Spielraum, etwa bezüglich der Futtermittel, die von der Trinkwasserinitiative betroffen sind.

Man muss auch sagen: Die Initiativen kommen aus Bürgerkomitees, nicht von Parteien oder Verbänden. Es gibt also offenbar ein Unbehagen in der Gesellschaft. Die Politik hat es in den letzten Jahren versäumt, diese Anliegen aufzunehmen. Die Reform der Agrarpolitik ist blockiert und es gibt nicht einmal Gegenvorschläge zu den beiden Initiativen. Darum sagen die Leute jetzt, «es reicht».

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Den Anliegen zum Trotz: Bio ist kein Kassenschlager. Wird sich das mit Annahme der Initiative ändern?

Ja, davon gehe ich aus. Wichtig würden auch die begleitenden Instrumente bei der Umsetzung sein, unter anderem bei den Zöllen. Es ist ja nicht einfach «der Markt», der spielt wie er will. Man kann einiges im Voraus steuern.

Unter den Bio-Produzenten gibt es wegen den Initiativen Streit. So wurde publik, dass der Vorstand des Dachverbands BioSuisse gegen die Trinkwasser-Initiative ist, da es sonst zu viele Biobauern geben würde und die Preise sinken würden.

Ja, eine problematische Haltung, die ich nicht verstehe. Da wird zu stark das Bestehende ins Zentrum gerückt. Unser Ziel muss es sein, die biologische Landwirtschaft auszudehnen. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Preise für die Konsumentinnen und Konsumenten sinken.

Wobei man auch sagen muss, dass im Moment die Grossverteiler die Preise für Bioprodukte mit überrissenen Margen hochtreiben.

Was sagt ihr Bauchgefühl zum 13. Juni? Der Abstimmungskampf beginnt erst.

Man muss sehen: Das sind Bürgerkomitees, die gegen eine Übermacht ankämpfen. Die globalen Agrochemiekonzerne fahren da eine Kampagne, nationale Unternehmen, der grosse Bauernverband. Das ist ein David-gegen-Goliath-Szenario.

Das wird schwierig, aber es ist wie immer in der Schweizer Politik: Steter Tropfen höhlt den Stein. Vor allem bei Agrarinitiativen ist es so, dass man zwar eine Abstimmung verlieren, aber dennoch gewisse Veränderungen anstossen kann. Dass die Diskussionen bereits im Vorfeld so emotional geführt werden, zeigt doch, dass die Initiativen den Finger auf einen wunden Punkt gelegt haben. Jetzt wird immerhin über die Probleme gesprochen, das ist für langfristige Veränderungen natürlich sehr wichtig.

Martin Rufer setzt sich gegen die beiden Initiativen ein. Im Interview erklärt er warum:

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