Schweizer Startup an vorderster Front im Kampf gegen Lebensmittelabfälle
Schimmelpilze sind der Erzfeind Nummer Eins von Erdbeeren, Bananen und anderem geernteten Obst und Gemüse. Mit einer international patentierten biologischen Methode haben das Waadtländer Startup AgroSustain und seine Gründerin Olga Dubey diesen Schädlingen den Kampf angesagt.
Pathogene PilzeExterner Link sind die Hauptursache von Pflanzenkrankheiten und verursachen in der Landwirtschaft pro Jahr weltweit Schäden in Höhe von schätzungsweise 200 Milliarden Franken. Nicht nur die Landwirte sind von dieser Geissel betroffen: Die gefürchtete Graufäule entsteht häufig nach der Ernte und zieht für Obst- und Gemüse-Grosshändler Abfälle und beträchtliche Ertragseinbussen (60 Milliarden Franken) nach sich.
«Wir bieten eine wirksame, wirtschaftliche und biologische Alternative zu den bisher ausschliesslich chemischen Lösungen»
Olga Dubey, Gründerin von AgroSustain
«Schimmelpilze sind für einen Drittel aller Verluste nach der Ernte verantwortlich. Das Problem ist besonders akut in Entwicklungsländern, wo die Lagerung und der Transport von Lebensmitteln nicht immer optimal sind», unterstreicht die 28 Jahre alte Olga Dubey, Gründerin des Startup-Unternehmens AgroSustainExterner Link.
Das junge Unternehmen für nachhaltige Landwirtschaft mit Sitz im Kanton Waadt hat den Ehrgeiz, diese schädlichen Organismen in den Griff zu bekommen. Das Rezept: Ein natürliches Produkt auf Pflanzenbasis mit dem Namen AgroShelf+, das in der Lage ist, die Entwicklung verschiedener pathogener Pilze einzudämmen und so die Haltbarkeit von zahlreichen Obst- und Gemüsesorten zu verlängern.
Pestizide auf der schwarzen Liste
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Lausanne identifizierte Olga Dubey ein Molekül mit starken antimykotischen (d.h. wirksam gegen Pilzbefall) Eigenschaften. «Dieses Molekül, das in Pflanzen natürlich vorkommt, hat den Vorteil, dass es durch einen organischen Syntheseprozess extrahiert werden kann. Wir bieten damit eine wirksame, wirtschaftliche und biologische Alternative zu den bisher ausschliesslich chemischen Lösungen», erklärt Dubey.
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In der Schweiz ist es nicht erlaubt, landwirtschaftliche Produkte nach der Ernte mit synthetischen Pestiziden zu behandeln. Wie die USA erlauben jedoch viele andere Länder diese Praxis. Pestizide werden aber heute wegen ihrer schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt immer mehr kritisiert. Ein Umstand, der Olga Dubey offensichtlich nicht entgangen ist.
«Es gibt eine globale Bewegung hin zu einer gesünderen und ökologischeren Lebensweise. Ich bin davon überzeugt, dass sich mit genügend Erfahrung, Wissen und der geeigneten Technologie alle Antworten auf unsere Probleme in der Natur finden lassen», schätzt die Jungunternehmerin.
Ein Startup im Alter von 26 Jahren
Eine Überzeugung, die auf ihre frühste Kindheit zurückgeht, als sie einen grossen Teil ihrer Zeit im Gemüsegarten ihrer Grosseltern in Russland verbrachte. «Schon als kleines Kind war ich mir den Herausforderungen für die Lagerung von Lebensmitteln bewusst. Das blieb immer irgendwie in meinem Kopf hängen und war wahrscheinlich auch der Grund für meine Studienwahl», erklärt Olga Dubey.
«Ich liebe die Forschung, hatte aber auch immer den Ehrgeiz, etwas zu tun, das für die Menschen von Nutzen ist»
Olga Dubey, Gründerin von AgroSustain
Kaum hatte sie ihr Studium in Molekularbiologie abgeschlossen, gründete die damals kaum 26 Jahre alte Frau mit ihrem Mann Sylvain Dubey und mit Jean-Pascal Aribot, das Startup AgroSustain. Sie ist die Geschäftsführerin, ihr Mann, ein Doktor der Biologie, ist der technische Verantwortliche (CTO) und Aribot der Vertriebsleiter (CCO).
«Ich liebe die Forschung, hatte aber auch immer den Ehrgeiz, etwas zu tun, das für die Menschen von Nutzen ist. Daher entschied ich mich nach meiner Entdeckung, das Labor zu verlassen, um die Entwicklung dieses neuen Produkts an die Hand zu nehmen und meine eigene Firma zu gründen», erklärt sie auf Englisch mit russischem Akzent.
Viel Unterstützung
AgroSustain, das unterdessen neun Angestellte hat, konnte sich in einer ersten Finanzierungsrunde Ende letzten Jahres eine Million Franken beschaffen. Eine neue Finanzierungsrunde ist in Kürze geplant, um die Markteinführung des ersten Produkts bis 2021 zu ermöglichen. Daneben hat das Startup verschiedene Darlehen und Auszeichnungen von Institutionen erhalten, die sich für Innovationsförderung einsetzen.
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Man muss sagen, dass die Entdeckung von Olga Dubey bei den Akteuren des Sektors auf reges Interesse stösst. Unter strenger Geheimhaltung wurden bereits Partnerschaften mit bedeutenden Lieferanten in der Schweiz und im Ausland eingefädelt. Seit einiger Zeit wurden auch schon Kaufangebote laut.
«AgroSustain steht nicht zum Verkauf. Andererseits sind wir offen für allfällige Kooperationen, die uns ermöglichen würden, unsere Produkte breiter zu verbreiten», sagt Dubey, die eben in das aktuelle jährliche Ranking des Magazin ForbesExterner Link der 30 besten Unternehmerinnen und Unternehmer unter 30 Jahren in der Kategorie Wissenschaft und Gesundheit aufgenommen wurde.
Interesse der Eidgenossenschaft
Auch die öffentlichen Akteure stehen dem Potential von AgroSustain nicht gleichgültig gegenüber. So unterzeichnete das Startup ein Partnerschaftsabkommen mit Agroscope in Changins, einem der insgesamt sieben Standorte des Kompetenzzentrums des Bundes für landwirtschaftliche Forschung.
«Es ist das erste Mal, dass eine solche Zusammenarbeit auf die Beine gestellt wurde. Die Integration ist fast total, denn wir nutzen die gleichen Lokalitäten und bemühen uns, unser Wissen maximal zu bündeln», erklärt Katia Gindro, Leiterin der Forschungsgruppe Mykologie und BiotechnologieExterner Link in Changins.
Diese Art Partnerschaft, die von beiden Seiten sehr geschätzt wird, könnte im Verlauf der kommenden Jahre weiterentwickelt werden. In der Tat scheinen alle auf ihre Kosten zu kommen.
Risikoreduktion
Auf Seiten von AgroSustain schätzt man den Zugang zu führender Expertise in der Agrarforschung und die Bereitstellung von optimaler Infrastruktur – Labors, Gewächshäuser und landwirtschaftliche Flächen – für die Durchführung von Feldversuchen unter realen Bedingungen.
Die Fachleute des Bundes sehen in der Partnerschaft ihrerseits ein Instrument zum Kontakt mit Wirtschaftskreisen, die an der Entwicklung innovativer agro-technologischer Produkte beteiligt sind. Zudem steht diese Zusammenarbeit perfekt im Einklang mit dem Aktionsplan der EidgenossenschaftExterner Link zur Reduktion der Risiken, die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbunden sind.
«Wir werden in Zukunft auf gewisse synthetische Pestizide und Fungizide verzichten müssen. Dies ist vor allem der Fall bei Travacid, das zur Begrenzung der Entwicklung von Pilzbefall eingesetzt wird, unter anderem gegen Graufäule bei Stecklingen und gepfropften Reben. Die Arbeit von AgroSustain ist in dieser Hinsicht sehr wichtig und könnte auch in anderen Landwirtschaftssektoren Anwendungen finden», erklärt Katia Gindro.
Schweizer Agrotech-Triebe
Hors-Sol-Salatkulturen (Combagroup), Roboter mit Solarantrieb zur Unkrautbekämpfung auf Feldern (EcorobotixExterner Link), Indikatoren zur Erfassung der ökologischen Auswirkungen von Nahrungsmitteln (Beelong) oder Drohnen, die spezialisiert sind auf das Scannen von landwirtschaftlichen Betrieben (Gamaya): In der Schweiz gibt es eine wachsende Zahl von Startups, die sich mit der Entwicklung neuer Technologien im Agrar- und im landwirtschaftlichen Nahrungsmittelsektor befassen.
Diese jungen Triebe spriessen vor allem im Umfeld der Eidgenössischen Technischen Hochschulen, des Forschungsentwicklungszentrums von Nestlé und der landwirtschaftlichen Forschungszentren des Bundes. Im Gegensatz zum Health Valley befindet sich dieses Ökosystem jedoch noch in einer embryonalen Phase. Die Landwirtschaft ist auf dem Weg zu neuen Technologien in der Tat einer der letzten Wirtschaftssektoren.
«Diese Startups sind in sehr unterschiedlichen Bereichen aktiv, so dass es zwischen uns keine eigentliche Konkurrenz gibt. Im Gegenteil, die Menschen, die in dieser Gemeinschaft aktiv sind, sind sehr solidarisch und zögern nicht, sich bei Bedarf gegenseitig zu helfen», unterstreicht die Gründerin von AgroSustain.
Kontaktieren Sie den Autor dieses Artikels auf Twitter: @samueljabergExterner Link
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)
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