Wie man Geld nachhaltig und dennoch profitabel verwaltet
Keine Boni sowie Kredite und Anlagen nur für Finanzprodukte, die soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien erfüllen: Die Alternative Bank Schweiz verwaltet seit 30 Jahren Kundengelder nach selbstgewählten ethischen Grundsätzen. Michael Diaz, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Anlegen, erklärt, wie das funktioniert.
Die Schweiz soll eine international führende Plattform für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden. Dies ist das Ende Juni vom Bundesrat angekündigte Ziel, wonach transparente und nachhaltige Investitionen eine Chance sind, die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes auf den Weltmärkten zu sichern.
Ein Vorbild gibt es bereits: Die 1990 gegründete Alternative Bank SchweizExterner Link ist eine Referenz im Bereich der ethischen Finanzen. Die Bank mit Sitz in Olten finanziert Projekte und investiert in Unternehmen, wobei sie auf Gewinnmaximierung verzichtet und der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit Priorität einräumt.
Auch bei der internen Verwaltung werden Grundsätze befolgt: kein Bonus sowie Transparenz und gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell: Die Alternative Bank schloss das vergangene Jahr mit einer Steigerung von Umsatz, Gewinn und Kundenstamm ab.
swissinfo.ch: Welche Grundsätze befolgen Sie bei der Vergabe von Krediten und Investitionen?
Michael Diaz: Wir haben es uns von Anfang an zur Aufgabe gemacht, die Realwirtschaft und nicht die Finanzspekulation zu fördern und mit dem Geld, das wir für Kredite oder Investitionen verwenden, einen Nachhaltigkeitseffekt zu erzielen. Wir haben in Richtlinien definiert, welche Sektoren wir unterstützen wollen – beispielsweise erneuerbare Energien, Elektromobilität, biologische Landwirtschaft oder sozialer und ökologischer Wohnungsbau.
Wir haben auch Branchen aufgelistet, die wir ausschliessen, wie fossile Brennstoffe, Fluggesellschaften, die traditionelle Autoindustrie, die Waffen- oder Tabakindustrie sowie Unternehmen, denen der Schutz der Menschenrechte egal ist. Die Liste der ausgeschlossenen Sektoren ist länger als die, die wir unterstützen.
Auf welche Weise wird Geld investiert?
Ein Teil wird in klassische Finanzinstrumente wie Aktien, Obligationen oder Fonds, aber auch in innovativere Instrumente wie «Greenbonds» (Klimaanleihen) investiert. Mindestens die Hälfte des Geldes wird jedoch für «Impact-Investitionen» verwendet, also für Investitionen, die eine direkte soziale oder ökologische Wirkung erzielen sollen. Dies geschieht zum Beispiel durch Mikrokredite, vor allem in Entwicklungsländern, oder die so genannte «trade finance», die ich besonders attraktiv finde.
Dabei handelt es sich um Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen, die nicht über Eigenkapital, Sachwerte oder andere Mittel verfügen, die von einer Bank als Sicherheit für die Finanzierung akzeptiert werden. Was sie hingegen haben, sind offene Schuldner, sie bekommen ja Geld für ihre Produkte oder Dienstleistungen. Dies ist im Grunde ein Vermögenswert, eine ausreichende Garantie für Investitionen in die Handelsfinanzierung. Das sind sehr nützliche Instrumente zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung auf lokaler Ebene, insbesondere in Lateinamerika und Afrika.
Sind Investitionen dieser Art weniger rentabel als solche in klassische Finanzinstrumente, wie beispielsweise Börsenpapiere?
Die Renditen sind nicht sehr hoch, nach unseren Erfahrungen liegen sie im Durchschnitt zwischen 2 und 4%. Das ist nicht schlecht in einem Kontext niedriger Zinssätze wie dem gegenwärtigen, aber offensichtlich können Aktien in Zeiten boomender Börsen viel rentabler sein.
Diese Investitionen haben jedoch den Vorteil, dass sie sehr stabil sind und eine geringe oder verzögerte Korrelation mit den traditionellen Finanzmärkten aufweisen: So blieb beispielsweise die Rendite von Mikrokrediten im März, als die Börsenindizes zusammenbrachen, fast unverändert. Sie bieten daher ausgezeichnete Möglichkeiten zur Diversifizierung, insbesondere wenn Sie einen recht langen Anlagehorizont haben.
Wie können Sie sicherstellen, dass das Geld, das Sie investieren, auch tatsächlich nachhaltig verwendet wird, insbesondere im Fall von weit entfernten Ländern?
Bei «Wirkungsanlagen» ist die Überwachungsarbeit deutlich komplexer und schwieriger. Dabei handelt es sich in der Regel um kleine oder mittlere Unternehmen, die keinen Jahresbericht veröffentlichen und für die nur wenige Daten zur Verfügung stehen. Daher sind weitere Recherchen erforderlich, die wir zum Teil in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen durchführen. Es ist wichtig, gute Beraterinnen und Berater zu haben, um die tatsächlichen Auswirkungen, aber auch die Risiken und Chancen solcher Investitionen beurteilen zu können.
Bei den klassischen Anlagen in Aktien oder Obligationen gibt es eine Vielzahl von Informationen über börsennotierte Unternehmen. Hier besteht für uns die Herausforderung vielmehr darin, all diese Daten zu analysieren, um zu verstehen, was für uns aus einer Nachhaltigkeitsperspektive relevant ist oder ob zum Beispiel ein Reputationsrisiko besteht.
Wie viele SMI-Unternehmen – SMI ist der wichtigste Aktienindex der Schweiz – befinden sich in Ihrem Portfolio?
Drei. Mit Sicherheit keine Banken, keine Pharmaunternehmen und auch nicht der Nahrungsmittelgigant Nestlé. Wir analysieren die Bestände auf der Grundlage sehr strenger Kriterien, wobei die positiven und negativen Punkte der ökologischen und sozialen Aktivitäten bewertet werden. Nur wenige Schweizer Unternehmen erfüllen diese Kriterien. Unser Portfolio umfasst rund 200 Unternehmen, von denen nur etwa fünfzehn Schweizer sind.
Grosse Unternehmen, die sehr komplexe Aktivitäten durchführen, erfüllen Ihre Nachhaltigkeitskriterien praktisch nie zu 100%.
Wenn man nach Nachhaltigkeitskriterien investiert, gibt es kein Schwarz-Weiss, sondern nur viele Grautöne. Je grösser das Unternehmen, desto schwieriger wird die Bewertung. Die Herausforderung besteht darin zu entscheiden, wann eine Investition als akzeptabel angesehen werden kann und wann nicht.
Wenn in einem Unternehmen, in das wir investiert haben, Problembereiche auftauchen, versuchen wir, es zur Erhöhung der Transparenz und Nachhaltigkeit zu drängen. Um bessere Erfolgschancen zu haben, üben wir diesen Druck gewöhnlich zusammen mit anderen Investoren aus, welche die gleichen Prinzipien haben wie wir.
Der Bundesrat hat kürzlich seine Absicht bekannt gegeben, den Schweizer Finanzplatz zu einem der weltweit führenden Zentren für nachhaltige Finanzen zu machen. Was halten Sie davon?
Es ist gut, dass sich etwas bewegt, aber im Vergleich zu anderen Ländern ist es immer noch zu wenig. Die EU ist uns bei den Vorschriften in diesem Bereich voraus. In der Schweiz haben wir bereits seit den 1990er-Jahren Erfahrung mit nachhaltigen Anlagen, es gibt ausgezeichnete Produkte, und ihr Volumen ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Aber der Regulierungsrahmen ist immer noch zu schwach.
So gibt es beispielsweise in der Schweiz noch keine Standards oder Labels, um zu wissen, ob ein Finanzprodukt tatsächlich den Nachhaltigkeitsprinzipien entspricht. Ein normaler Kunde kann nicht selbst beurteilen, inwieweit die Aktivitäten eines Unternehmens mit diesen Grundsätzen übereinstimmen. Es gibt daher zu wenig Transparenz und ein grosses Risiko, dass Unternehmen dem «Greenwashing» verfallen.
Die EU hingegen führt eine eigene Taxonomie ein, um genauer zu definieren, welche Aktivitäten als nachhaltig in Bezug auf die Umwelt angesehen werden können und welche nicht. Die Schweizer Regierung hat noch nicht die Absicht, diesen Weg zu beschreiten oder gar konkrete Massnahmen zu ergreifen. Diesen Rückstand werden wir nicht aufholen können.
Nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) Negativzinsen einführte, tat die Alternative Bank vor vier Jahren dasselbe für die Konten ihrer eigenen Kunden. Wie wurde dies aufgenommen?
Es erregte unglaubliches Interesse, wir wurden sogar vom Wall Street Journal und vom japanischen Fernsehen kontaktiert. Und wir haben eindeutig auch viele Reaktionen von unseren Kunden erhalten. Die meisten verstanden, dass es nach der Entscheidung der SNB viel transparenter war, negative Zinssätze einzuführen, als die Gebühren und Entgelte für die Kontoführung zu erhöhen, wie es die anderen Banken taten.
Wir haben unseren Kundinnen und Kunden erklärt, dass wir aufgrund Überliquidität der SNB Negativzinsen entrichten müssen und darüber hinaus mit diesem Geld keine Wirkung erzielen. Wir hatten etwa 100 Millionen Franken an Liquidität über der Freigrenze. Wir luden sie stattdessen ein, mit uns nach Möglichkeiten zu suchen, wie man mit dem Geld eine ökologische oder soziale Wirkung erzielen kann. Nur während eines einzigen Monats haben wir mehr Kunden verloren als Neue dazugewonnen. Ich denke aber, dass nur eine Bank wie die unsere eine solche Massnahme einführen kann.
Sibilla Bondolfi
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