Das Fremde fordert die Schweizer Gastgeber heraus
Der Vorfall hat über die Landesgrenzen hinaus für medialen Wirbel gesorgt: Auf einer Hinweistafel in einem Schwimmbad eines Aroser Hotels waren jüdische Gäste aufgefordert worden, vor der Benützung des Beckens zu duschen. Stellt sich die Frage, wie gut die Schweizer Tourismusbranche auf Gäste aus anderen Kulturkreisen vorbereitet ist.
«Wir betreiben mit allen Hotels von Arosa eine stete Kommunikation, wie man den verschiedenen Touristengruppen korrekt begegnet. Basierend auf diesem Vorfall werden wir diese nochmals aufnehmen und intensivieren. Wir werden die Hotels darauf hinweisen, dass so was nicht geht und auch nicht toleriert wird», sagte Pascal Jenny, Direktor von Arosa Tourismus, gegenüber der Boulevard-Zeitung Blick.
Der Schweizer Ferienort im Kanton Graubünden empfängt jüdische Gäste seit Jahrzehnten. Aber die erwähnte Aufforderung im Aroser Apartmenthaus Paradies sorgte für Empörung insbesondere bei jüdischen Organisationen und Antisemitismus-Vorwürfen seitens israelischer Behörden, so dass das Schweizer Aussenministerium beschwichtigen musste.
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Dusch-Appell an jüdische Gäste in Schweizer Hotel
Auf der Hinweistafel stand geschrieben: «An unsere jüdischen Gäste, Frauen, Männer und Kinder, bitte duschen Sie vor und nach dem Schwimmen in unserem Schwimmbad. Tun Sie das nicht, bin ich gezwungen, das Schwimmbad für Sie zu schliessen!» Das Hotel-Management liess die Tafel sofort abmontieren, nachdem es Reklamationen gegeben hatte.
Checkliste
Er sei von einem Gast über die Hinweistafel informiert worden, sagte Jenny gegenüber dem Blick. «Arosa wird jedes Jahr von zahlreichen jüdischen Touristen besucht.» 2016 buchten diese Touristen 4500 von insgesamt 450’000 Übernachtungen. «Das Hotel Metropol [in Arosa] beherbergt ausschliesslich jüdische Gäste. Deswegen sind wir besonders sensibilisiert, wie wir der jüdischen Gemeinde bestmöglich begegnen können, damit sie sich bei uns wohl fühlt und einen schönen Aufenthalt verbringen kann. Es gab noch nie eine Reklamation oder Problematik in dieser Richtung. Deshalb sind wir jetzt umso mehr überrascht, dass wir aufgrund dieses bedauernswerten Einzelfalls jetzt in dieses Licht gerückt werden.»
Nach dem Sturm der Entrüstung plant Jennys Büro eine Checkliste, um den Mitarbeitenden im lokalen Tourismussektor Anhaltspunkte zu geben, was im Umgang mit internationalen Gästen, insbesondere aus Israel, Grossbritannien, Asien und Deutschland zu tun und was zu lassen ist.
Diversifizierung
In den letzten Jahren drehten viele Touristen aus dem europäischen Raum den Schweizer Ferienorten wegen des hohen Frankenkurses den Rücken zu. In der Folge gelang es aber in einigen Tourismusregionen, Gäste aus anderen Ländern anzulocken, insbesondere aus China, den Golfstaaten und Südostasien.
Aber diese neuen Gäste können eine Herausforderung für die Tourismusregionen sein. Verständigungsprobleme und unterschiedliche Gewohnheiten können zu Missverständnissen und Kommunikationsproblemen führen, die sowohl für die Gäste wie für das Personal des Gastgewerbes frustrierend sein können.
Um den Besuchern mit unterschiedlichen kulturellen Erwartungen gerecht zu werden, erarbeiteten Schweiz TourismusExterner Link und HotelleriesuisseExterner Link bereits 2015 vier Broschüren über Gäste aus den Golfstaaten, China, Indien und Russland, die an 3000 Verbandsmitglieder geschickt wurden. Diese enthalten wichtige Informationen für das Tourismuspersonal über diese Länder und deren kulturelle und religiöse Bräuche und Traditionen sowie über Geschäftsethik und Tipps zur Behandlung von Gästen. Die Broschüren wurden jährlich aktualisiert.
Hotelleriesuisse organisiert auch spezielle Workshops für Hotels und Caterer. Hoteliers werden geschult, wie man muslimischen Gästen während des Ramadans zum Beispiel gerecht werden kann.
«Interkulturelle Themen kommen auch in der Ausbildung der Hotelfachschulen zur Sprache», sagt Karin Sieber, Sprecherin von Hotelleriesuisse.
Schweiz Tourismus-Sprecher Markus Berger ist der Ansicht, dass das Hotelpersonal ausreichend geschult ist, um den kulturellen Bedürfnissen internationaler Besucher gerecht zu werden.
«Die Leute sind sich der Sensibilität sehr bewusst», sagte er gegenüber swissinfo.ch. «Sie haben viel dazu gelernt, das war nötig. In den vergangenen Jahren sind so viele internationale Gäste in die Schweiz gekommen. Sie kommen immer wieder in die gleichen Hotels, und das Feedback, das wir bekommen, lautet, dass sie sich wohl fühlen. Wir hören kaum von Vorfällen wie jenem in Arosa, der eine Ausnahme ist. Es gibt sehr wenig Konflikte oder schwierige Situationen.»
Laut Schweiz Tourismus besteht nach dem Vorfall in Arosa kein spezieller Handlungsbedarf.
«Aber die Diskussion ist immer sehr hilfreich, denn es fördert das Bewusstsein, sensibel und rücksichtsvoll gegenüber den Gästen zu sein. Die Leute, die gefragt haben, ob wir diese Broschüren wirklich brauchten, werden daran erinnert, dass sie definitiv notwendig sind», fügte er hinzu.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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