«Alles Gold, das importiert wurde, ist legal»
Die Schweiz, die rund 70% des weltweiten Goldes raffiniert, gerät zunehmend unter Druck. Grund ist unter anderem auch illegaler Abbau in den Herkunftsländern. Jetzt spricht ein Schweizer Goldveredler, der wegen seiner Verbindungen mit Peru in der Kritik steht.
Seit Jahren bringen Berichte über Umweltzerstörung, ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverstösse beim Goldabbau in Peru Schweizer Rohstofffirmen in ein schiefes Licht. Eine davon ist PX Precinox. Die Firma aus La Chaux de Fonds verarbeitet Gold aus den Adern in den Anden.
Einige Unternehmen stoppten die Zusammenarbeit mit den dortigen Goldjägern, um den Risiken des Handels mit illegalem Gold aus dem Weg zu gehen. Andere, darunter auch Juweliere und Uhrmacher, förderten Initiativen für eine bessere Transparenz bei den Liefer- und Wertschöpfungsketten.
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Sauberes Gold: Setzt die Schweiz neue Standards?
Im September reichte nun die Schweizer Regierung bei der Weltzollorganisation einen Vorschlag für neue Richtlinien ein. Ziel: Transparenz über die Gewinnung sowie Rückverfolgbarkeit von Gold im internationalen Handel. So sollen die Zollbehörden bei der Einfuhr zwischen raffiniertem und nicht raffiniertem Gold unterscheiden können.
Die im Kanton Jura ansässige Raffinerie PX Precinox verfügt in Peru über eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Minera Veta Dorada. Die Firma kauft Gold von Schürfern, die in der Regel als unabhängige Mineure zertifiziert sind.
Dieses Label umfasst jedoch auch Bergleute, die mit schweren Maschinen arbeiten, darunter Bagger und Lastwagen für den Transport des Ausbruchmaterials. Ihre Zahl hat mit dem Anstieg des Goldpreises seit der Finanzkrise von 2008 noch zugenommen.
Veta Dorada, die dem kanadischen Bergbau-Konzern Dynacor gehört, wurde kürzlich in einer Untersuchung * erwähnt, die nach einer landesweiten Polizeiaktion erfolgte, bei der illegale Minenschächte freigelegt und Goldtransporte beschlagnahmt worden waren.
Unter den Festgenommenen befanden sich Mitglieder der kriminellen Organisation «Los Topos» (Die Maulwürfe). Sie hatten die Identität von Bergarbeitern mit legalem Status benutzt, um illegales Golderz zu transportieren. Dieses war in Schächten abgebaut worden, die hinter falschen Gebäudefassaden versteckt waren.
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Wie die Schweiz schmutziges Gold zum Glänzen bringt
Externer LinkPhilippe Chave, der CEO von PX Precinox, hatte zu einem früheren Zeitpunkt betont, dass das Gold, das seine Firma seit 2015 aus Peru gekauft hat, legal abgebaut worden sei. Zudem würde seine Firma mit den Ermittlungsbehörden kooperieren.
swissinfo.ch: Wie waren Sie 2015 in Peru gestartet?
Philippe Chave: Wir sahen auf dem Markt und in der Öffentlichkeit ein wachsendes Bewusstsein, was die Beschaffung von Gold angeht. Vor zwanzig Jahren hatte sich niemand wirklich um die Bedingungen beim Abbau von Gold gekümmert. Wir dachten, dies sei eine Gelegenheit, eine weitere Stufe der Rückverfolgbarkeit zu etablieren, um zeigen zu können, woher das Gold stammt und unter welchen Bedingungen es gewonnen wurde. Es gab eine riesige Lücke und ein riesiges Potenzial.
Registrierte Bergleute dort und die Luxusindustrie hier sind die beiden Extreme der Wertschöpfungskette. Sie sind voneinander abhängig, kennen einander aber nicht. Um dem Bergbausektor zu helfen, muss man die Öffentlichkeit und die Menschen in der Branche aufklären, erklären, was auf dem Spiel steht und wie wir sie unterstützen können.
Einige sagen, die Lösung sei der industrielle Bergbau. Aber das ist nicht möglich. Es geht um Millionen von Menschen, die schlicht nur versuchen zu überleben. Die einzige Lösung besteht darin, sie zu ermutigen, die Informalität hinter sich zu lassen. Wenn sie keine Steuern zahlen, wie können sie je zu den dringend benötigten Infrastrukturen kommen, und wie kann man von Rückverfolgbarkeit sprechen?
Mit Dynacor fanden wir vor Ort einen Partner, der unsere Werte und unsere Vision teilt, und wir beschlossen, diese strategische Allianz einzugehen.
Woher kommt das Golderz, das in der peruanischen Anlage in Chala verarbeitet wird, mit der Sie zusammenarbeiten?
Aus ganz Peru und von verschiedenen Erzproduzenten. Die Basis besteht aus rund 400 bis 600 Bergleuten. Aber diese Zahl schwankt, da die Bergleute auch an andere Werke verkaufen können. Dynacor hat eine Liste mit Kriterien, welche die Bergleute erfüllen müssen: Sie müssen bei der Regierung registriert sein, eine Steuernummer haben sowie das bescheinigte Recht innehaben, auf einer bestimmten Konzession zu arbeiten. Bei jeder einzelnen Transaktion gibt es eine Überprüfung.
Die Bergleute haben die Wahl. Sie könnten traditionelle Methoden nutzen und Quecksilber verwenden, um das Gold selber zu gewinnen. Aber wir schätzen, dass sie so nur rund die Hälfte des Goldes herauslösen.
Dynacor hingegen kann (wenn die Bergleute ihr Erz an Veta Dorada liefern) 95% herauslösen. Die Firma wickelt die Geschäfte so ab, wie wir es in der Schweiz tun. Der Prozess erfolgt in einer ordnungsgemässen industriellen Einrichtung. Dabei werden Chemikalien verwendet, aber kein Quecksilber. Da Dynacor eine hohe Rückgewinnungsrate bietet, könnte es für Bergleute attraktiv (oder attraktiver) sein, ihr Erz an diesen Verarbeiter zu verkaufen.
Wie funktioniert das Geschäft am anderen Ende, also bei Ihnen?
Wir berechnen unseren Kunden (Juwelieren und Uhrmachern) eine «Impact»-Prämie entsprechend den Mengen, zu deren Abnahme sie sich über ein Jahr verpflichten. Wir sind transparent, was wir mit diesen Mitteln machen. Sie werden zu 100% für Impact-Projekte verwendet.
Das schafft einen Schneeballeffekt. Je mehr wir in diese Gemeinden investieren, desto mehr erkennen die Bergleute, warum es für sie von Interesse ist, aus der Informalität zu treten und sich registrieren zu lassen. Je mehr Menschen für den Verkauf ihres Erzes qualifiziert sind, umso mehr Gold bringen wir auf den Markt und umso mehr Prämiengeld können wir in die Gemeinschaft zurückfliessen lassen. Dies ist die Dynamik, die wir erzeugen wollen.
Sie sagen, die Bedingungen seien für die Bergleute günstig. Wie meinen Sie das?
Die Bergleute sind nicht «gefangen» in dieser Geschäftsbeziehung. Wenn sie Golderz zum Verkauf anbieten, werden Reinheitstests durchgeführt, um festzustellen, ob es sich um geschwefeltes oder oxidiertes Erz handelt und wie viel Gold darin enthalten ist. Wenn der Mineur findet, dass die berechnete Goldmenge gut ist, dürfte er bei Dynacor bleiben. Wenn er glaubt, dass er anderswo ein besseres Geschäft macht, kann er in einem anderen Werk verkaufen.
Wie wird das Gold gewonnen, und wie viel Gold wird normalerweise aus einer Tonne Erz ausgelöst?
Der Durchschnitt liegt bei etwa 0,8 Unzen pro Tonne. Das sind 24 Gramm. Das Gold wird aus engen Adern im Gestein gewonnen, die eine industrielle Beschaffung erschweren. Diese Adern eignen sich für den manuellen Abbau. Da das Gold in diesen schwer zugänglichen Adern konzentriert ist, muss der Gehalt in diesen Adern hoch sein. Sonst lohnt sich der Abbau nicht.
Was genau geschah bei den Polizeirazzien im Februar?
Wir wurden von Dynacor am Tag, an dem es geschah, informiert. Alle Transaktionen und Geschäfte mit Personen, die mit den Ermittlungen in Verbindung standen, wurden bestätigt und waren regelkonform. Wir haben eine recht grosse Zahl von Bergleuten, mit denen Dynacor zusammenarbeitet, und überprüfen jede einzelne Transaktion.
Von allen Bergarbeitern, mit denen Dynacor zusammenarbeitet, gab es fünf Personen, die zwar über Abbau-Konzessionen der Behörden verfügten. Doch sie waren auch an einem illegalen Abbau von Gold im Gebiet beteiligt.
Hatten die Bergleute, die am illegalen Goldabbau in Parcoy im Norden Perus beteiligt waren, auch Geschäfte mit Dynacor-Veta Dorada gemacht?
Die fünf Bergleute hatten irgendwann Geschäfte mit Minera Veta Dorada getätigt. Daher wurde das Gold, das exportiert werden sollte, beschlagnahmt, um zu prüfen, ob es Verbindungen zu «Los Topos» gab. Was Dynacor betrifft, gab es bisher keine Anklagen oder Festnahmen, da alles darauf hindeutet, dass alle Vorschriften eingehalten wurden.
Die lokale Presse berichtete, dass riesige Goldmengen in der Schweiz gewaschen worden seien. Aber das ist falsch. Alles Gold, das importiert wurde, ist legal. Es ist einfach, aus bestimmten Interpretationen falsche Schlüsse zu ziehen, besonders wenn die einzige Informationsquelle die Medien in Peru sind. Tatsache ist, dass es keinen illegalen Goldfluss zwischen Peru und der Schweiz gab.
Machen Sie sich Sorgen darüber, mit wem Sie geschäftlich zu tun haben könnten?
Ja, wir machen uns Sorgen, und Dynacor auch. Wir bemühen uns daher, in unserem Verifizierungsprozess noch einen Schritt weiter zu gehen und weitere Ebenen hinzuzufügen. Mit diesen jüngsten Ereignissen möchten weder wir noch Dynacor in Verbindung gebracht werden.
Diese Vorgänge sind sehr kontraproduktiv und stehen nicht im Einklang mit den Werten unserer Unternehmen. Wir sind entschlossen, dieses Problem anzugehen. Aber es ist eine komplexe Welt, insbesondere in der Welt des Bergbaus in Peru. Wir müssen die richtigen Massnahmen treffen auf unserem Weg zum Nullrisiko.
Wie riskant ist es, in Peru aktiv zu sein?
Bergbau ist immer riskant, vor allem, wenn man das Erz von einer grossen Zahl von unabhängigen Bergleuten bezieht. Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken: Wenn wir über illegales Gold aus [der südöstlichen Bergbauregion] Madre de DiosExterner Link** sprechen, dann sprechen wir über Abholzung, Quecksilberverschmutzung, Kinderarbeit, Menschenhandel usw. Aber Dynacor kauft niemals Erz aus diesen hochsensiblen Gebieten.
Darum geht es, wenn man von illegalem Gold spricht. Im oben erwähnten Fall arbeiteten die Bergleute nicht in einem Konfliktgebiet, und es wurde kein Quecksilber verwendet. Wir sollten die Dinge in die richtige Perspektive rücken. Die Leute bringen die Dinge oft durcheinander.
Im letzten Jahr beschloss Metalor, eine andere Schweizer Goldraffinerie, die Einfuhr von Gold aus kleinen Minen in Lateinamerika gänzlich einzustellen. Doch nachdem das Unternehmen kritisiert wurde, weil es die nachhaltige Gewinnung von Gold nicht unterstütze, teilt es mit, mit einer kleinen Bergbaufirma in Peru und der Schweizer Initiative «Besseres Gold» (Better Gold Initiative, BGIExterner Link) zusammenzuarbeiten. Überdenken Goldraffinerien in der Schweiz ihre Strategien?
Sie sehen, was wir tun. Ich sage nicht, dass in einem Schweizer Umfeld alles perfekt ist. Aber wir bewegen uns vorwärts und versuchen, die Dinge zu ändern. Nach der Ankündigung von Metalor im letzten Jahr fragten uns Kunden, ob wir immer noch aus Peru kaufen würden. Wir sagten ja. Einige Kunden hatten uns unter Druck gesetzt, dem Beispiel Metalors zu folgen. Deshalb sitzen wir hier zusammen, um einen Dialog zu führen. Sonst ist es für die Schweizer Luxusbranche kontraproduktiv, gerade im Hinblick auf Risiko und Image.
Es gibt Menschen, die im manuellen Bergbau sehr gute Arbeit leisten. Wir haben einen guten Partner in diesem Gebiet gewählt. Es ist ein gutes Beispiel für eine Erfolgsgeschichte in Sachen Transparenz. Viele unabhängige Bergleute sind organisiert wie KMUs (kleine und mittlere Unternehmen), sie sind klein und mechanisiert.
Zu sagen: «Geben wir das doch alles auf», ist nicht die Lösung und würde nur dazu führen, diese Bergleute in die Informalität zu drängen. Was die Medien angeht, müssen wir offen sein und dazu stehen, was falsch läuft. Dazu braucht es aber Konsultationen und einen konstruktiven Dialog.
Die Alternative wäre sonst, dass eine Raffinerie Glückwünsche erhält, wenn sie sich aus dem manuellen Abbau zurückzieht. Aber bedeutet ein solcher Rückzug auch, verantwortungsbewusst zu handeln.
Wie werden Audits und Überprüfungen während der Pandemie durchgeführt, da Flüge und sogar der nationale Transport in Peru wegen des Lockdowns gestoppt wurden?
Die Überprüfungen müssen weiterhin durchgeführt werden, mit oder ohne Covid-19. Es gibt keine Transaktionen ohne Verifizierung. Wir haben ein Programm mit zusätzlichen Ebenen von Kontrollen, für die diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit ein Hindernis darstellt. Wir tun unser Bestes und fahren mit der Verifizierung für jede einzelne Transaktion fort.
Nach Ausbruch der Pandemie zeigten Daten des peruanischen Zolls, dass Goldsendungen an Ihre Firma über Miami liefen statt direkt nach Zürich.
Die Logistik änderte sich wegen Covid-19. Normalerweise werden wertvolle Güter über kommerzielle Flüge und nicht über Frachtflüge abgewickelt. Doch die üblichen Routen sind nicht verfügbar. Nun werden die Waren von Lima nach Florida, und von dort zunächst in den Nahen Osten transportiert, bevor sie schliesslich nach Zürich kommen. Leider gibt es im Moment keine anderen Möglichkeiten, das Gold zu uns zu bringen.
Wie gut schneidet Peru dabei ab, Bergleute auf ihrem Weg zu unterstützen und die illegalen Praktiken zu unterbinden?
Wir glauben, dass es in Peru Potenzial gibt. Aber auch grosse Herausforderungen. Dennoch glauben wir, dass die Dinge verbessert werden können, und wir haben dabei eine Rolle zu spielen. Aber wir müssen alle Interessengruppen einbeziehen. Alleine können wir keine Probleme lösen, die seit Jahrzehnten ungelöst sind. Wir brauchen die Unterstützung der Öffentlichkeit, der Medien, der NGOs und auch des Marktes.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
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