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Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

Zwei Personen bei der Arbeit
In der Schweiz gibt es flexible Arbeitszeitregelungen. Keystone

Mehr als 41 Stunden und 10 Minuten? Das ist der Durchschnitt in der Schweiz für Personen mit Vollzeitstellen - im Vergleich zu den meisten Industrieländern relativ wenig. Wie kam die Schweiz in diese scheinbar glückliche Situation, und warum regen sich Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände auf?

Nach dem Generalstreik von 1918Externer Link (bei dem über 250’000 Arbeiter ihre Arbeit niederlegten, was zu einem Armee-Einsatz führte), wurde in der Schweiz 1920 die 48-Stunden-Woche für Angestellte eingeführt.

Das aktuelle ArbeitsgesetzExterner Link – mit maximal 45 oder 50 Stunden pro Woche, je nach Branche – stammt aus dem Jahr 1966.

Im Jahr 1971 wurde eine Volksinitiative lanciert, um die Arbeitszeit auf 40 Stunden zu senken. Der Bundesrat sprach sich gegen die Initiative aus – Wirtschaftsminister Ernst Brugger bezeichnete sie als «formal und rechtlich unmöglich sowie undurchführbar». 1976 stimmten fast vier von fünf Stimmenden gegen die Initiative.

Aktuell ist in der Schweiz gemäss Bundesamt für StatistikExterner Link die 41-Stunden-Woche die Norm (mit Ausnahme der Selbständigerwerbenden).

Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)Externer Link beträgt die gesetzliche maximale Wochenarbeitszeit 45 Stunden pro Woche für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische Angestellte und Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels. Für alle übrigen Angestellten gilt die 50-Stunden-Woche. Diese Grenzwerte werden strikt eingehalten.

Es gibt aber auch flexible Regelungen. «In Betrieben mit witterungsbedingtem Arbeitsausfall oder mit erheblichen saisonalen Schwankungen des Arbeitsanfalles kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden um höchstens 4 Stunden verlängert werden, sofern sie im Durchschnitt eines halben Jahres nicht überschritten wird», steht auf der Website des SECO.

Zudem kann für Arbeitnehmende mit einer 5-Tage-Woche die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden um 2 Stunden verlängert werden, sofern sie im Durchschnitt von 8 Wochen nicht überschritten wird. Oder um 4 Stunden, sofern sie im Durchschnitt von 4 Wochen nicht überschritten wird.

Weniger Bürokratie

Trotz dieser Flexibilität wollen die Unternehmen mehr. Am 7. November hat der Schweizerische GewerbeverbandExterner Link verlangt, dass das geltende Arbeitsrecht modernisiert und noch flexibler ausgestaltet werden müsse.

Der Gewerbeverband fordert den Abbau von Bürokratie in Bezug auf Arbeits- und Pausenzeiten und fordert die Befreiung der KMU (kleinere und mittlere Unternehmen) von den Anforderungen, die sich eigentlich an Grossunternehmen richten.

Der Verband bezeichnete den flexiblen Arbeitsmarkt der Schweiz als Grundlage für die niedrige Arbeitslosenquote von 3%. «Wenn wir diesen Grund für unseren Erfolg nicht aufs Spiel setzen und die Arbeitsplätze langfristig sichern wollen, muss das Arbeitsrecht von unnötigen und veralteten Regelungen befreit werden», sagte Verbandspräsident Jean-François Rime. «Das aktuelle Recht stinkt nach 1950er- und 1960er-Jahren und ist schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäss.»

Heute seien drei Viertel der Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig und nutzten die Freiheit und die Möglichkeiten der Digitalisierung, so der Verband. «Zu starre Arbeitszeiten basieren auf einem überholten Fabrikmodell.»

Der Verband fordert eine Anhebung der Maximalarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche auf 50 Stunden pro Woche.

Laut dem Schweizerischen TreuhänderverbandExterner Link beispielsweise ist das geltende Arbeitsgesetz «kaum umsetzbar». Er wies darauf hin, dass Treuhänder am Ende und Anfang des Jahres mit Arbeiten wie Jahresabschlüssen und Steuererklärungen überhäuft würden. Der Sommer sei danach erheblich ruhiger.

«Hier brauchen wir mehr Flexibilität für Arbeitgeber und Arbeitnehmer», sagte Verbandspräsidentin Daniela Schneeberger.

Die schweizerische Gewerkschafts-Dachorganisation Travail SuisseExterner Link widersprach vehement und argumentierte, dass «unter dem Deckmantel der Flexibilität das Arbeitsrecht ausgehöhlt werden soll». Das sei Gift für die Arbeitnehmer. Eine Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 50 Stunden würde «den Arbeitgebern zu Lasten der Arbeitnehmer zugutekommen», so die Dachorganisation.

«Die Schweiz verfügt bereits heute über eines der liberalsten Arbeitsgesetze Europas mit überdurchschnittlich langen und flexiblen Arbeitszeiten. Die Forderung, die Arbeitszeit um mehr als 11% zu erhöhen, ist unverschämt», sagte Adrian Wüthrich, Präsident von Travail Suisse.

Der Druck auf die Arbeitnehmer sei bereits hoch, so Wüthrich. Stress, Arbeitsüberlastung und Burn-outs hätten in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Auch die Kosten für stressbedingte Erkrankungen seien gestiegen. «Die Folgen längerer Schichten und kürzerer Erholungszeiten sind klar: mehr Stress, mehr Gesundheitsrisiken und damit höhere volkswirtschaftliche Kosten», so Wüthrich.

UniaExterner Link, die grösste Gewerkschaft der Schweiz, setzt sich aus zwei Gründen für kürzere Arbeitszeiten ein, wie Sprecher Pepo Hofstetter gegenüber swissinfo.ch erklärte.

«Erstens, damit die Arbeitnehmer vom technischen Fortschritt – der Digitalisierung – profitieren können und nicht einfach wegrationalisiert werden. Zweitens, um die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienpflichten zu verbessern.» Er fügte hinzu, dass Unia eine 35-Stunden-Woche begrüssen würde.

Eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte StudieExterner Link aus dem Jahr 2012 zeigt, dass die durchschnittliche Zahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr von 2400 im Jahr 1950 auf 1600 im Jahr 2010 gesunken ist.

Die Autoren der Studie gaben drei Hauptgründe dafür an. Erstens war die Wochenarbeitszeit von durchschnittlich fast 50 Stunden auf 42 Stunden zurückgegangen. Zweitens erhielten die Arbeitnehmer etwa fünf Wochen bezahlte Ferien pro Jahr, verglichen mit zwei im Jahr 1950. Den dritten Grund sahen die Autoren in der starken Zunahme der Teilzeitbeschäftigten (mit mindestens einem halben Tag frei pro Woche): In den 1950er-Jahren gab es nur etwa 5% Teilzeitbeschäftigte, 2010 waren es mehr als 31%.

Bis 2015 hat sich die durchschnittliche Jahresarbeitszeit pro Erwerbstätigem in der Schweiz – 1590 Stunden – kaum verändert, wie aus einem OECD-DatenblattExterner Link hervorgeht, wonach die Schweiz auf Platz 28 von 35 Industrieländern erscheint. Mexiko hat eine extrem hohe Jahresarbeitszeit (2248 Stunden) und Deutschland eine sehr tiefe (1368). Die Vereinigten Staaten waren mit 1786 Stunden ziemlich genau in der Mitte.

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi) 

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