Süddeutsche üben Kritik an Plänen für Atom-Endlager
Die Entscheidung der Schweiz für den Standort ihres Atommüll-Endlagers nahe der baden-württembergischen Ortschaft Hohentengen ist auch jenseits der Schweizer Grenze skeptisch aufgenommen worden.
Die badische Umweltministerin: Baden-Württemberg pocht auf den Schutz der in der Region lebenden Bürger:innen. Landes-Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) teilte in Stuttgart mit: «Der Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger vor radioaktiver Strahlung muss gewährleistet sein, insbesondere aber auch der Grundwasserschutz.»
Walker sagte, man nähme die Pläne zur Kenntnis und werde sie nun vertieft prüfen. Der Standort Nördlich Lägern liege in unmittelbarer Grenznähe, insbesondere zum Landkreis Waldshut, aber auch zu den Kreisen Lörrach, Konstanz und dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Somit leiste die baden-württembergische Bevölkerung einen grossen Beitrag zur Endlagerung des schweizerischen Atommülls. «Dies muss sich aus unserer Sicht zwingend adäquat bei den anstehenden Abgeltungsverhandlungen niederschlagen», sagte Walker.
Nagra entscheidet sich für Atom-Endlager Nördlich Lägern:
Der Koordinator: Martin Steinebrunner, der die Deutsche Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST) beim Regionalverband Hochrhein-Bodensee vertritt, sagte: «Bei der Aushandlung von Kompensationszahlungen wollen wir angemessen beteiligt werden, sowohl bei den Verhandlungen als auch im Ergebnis. Manche deutschen Gemeinden liegen näher am Lager als Schweizer Gemeinden, die berücksichtigt werden sollen.»
Nun müssten die geplanten Oberflächenbauten konkretisiert werden. Die zunächst geplanten Bauten liegen etwa 2.3 Kilometer südlich der Landesgrenze. «Man muss anerkennen, dass die Schweiz ein rationales Verfahren hat und die Betroffenen miteinbezieht. Ob wir das in Deutschland ähnlich gut hinbekämen, wenn unser Endlagerstandort in Grenznähe wäre, muss sich noch zeigen», so Steinebrunner.
Der Bürgermeister von Hohentengen: Martin Benz will den Entscheidungsträgern sehr genau «auf den Zahn fühlen», wie er der Nachrichtenagentur DPA sagte. «Sie müssen sehr gut begründen, warum ein zurückgestellter Standort plötzlich zum präferierten Standort wird», sagte er. Den Bewohnern sei klar, dass der radioaktive Müll vorhanden ist und entsorgt werden muss, sagte Benz. Auch sie seien für die Lagerung am sichersten Ort. «Aber diese Fragen müssen beantwortet werden: Was gibt es für Störfallszenarien, und wie ist man darauf vorbereitet?»
Das Bundesumweltministerium: Die Entscheidung der Schweiz bezeichnete man in Berlin am Samstagabend als Belastung für die betroffenen Gemeinden. Die grenznahe Lage «stellt sowohl in der Errichtungsphase als auch beim Betrieb des Endlagers für diese und umliegende Gemeinden eine grosse Belastung dar», sagte Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium und Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, auf Anfrage. «Ich setze mich bei der Schweiz dafür ein, dass die bisherige gute Einbindung der deutschen Nachbarn fortgesetzt wird.»
Die Expertengruppe Schweizer Tiefenlager (ESchT) werde nun im Auftrag des Ministeriums eine Einschätzung zur Nachvollziehbarkeit des Standortvorschlags erstellen und ihn bewerten. Bereits 2006 hatte das BMUV die ESchT eingerichtet, um die Schweizer Endlagersuche fachlich zu begleiten.
So geht es weiter: Am 15. September ist eine Informationsveranstaltung in Hohentengen geplant, in der die Nagra ihre Entscheidung vor Ort erklären will.
Auch die beiden anderen Schweizer Standorte, die zuletzt noch zur Auswahl standen, liegen sehr nah an der deutschen Grenze. Jura Ost liegt südöstlich von Bad Säckingen, Zürich Nordost westlich von Jestetten. Das liegt daran, dass sich dort im Untergrund Opalinuston befindet, der sich für die sichere Einlagerung radioaktiver Abfälle gut eignet. Konkret geht es um etwa 9300 Kubikmeter hoch radioaktive Abfälle und 72’000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Für den Bau des Endlagers ist ein langes Genehmigungsverfahren vorgesehen. Wenn alles glattgeht, könnte er 2031 beginnen. Die mehrjährige Einlagerung begänne dann etwa 2050.
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