Kreative Lösungen verlangt: Mikroplastikforschung in der Antarktis
Die Untersuchung von Meerwasser auf Mikroplastikverschmutzung ist in der Theorie relativ einfach: Man filtert eine grosse Menge Wasser und analysiert die vom Filter zurückgehaltenen Partikel. Doch in einer so unberührten Umgebung wie dem Südpolarmeer ist dies komplizierter als ursprünglich angenommen.
Erst letztes Jahr haben Forscher:innen unseres Labors in Basel herausgefunden, dass in den antarktischen Gewässern Mikroplastik vorkommt, jedoch in geringer Konzentration: Im Durchschnitt wurde ein Mikroplastikfragment pro 25’000 Liter Wasser gefunden. Bei mehr als der Hälfte der untersuchten FragmenteExterner Link handelte es sich jedoch offenbar um Farbsplitter des Forschungsschiffs Polarstern, mit dem das Team unterwegs war.
Zum Sammeln der Proben hatten die Forscher:innen Manta-Netze verwendet. Diese gleichen von oben einem Mantarochen und werden an der Wasseroberfläche entlang gezogen. Zudem wurden Filter an der Meerwasserpumpe des Schiffs angebracht. Die Farbsplitter des Schiffs wurden in beiden Arten von Proben gefunden, was darauf hindeutet, dass das Schiff ständig Farbe abgibt.
Feldnotizen aus der Antarktis
In diesem Frühjahr sind Kevin Leuenberger (links) und Gabriel Erni Cassola von der Universität Basel an Bord des deutschen Eisbrechers «Polarstern» im Südpolarmeer unterwegs. Die Forscher wollen herausfinden, wie Tiere und Bakterien in der Antarktis durch Mikroplastik beeinträchtigt werden. In diesem Blog geben sie uns einen Einblick in ihre Arbeit und das Leben an Bord einer Polarexpedition.
Auf unserer Expedition wollten wir mehr Meerwasser filtern, aber mit einer anderen Methode, um das Problem der von der von der Polarstern stammenden Farbpartikel zu vermeiden. Dazu haben wir mit anderen Forscher:innen an Bord zusammengespannt, die Wasserproben über den «Moonpool» sammeln.
Ein «Loch» in der Mitte des Schiffes, das wie ein Brunnen aussieht und den Zugang zum Meerwasser unter dem Kiel in elf Metern Tiefe ermöglicht. Dort hat die Schiffsbesatzung einen Schnorchel installiert, um Proben von Wasser zu nehmen, das nicht mit dem Schiff in Berührung gekommen ist. So wurde dieses höchstwahrscheinlich nicht mit Farbpartikeln verunreinigt.
Die neue Methode war vielversprechend. Allerdings war es etwas schwierig, die richtigen Adapter zu finden, um die Pumpe unseres Mitarbeiters an unsere Schläuche anzuschliessen. In der Meeresforschung geht es manchmal auch nur darum, die richtigen Schlauchadapter zu finden.
Diese Art der Wasserprobenentnahme kann nur durchgeführt werden, wenn kein Meereis vorhanden ist, da sonst der Schnorchel beschädigt werden könnte. In diesem Spätsommer in der Antarktis und mit sturmbedingten Verzögerungen hatten wir jedoch viel Meereis auf unserer Route. Nach drei Probenahmen mussten wir unsere Vorrichtung wieder abbauen und die Wasserproben wie in den Vorjahren aus dem schiffseigenen Seewasservorrat entnehmen.
Da die Bedingungen an Bord für die Analyse dieser Proben nicht geeignet sind – das Kontaminationsrisiko ist zu hoch – werden wir erst nach unserer Rückkehr an Land wissen, wie unsere Proben aussehen und wie sie im Vergleich zu früheren Studien abschneiden.
Unsere Forschung befasst sich auch mit den Mikroorganismen, die Plastik besiedeln, das im Meerwasser schwimmt. Diese bilden Gemeinschaften, die an der Oberfläche haften, so genannte Biofilme. Obwohl sich Biofilme auf jeder Unterwasseroberfläche bilden, ist es besonders interessant, dieses Phänomen auf schwimmendem Kunststoff zu untersuchen. Im offenen Ozean vermeiden nämlich viele mikrobielle Organismen die Ansammlung im Wasser – sie würden sonst schneller sinken.
Kunststoff bietet jedoch ein dauerhaftes Floss, auf dem sich diese Gemeinschaften bilden und entwickeln können. Wenn man sich den offenen Ozean vorstellt, wo es nur wenige Flösse gibt, ist dies eine seltene und einzigartige neue Umgebung für Mikroben. Die meisten Studien, die sich mit solchen mikrobiellen Gemeinschaften befassten, fanden entlang von Küsten statt; was im offenen Meer geschieht, ist noch wenig erforscht.
Wir untersuchen, welche Bakterien in diesen Gemeinschaften vorhanden sind und wie sich die Gemeinschaften im Laufe der Zeit zusammensetzen. Um das Schwimmen von Kunststoffen auf der Wasseroberfläche zu simulieren, verwenden wir im Labor an Bord der Polarstern Aquarien, in die wir Rahmen einsetzen und Kunststoffproben anbringen können.
Wir fügen den Aquarien kontinuierlich Meerwasser zu und nehmen im Laufe von zwei Wochen drei Proben. In einem weiteren Schritt untersuchen wir dann die Bakterien, indem wir ihre DNA isolieren. Auf diese Weise werden wir hoffentlich erfahren, wie sich diese mikrobiellen Gemeinschaften entwickeln und ob sie sich in den verschiedenen geografischen Regionen des Südlichen Ozeans unterscheiden. Auch wie sie im Vergleich zu anderen Ozeanen, etwa dem Atlantik, aussehen, wollen wir so herausfinden.
Bis zum nächsten Blogbeitrag können Sie hierExterner Link den Kurs des Schiffes Polarstern verfolgen und sich über andere Forschungsprojekte informieren.
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