Auslandsbanken als Nutzniesser und Opfer
Trotz der jüngsten Bankdaten-CD-Affäre von Coutts stehen Auslandsbanken weniger in den Schlagzeilen als Inlands- und Grossbanken. Als "diskretere Opfer" der Finanzplatz-Angriffe nutzten sie auch dessen Freiheiten. Ihre Zahl nimmt zur Zeit ab.
Wer die Fieberkurve des Finanzplatzes Schweiz messen will, darf das Geschehen bei den Auslandsbanken nicht übersehen, obwohl – oder gerade weil sie weniger als die inländischen Institute in den Schlagzeilen stehen. Ausser es geht um CDs mit Kundendaten, etwa der Genfer HSBC oder der Zürcher Coutts, die in Nordrhein-Westfalen kürzlich aufgetaucht ist.
Auch Auslandsbanken gehören zu den Schweizer Banken, schreibt der Verband der Auslandsbanken (AFBS). Nur befinden sie sich in Händen ausländischer Hauptaktionäre. Sie sind also entweder Tochtergesellschaften ausländischer Aktionäre, oft Banken, oder Schweizer Zweigniederlassungen von ausländischen Banken.
Auslandsbanken: Weniger Beachtung
Traditionellerweise hätten diese rund 140 Institute nicht nur die Diskretion, sondern auch die einfach gebliebene regulatorische Umgebung und die guten Dienstleistungen des Schweizer Finanzplatzes anderen Standorten vorgezogen, sagen Finanzplatzexperten.
In den Schweizer Medien finden die Auslandsbanken relativ wenig Beachtung, obschon dies nicht gerechtfertigt ist. Bei der Bilanzsumme entfällt auf die Auslandsbanken ein Anteil von 11,5% (Angabe für 2009), bei der Wertschöpfung rund 20%. Bei den verwalteten Geldern entfielen auf die Auslandsbanken noch 2008 vor der Krise Vermögen im Wert von rund 940 Mrd. Franken. Heute sind es noch 860 Milliarden.
Dass Auslandsbanken weniger wahrgenommen werden, führt Marion Pester von der DZ Privatbank (Schweiz) AG unter anderem auf die grosse «Heterogenität dieser Bankengruppe» zurück, auf «unterschiedliche Heimatdomizile, unterschiedliche Interessenlagen, unterschiedliche Grössen und Geschäftsmodelle», sagt sie gegenüber swissinfo.ch.
Ein vermehrter Miteinbezug der Auslandsbanken in den Finanzplatz hätte auch Vorteile für die Schweiz: «In den Verhandlungen der Schweiz mit den einzelnen Ländern könnte die Schweiz durchaus von den Einschätzungen und Erfahrungen der Auslandsbanken in ihren Heimatländern profitieren», so Pester.
Auslandsbanken: Mehr Unternehmen als Privatkunden?
Laut dem Verband der Auslandsbanken wurde in der Schweiz im Vorjahr wie im laufenden Jahr keine einzige neue Banklizenz beantragt. Jene Auslandsbanken, die weggehen, geben einfach ihre Lizenz zurück – übernommen werden nur wenige: ein Zeichen, dass sie zur Zeit nicht attraktiv sind. Denn jetzt, mit der ganzen Transformation der nicht ordnungsgemäss deklarierten in versteuerte Gelder, fällt ihr Standortvorteil als in der Schweiz ansässige Bank weg.
Anders sieht dies Stephan Fuchs, Bankexperte bei Ernst & Young und Mitverantwortlicher des E&Y Bankenbarometers: Das Bankgeheimnis sei über Jahrzehnte weniger ein Thema für die Auslands- als vielmehr für die Inlandbanken gewesen. Bei den Auslandsbanken sei mehr Unternehmens-Finanzierung als private Vermögensverwaltung gefragt gewesen, besonders seitens ihrer meist ausländischen Kundschaft. «Allein über 30 japanische Banken haben sich in den letzten Jahren wieder zurückgezogen, weil ihr Emissionsgeschäft, das sie in der Schweiz zu machen hofften, nicht mehr lief.»
Im Bereich Einzelkunden- und Vermögensverwaltung sei das Geschäft in der Schweiz weitgehend gesättigt, schätzt Fuchs. «Deshalb glaube ich, dass im kommenden Jahrzehnt noch weitere Banken verschwinden werden. Ich lasse aber offen, ob das nun vor allem Ausland- oder nicht auch Inlandbanken sein werden.»
Unbemerkter Wandel von Off- zu Onshore-Banking
Für den Bankenplatz Schweiz jedoch haben Bankenkrise und die steuerliche Läuterung der internationalen Vermögensverwaltung die Voraussetzungen verändert.
«Im Ausland wird die Schweiz immer noch als Offshore-Bankenplatz erachtet», so Fuchs, «wobei dieser Umstand zum grösseren Teil den Inlandbanken zuzuschreiben ist». Denn ein deutscher steuerflüchtiger Privater habe sich bisher mit seinem Vermögen sicher lieber direkt an eine Schweizer Inland- als an eine deutsch-dominierte Auslandsbank gewandt, der er nicht getraut habe. «Ist er aber ein deutscher Unternehmer mit Kunden in vielen Ländern, dann geht er wohl lieber zur Schweizer Tochter seiner deutschen Hausbank.»
Backoffice-Auslagerungen, präziser Service
Dass so viele Auslandsbanken dennoch in der Schweiz blieben, habe nicht mehr mit der Steuerfreiheit zu tun, sondern eher mit den ausgezeichneten Software- und Backoffice-Diensten, die es hierzulande gebe, sagt ein ehemaliger Auslandbanker (Name der Red. bekannt): Auch wenn sie auf den Märkten Konkurrenten seien, würden Auslandsbanken manchmal in den Bereichen IT und Backoffice zusammenarbeiten, sie also aus dem Unternehmen auslagern.
So seien im Backoffice bei einer Bank mehrere Mitarbeitende im Hauptsitzland durch eine einzige Person in der Schweiz ersetzt worden. Womit die hohen Lohnkosten in der Schweiz für einmal dem «Insourcing» nicht entgegen standen.
Fuchs bestätigt dies in der Tendenz: «Die Erfahrung der Schweiz im Universalbanking ist alt. Backoffice-Mitarbeitende weisen in der Schweiz eine breite Ausbildung aus, weil die Banken hier eine breite Dienstleistungspalette haben. Auch die Banklehre trägt zur Präzision des Service bei.»
Was die Geld einsparende Auslagerung von Backoffice und Informatik aus den einzelnen Bankunternehmen in nachgelagerte Informatikunternehmen betrifft, schätzt Fuchs den «Leidensdruck der Bankbranche hierzulande noch nicht als genügend gross» ein. «Heute haben die meisten Banken noch genügend Geld für separate, eigene Lösungen und Zentren.»
Solche Aktivitäten brächten zwar keine Wettbewerbs-, aber klar Kostenvorteile. Deshalb werden solche Auslagerungen gemäss Fuchs «zwangsläufig kommen». Zusammen mit der schweizerischen Arbeitseinstellung, der Zuverlässigkeit und der Präzision der Dienstleistungserbringung sei es nicht auszuschliessen, dass die Schweiz diesbezüglich ein Standort werden könnte, wohin die Banken ihr Backoffice und ihre Informatik auslagerten.
Früher konnten Auslandsbanken unbehelligt von ihren Regierungen in der Schweiz ihren Geschäften nachgehen. Bankgeheimnis und Steuern waren kein Thema. Heute ist das anders.
Ausgerechnet aus jenen Ländern, deren Grossbanken viele Niederlassungen in der Schweiz haben, stammen auch viele Massnahmen gegen den Schweizer Finanzplatz. Der Druck auf die Auslandsbanken seitens Berlin, Paris, Rom etc. hat stark zugenommen.
Frankreich: Exit Tax (Tochtergesellschaften in der Schweiz: Credit Agricole, Société Générale, BNP, etc.)
Deutschland: Länder benutzen weiterhin «aufgetauchte» CDs mit Kundendaten (Tochtergesellschaften in der Schweiz: Deutsche Bank, DZ Privatbank, Dresdner wurde durch LGT Bank übernommen, etc.).
Spanien: Amnestie bis November 2012, nachher hartes Durchgreifen (Santander, BBVA, etc.)
Italien: Strenge Grenzkontrollen, Verbot von Cash-Transaktionen von über 1000 Euro, Schweiz weiterhin auf Schwarzer Liste, etc. (Banca della Svizzera Italiana, PKB, Banca Popolare di Sondrio, etc.)
Wie die Konkurrenz zum Schweizer Finanzplatz aussieht, zeichnet sich beispielsweise in Brasilien schon klar ab.
Während die Schweizer vergeblich darauf hoffen, dass Finanzinstitute aus BRIC-Staaten als Auslandsbanken in die Schweiz kommen, will Credit Suisse in Sao Paolo 800 Mitarbeitende zusammenziehen, wie die Neue Zürcher Zeitung vom 13. Juli 2012 berichtet.
Mehrere Investmentbanken, in Europa nicht mehr im besten Ruf, ziehen an die Finanzmeile dieser 20-Mio-Grossstadt um. Auch von der Wall Street wird Personal für Sao Paolo abgezogen.
Mehrere Dutzend ausländischer Banken warten laut NZZ auf eine Lizenz oder versuchen, eine brasilianische Bank zu kaufen, um in Brasilien aktiv zu werden. Darunter auch die Industrial and Commercial Bank of China, die die Büros in Sao Paolo bereits gemietet habe, obwohl ihre Lizenz noch ausstehe.
Andererseits soll HSBC, in der Schweiz weitaus die grösste aller Auslandsbanken, in Brasilien Geschäfts- oder Spartenanteile verkaufen, weil sie, wie andere in Brasilien alt eingesessene Auslandsbanken, zur Zeit nicht mehr mithalten können.
Weitere europäische Banken, deren Mutterhäuser Probleme haben, wie Banco Santander oder BNP Paribas (beide auch in der Schweiz vertreten) schrauben ebenfalls zurück.
Der Grund, weshalb Banken so gerne in Brasilien geschäften, liegt in der Rentabilität: Der «Zins-Spread», also die Zins-Spanne zwischen Aktiven und Passiven (Kundeneinlagen und Krediten), beträgt in Brasilien 35% – in Deutschland hingegen beläuft sie sich auf 2,7%.
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